Promi-Rennen Das Hollywood-Zerstörer-Rennen

Von Helmut Werb
Vor dem Grand Prix von Long Beach findet alljährlich der "Toyota Pro/Celebrity GP" statt. Ein herrliches Spektakel mit viel Schrott und prächtig aufgeblähten Hollywood-Egos. stern.de schaute den Promis unter die Haube.

Wenn jedes Jahr im April die Hollywood-Stars anlässlich des Grand Prix von Long Beach auf den engen Stadtkurs südlich von Los Angeles drängen, gibt’s im Vorfeld der Indy Car-Rennserie für die Zuschauer meist herzlich was zu lachen. In den 33 Jahren, in denen das Celebrity Rennen im Vorfeld des Long Beach GP ausgetragen wird, gab es kein Rennen, in dem sich die Stars von Leinwand und Stadion nicht spektakulär gegenseitig abgeschossen hätten.

In den meist nur zehn Runden währenden Blow-Outs unter den Stars gab es bislang mehr Blechschäden als in den Formel- und Rahmenrennen auf dem Straßenkurs rund um den Long Beach Harbour. Der olympische Gymnastik-Zwerg Mary Lou Retton zerquetschte einen Toyota - das Rennen wird unter dem Titel "Toyota Pro/Celebrity GP" ausgetragen - , auch Queen Latifah nahm schon am Hollywood Demolition Derby teil. Gene Hackman fuhr gar fünf Jahre lang mit, Star Treks Capt. Kirk, William Shatner, immerhin drei, bis er 2006 darauf bestand, ein Teilnehmerfahrzeug trotz heftigster Zerknitterung bis zur Ziellinie zu schleppen, was unter den Toyota-Oberen für erzürnte Stirnfalten gesorgt haben soll. Ob für Uralt-Rocker Ted Nugent, der das Rennen 1983 mit mehr als zwölf Sekunden Vorsprung vor Formel 1-Champ Dan Gurney gewann, oder für Lailia Ali - unter den sonst so behüteten Stars ist die Teilnahme an der legalisierten Asphalt-Rauferei recht begehrt, und den Zuschauern wird eine prächtige Gaudi geliefert.

Wie üblich war auch dieses Jahr das Teilnehmerfeld mit einigen A-Listen Stars bestückt: Keanu Reeves, unter Insidern einschlägig bekannt als "Octane-Head", wollte unbedingt mit dabei sein (obwohl, so wurde gemunkelt, Keanus Studio über die Teilnahme ihres teuren Stars am öffentlichen Box-Auto-Fahren nicht gerade glücklich war) und Oscar-Gewinner Adrien Brody zwängte sich mit übergroßer RayBan hinters Steuer eines recht serienmäßigen Scion Coupes. Aufgefüllt wurde das Feld unter vielen anderen mit Mary Lynn Rajskub aus der Fernsehserie "24", Raven-Symone, die beim Disney-Kanal eine eigene Sendung hat ("She’s so Raven!"), "Jeopardy"-Quizmeister Alex Trebec und Danny Way, dem Inhaber eines Geschwindigkeitsrekords für Skateboards, was sich für Toyota als ziemlich teuer herausstellen sollte, da der wackere Danny (mit allgegenwärtigem Skateboard) es schaffte, mit einem Schlag gleich zwei Fahrzeuge in den außerordentlichen Ruhestand zu versetzen, doch davon später.

Vier Tage mussten sich die Teilnehmer einem intensiven Renntraining unterziehen, erst dann wurden sie auf den Rundkurs von Long Beach losgelassen. Es sei ja ganz erstaunlich, meinte brav Dan McKeefer, einer der Instruktoren, die die Stars auf Wettbewerbsfähigkeit trimmen sollten, aber er hätte gefunden, dass die Berühmtheiten überraschend lernfähig seien. "Die Schauspieler sind es gewohnt, gesagt zu bekommen, wo’s langgeht", grinste Dan während sich die Schützlinge beim Qualifying außer Hörweite einschossen, "und die Profi-Sportler gehorchen sowieso." Dan gab dem Skateboarder die besten Chancen, das Rennen zu gewinnen, und erwartete, dass Keanu als Dritter durchs Ziel gehen würde. Aber es sollte anders kommen.

Der Tag des Qualifying war traditionsgemäß der Auflauf der Stars vor den Fotografen und lief auch so ab, wie das in Hollywood erwartet wird - Keanu, mit ausgeprägtem Gesichtshaar, verzog sich schmollend in seinen Trailer, wenn mehr als eine Kameralinse auf ihn gerichtet war. Adrien Brody setzte sich und seine neuen blauen Haarsträhnchen geziert in Position, aber nicht zu nahe, bitte. Nur die Stars aus der zweiten, dritten und siebten Reihe waren gierig auf Reporter. Da flogen die Wangenküsschen nur so, die Kameradschaft der Rennsportler untereinander wurde mit großem Befliss zur Schau gestellt, und die Pressetanten und -onkels schoben sich vor jede Linse und jedes Mikrofon, wenn sie sich sekundenweise von ihren Blackberrys trennen konnten. Und, ach ja, das Ganze sei für was Wohltätiges, Stars haben ja keine Zeit, einfach nur so Spaß zu haben, es muss schon was sozial Wertiges dabei rausspringen (womit der Spaß dann auch steuerlich absetzbar ist), weshalb hier ein heftiger Haufen Dollars an so was ähnliches wie "Racing for Kids" ging. Ja, Klasse! Irgendwann einmal mussten auch fleissigsten Blackberrys das Feld räumen, immerhin sollten ihre Celebrities doch mal auf die Piste und die Autos wären sowieso schon lange vorgewärmt….

Dann ging die Gaudi richtig los. Denn Reigen der Crashs eröffnete noch am Freitag ein leitender Angestellter einer Entertainment-TV-Sendung, als er den ersten Scion wie eine Bowlingkugel über die Strecke rollte. Und kaum war der "Pro/Celebrity GP" gestartet, benützte Raven unter stehendem Applaus ihren reichlichen Körper als Knautschzone, als sie in der gleichen Runde erstmal in die Reifen krachte, und - weil’s so schön war - eine Meile später in eine bereitstehende Betonwand. Den schönsten - und mit dem lautesten Beifall des Publikums belohnten - Crash lieferte jedoch ausgerechnet der favorisierte Danny Way, als er in Turn 1 die Kurve nicht kriegte, sein Scion wie ein Billiardball vom Beton abprallte und die Karre von Fonzworth Bentley, einer lokalen Hiphop-Berühmtheit, gleich mit abschoss. Das Publikum verlangte begeistert nach einer Zugabe.

Doch zum großen Bedauern der Beteiligten wurde da nix draus, da das auf zehn Runden beschränkte Rennen im Folgenden unter Gelb stattfand, was in der Historie des Rennens durchaus üblich zu sein scheint und - Great fun was had by all! - vom Publikum trotz weiterhin ausbleibenden Blechschäden mit großem Wohlwollen angenommen wurde, konnte man doch so die Stars auf Grund der deutlich verminderten Geschwindigkeit etwas genauer begutachten.

Ah ja, gewonnen hatte dann tatsächlich der Keanu, Adrien wurde Dritter, die anderen nahmen zumindest die schicken Rennanzüge und Helme gleich mit nach Hause. Für Volk gab's Hamburger und 'ne Cola. Superlecker!