Eigentlich super, man muss nur wissen wie er funktioniert. Denn die Taxis von Monrovia halten nach einem ausgeklügelten System a la "drag and drop". Der Fahrgast signalisiert per Handzeichen, wohin er will - und zwar je nach dem, wo er sich gerade befindet. So meint ein seitlich ausgestreckter Zeigefinger am Tubman-Boulevard stadtauswärts: "Ich will nach 'Airfield' ", eine flache Hand hingegen: "nur ein wenig weiter gerade aus", während ein ausgestreckter Zeigefinger nach oben den Gast bis in den letzten Vorort bringt. Glücklich, wer die lokale Zeichensprache am Straßenrand beherrscht.
Ich zum Beispiel will gerade zur 18th Street in Sinkhor. Klingt simpel, aber keine Ahnung, welches Handzeichen mich dahin bringt. Vielleicht ein Daumen, der sich nach oben rechts biegt? Denn da muss Sinkhor geographisch irgendwo liegen. Am Ende fuchtele ich einfach so durch die Luft und vertraue auf meine weiße Haut, die hier stets Signalwirkung zeigt - nämlich von ausreichend US-Währung in der Tasche.
Keinen Tüv, keine Fahrschule
Und dann hält endlich Justice Hackman, 36. Sein Nissan Sunny (mit 250.000 KM auf dem Tacho, Baujahr 87) nimmt als Taxi bis zu sechs Passagiere auf (zwei auf dem Beifahrersitz, vier hinten.) Ich quetschte mich neben eine dicke Mammi, und Justice schlingert seinen Sunny zurück auf den Tubman-Boulevard - die nahezu einzige Asphaltstrasse der Hauptstadt. Viel Kompression bringt der Motor nicht mehr auf, aber doch, er rollt. Bei Tempo Vierzig im Verkehrsdschungel von Monrovia sind die Bremsbelege nicht so wichtig.
Einen Tüv gibt’s natürlich auch nicht, aber seit zwei Wochen werden immerhin wieder Führerscheine ausgestellt. Nach fünfzehn Jahren Bürgerkrieg ein echter Schritt zurück in die Zivilisation. Unklar allerdings noch, wie es mit den Prüfungen funktionieren soll. Denn Fahrschulen existieren in Monrovia nicht. Bislang fährt hier ganz einfach jeder, der sich ein Auto leisten kann - doch das sind nicht allzu viele. Und wer doch einen Wagen besitzt, der lässt seinen PKW sofort zum Taxi umspritzen.
"Wir Taxifahrer finanzieren die Polizei"
Nummernschilder werden ordentlich nach Nutzung vergeben: NG für Nichtregierungsfahrzeuge der Hilfsorganisationen, PC für "Private Cars" oder BC für "Business Cars" etwa. Taxis tragen TX. Das scheint dann auch gleich die Taxilizenz zu beinhalten. Als ich Justice nach seinem Taxischein frage, nickt er stolz und zeigt mir seinen alten Führerschein aus den Zeiten vor dem Krieg. Da soll ihn mal ein Polizist anhalten... - andere haben schließlich gar nichts vorzuweisen. Außer ein paar zerknitterten Liberties (Liberia Dollar). "Hey, wir Taxifahrer finanzieren die Polizei," stöhnt Taxidriver Justice, denn auch wenn mit Führerschein: abdrücken müsse man am Ende doch immer.
Dafür ist eine gewisse Sicherheit zurückgekehrt. Seinen letzten Wagen verlor Justice an die Rebellen der LURD. Die beschossen ihn inmitten des Stadtverkehrs von hinten bis seine Rückscheibe splitterte und Justice lieber doch anhielt. Dann enterten sie das Auto und zwangen ihn zum Hafen zu fahren - dort konnte er mit Glück zwischen Häuserfluchten flüchten; schwamm durch das atlantische Meer entlang des Strands davon. Der Wagen war aber futsch und damit die ganze Existenz. Das war im Jahr 2003.
Verhandlungsgeschick und gegenseitige Sympathie
Heute kann ihm das nicht mehr passieren. Heute regeln 15.000 UN-Kräfte das Leben in Liberia und werkeln die ehemaligen Rebellen in Rehabilitierungsmaßnahmen an den Lehmstraßen der jungen Republik. Freundlich winken sie den Passanten zu, was sie denken, weiß man nicht. An alte Zeiten erinnern die Poster mit symbolisch durchgeknickten Kalaschnikows am Straßenrand - die Entwaffnungsprogramme der letzten fünf Jahre. Justice hat in dieser Zeit mühsam einen zweiten Wagen abbezahlt.
Mit dem ist ihm nie was passiert. Immerhin hat er ja auch Johnny an Bord: kein Messer, sondern seine Galionsfigur, ein echter Plastikkämpfer wie aus einem Hollywoodactionfilm entsprungen, rund zehn Zentimeter groß und auf der Ablage neben dem Lenkrad festgeklebt - Justices’ Glücksbringer. "Johnny ist freundlich und mag ehrliche Leute," so Justice lächelnd. Schlechte Erfahrungen mit Fahrgästen hat er auch nach Ende des Krieges gesammelt.
Langsam leert sich sein Taxi in der Nacht, und weil ich ihm einen fürstlichen Tarif biete, steigen auch keine neuen Gäste zu. Nun läuft das mentale Taxameter: sprich je nach Verhandlungsgeschick und auch gegenseitiger Sympathie. Wir einigen wir uns auf eine Pauschale, abseits vom Linienverkehr, sprich bis vor die Haustür. Rund drei US-Dollar.
Nutzen von Chancen und Kontakten
Justice und Johnny und ich sind nun Freunde. Ich weiß inzwischen, dass Justice so um die 250 Euro im Monat einnimmt, seine Freundin als Küchenhelferin arbeitet, die beiden sich ein Zimmer teilen und mit Holzkohle kochen. Und auch, dass er jeden zweiten Tag mit dem Wagen in die Werkstatt muss. Irgendwas ist halt immer. Und das frisst am Gewinn.
Als er sieht, dass ich im Gästehaus der Deutschen Welthungerhilfe wohne, werde ich ihm noch sympathischer: Mein neuer Freund ahnt das mögliche Entree als fester Fahrer in die Welt der Hilfsorganisationen. Super Bezahlung, geregelte Arbeitszeiten. Immer geht es in Afrika um die Nutzung von Chancen und Kontakten. Ich erkläre ihm, dass ich nur ein Journalist auf Besuch bin und nicht etwa "Bossman" des Fuhrparks. Auch gut. Justice und Johnny mögen mich noch immer. Und ich mag die beiden, denn Kontakte von zuverlässigen Taxifahrern werden in Afrika von Reportern gehandelt wie Gold. Natürlich fährt Justice auch Touristen, wenn sie kommen. Hier also seine Nummer: +231-5805046.