Rockerkarriere Der lange Weg zum Rocker

  • von Peter Ilg
Lehrjahre sind bekanntlich keine Herrenjahre. Im Gremium MC, dem größten deutschen Rocker-Club, kümmern sich Paten um Neulinge. Keiner soll verloren gehen aber auch keiner aufgenommen werden, der nicht dazu passt.

Rocker-Clubs

Die vier großen Clubs haben zusammen in Deutschland rund 3000 Mitglieder, hinzu kommt nochmals dieselbe Anzahl von Rockern aus weiteren Clubs. Diese Leute stellen das Clubleben über alles und sind streng organisierte Bruderschaften, in denen es kein wenn und aber gibt. Klare Regeln bestimmen das Clubleben, das sehr zeitaufwändig ist. Neben diesen, im Szene-Jargon 1-Prozenter genannten, gibt es wohl noch über 10.000 weitere Rocker, die ein dreiteiliges "Rückencolour" (Clubname, Bild, Herkunftsort) tragen.

Wer aus Schleiz kommt, der muss Benzin im Blut haben. Ritz ist in Schleiz geboren und an der ältesten Naturrennstrecke Deutschlands aufgewachsen. Am Schleizer Dreieck fanden die größten Motorradtreffen der ehemaligen DDR statt und Ritz war mitten drin. Als die Mauer gefallen war und die größte Motorradvereinigung aus dem Westen, die Biker Union, ihr erstes Treffen in Schleiz ausrichtete, war Ritz schon weg. Er hatte sich mit seiner Familie in der Nähe von Ansbach niedergelassen und war einem regionalen Motorrad-Club beigetreten. Einmal Biker - immer Biker. ^

Heute ist der 47-jährige Ritz auf dem Weg, ein Vollblut-Rocker zu werden. "Davon träume ich schon mein Leben lang", sagt er. Einfach ist das nicht. Die Probezeit kann Jahre dauern in der Ritz und der ganze Anwärter-Club unter strenger Beobachtung stehen. Schließlich wollen sie in den Kreis der Auserwählten aufgenommen werden, dem Gremium MC. Für ihn steht die Bewährungsphase unter dem Motto: "Drum prüfe wer sich ewig bindet." Freiwillige Austritte aus dem Rocker-Club gibt es zwar auch, die sind aber höchst selten.

Einer für alle, alle für einen

Der Motorradclub Gremium MC (Motorcycle Club) wurde 1972 in Mannheim gegründet. Heute ist er wohl der größte Rocker-Club in Deutschland mit über 60 Chaptern (so heißen die regionalen Clubs), einigen Prospect-Chaptern (Anwärter-Clubs) und rund 40 Niederlassungen vorwiegend im europäischen Ausland, aber auch Südamerika und Asien. Der MC ist eine Bruderschaft, in der klare Regeln gelten. Einer für alle, alle für einen. Es gibt weder Vorurteile wegen der Hautfarbe noch eine religiöse Diskriminierung. Politisch ist der weit über 2000 Mann starke Club neutral. Die Liebe zum Motorrad verbindet die Männer. Im Gegensatz zu anderen MCs besteht keine Harley-Davidson-Pflicht. Bei der Farbe macht der Club keine Kompromisse: sie ist schwarz-weiß. Das gilt auch für die Rockerkluft.

"An der Kleidung können wir gleich beim ersten Kontakt erkennen, ob sich jemand über uns informiert hat", sagt Kessel. Kessel ist Präsident des Gremium Chapters Bamberg, dem Patenclub der Ansbacher. Er und seine Mannen begleiten die Anwärter auf deren Weg in die Bruderschaft. Kessels Wort entscheidet im Gremium MC darüber, ob die Ansbacher überhaupt aufgenommen werden. "Wir sind für alles in unserem Paten-Chapter verantwortlich. Sollte etwas aus dem Ruder laufen, dann müssen wir dafür gerade stehen", so Kessel. Kein Wunder, dass die Bamberger mit Adleraugen über die Ansbacher wachen. Über den Status-quo informiert Kessel bei den regelmäßig stattfindenden Versammlungen der Bayern-Chapter.

Strenge Regeln

Schlumpf, Präsident des Probe-Chapters Ansbach, erzählt: "Leute aus dem Gremium MC kamen zu unseren Partys, wir gingen zu deren Festen". Obwohl Schlumpf seit Jahrzehnten in der Szene unterwegs ist, sogar ein ranghoher Präsident war - allerdings unter anderen Farben - gelten für ihn dieselben Bewährungsregeln wie für alle anderen seiner 20 Männer. Frauen sind zwar gern gesehen, Mitglieder aber können sie nicht werden. Der respektvolle Umgang untereinander beim Gremium MC hat den Ansbachern gefallen. So haben sie mit dem Gremium in München Kontakt aufgenommen. Schlumpf und sein Vize wurden geladen und haben im Sommer 2006 in der bayrischen Hauptstadt vorgesprochen und erklärt, warum sie Mitglied im Gremium MC werden wollen.

Sie müssen überzeugt haben, denn ab September 2006 waren die Ansbacher sogenannte Hangarounds, das ist die Vorstufe zum Prospect-Status. Am 7. Januar 2007 haben sie diesen erreicht. Alle Prospects müssen die 7-er-Rats-Chapter innerhalb ihrer Probezeit anfahren, jedes einzelne Clubmitglied sich persönlich vorstellen. Der 7-er Rat besteht aus den ersten sieben Chaptern beim Gremium MC. Die Zahl sieben ist nicht willkürlich gewählt: das G ist der siebte Buchstabe im ABC, nach sieben Jahren darf sich ein Mitglied das Club-Wappen tätowieren lassen. Es zeigt eine Faust, die durch die Wolken stößt. Das symbolisiert grenzenlose Freiheit. Bis sich die Ansbacher das Zeichen in die Haut ritzen dürfen, ist es noch ein weiter Weg.

"Ein Leben als Rocker ist nicht nur zeitintensiv, sondern auch teuer"

Freitags fahren die Ansbacher Prospects geschlossen nach Bamberg. An diesem Abend ist Clubabend und die Anwärter haben vollständig anwesend zu sein. Die Wochenenden verbringen die beiden Chapter häufig zusammen auf Partys anderer Gremium Chapter in ganz Europa. "Ein Leben als Rocker ist nicht nur zeitintensiv, sondern auch teuer", gibt Kessel zu bedenken. Deshalb hat Ritz vor seiner Entscheidung für das Rockerdasein mit seiner Familie und seinem Arbeitgeber gesprochen. "Wenn die nicht mitziehen, funktioniert das nicht", weiß er. Seiner Frau und den drei Kindern hat er gesagt, dass er künftig sehr viel unterwegs ist und kaum ein Wochenende im Jahr zu Hause verbringen wird. Auch mit seinem Chef gibt es in Sachen Urlaub keine Probleme. Ritz hat das geklärt und kann das Clubleben pflegen. Die Probezeit will er nutzen, damit ihn seine Brüder - so bezeichnen sich die harten Jungs untereinander - kennen lernen und er sie.

Mindestens ein Jahr dauert die Probezeit. Nach oben ist sie offen. Den Zeitpunkt, wann aus dem Anwärter- ein vollwertiges Chapter wird, werden die Ansbacher früh genug erfahren. "Das bleibt solange ein Geheimnis, bis wir eines Abends im Clubhaus der Ansbacher einlaufen", sagt Kessel. Dann werden die Jungs schnell verstehen, dass ihr großer Tag gekommen ist“, kündigt der Bamberg Präsident an. Bislang ist er zufrieden. Wäre es anders, gäbe es das Prospect-Chapter nicht mehr, denn auf die lange Bank wird bei Rockern nichts geschoben. Am vergangenen Wochenende war es auch schon soweit: die Ansbacher Rocker haben den Vollmember-Status erhalten