Scheibes Kolumne Schlecht geklaut

Das Kamerasystem Eye Toy für die Playstation 2 setzt endlich einmal wieder eine neue und frische Idee für den digitalen Spielemarkt um. Zu dumm, dass es das geniale Spiel nicht auch für die Windows-Welt gibt. Oder doch? Stern.de-Kolumnist Scheibe hat sich eine freche Kopie des Originals besorgt und "move2play" installiert. Das hätte er wohl besser gelassen.

Die Kinder sind begeistert: "Papa. Das wollen wir auch haben". Im Fernsehen ist wie schon so oft in den letzten Wochen das Programm "Eye Toy" zu sehen. Das lässt sich auf der PlayStation 2 von Sony installieren und kommt im Verbund mit einer kleinen Digicam daher, die einfach mitten auf dem Fernseher platziert wird. Der besondere Clou: Die Kamera filmt die Person vor dem Fernseher und baut dieses Bild in Echtzeit in das Spiel ein. Anstatt immer nur passiv mit der Maus zu klicken, wird man dank Eye Toy zum Hampelmännchen. Da muss man mit den Handflächen Fenster putzen, sich beim Karate messen oder andere kleine Aufgaben bewältigen. Wenn die verschiedenen Eye-Toy-Spielchen im Fernsehen gezeigt werden, sieht das immer sehr lustig aus.

Die Konkurrenz schläft nicht

Leider haben wir keine Playstation 2. Und das Kombipaket aus Playstation 2 mit Eye-Toy-Paket kostet bei Amazon knapp 200 Euro. Selbst bei eBay ist es nicht wesentlich preiswerter zu haben. Also muss ich die Kinder leider enttäuschen. Das Herumzappeln vor dem Fernseher steht bei uns leider nicht auf dem Plan. Das gibt lange Gesichter. Zum Glück halten sie nicht lange vor, denn ich erhalte eine E-Mail von Koch Media. Die Firma aus Planegg bietet eine Windows-Variante der Eye-Toy-Idee an. Ihr "move2play" kostet inklusive einer beiliegenden Webcam nur knapp 40 Euro. Ich lasse mir sofort ein Testmuster zuschicken, das auch kurz darauf bereits bei uns eintrudelt. In der sehr cool gestalteten Verpackung stecken eine kleine Webcam von Terratec, die Produkt-CD und ein kleines Handbuch. Die Kinder sind ganz aus dem Häuschen, aber ich bitte sie, mir noch etwas Vorsprung zu lassen. Ich möchte das Produkt erst einmal in aller Ruhe installieren und testen, bevor ich die Kinder zu einer Vorführung bitte.

Wer ist der Kopierer?

Ich installiere die Treiber für die Webcam von der CD, schließe die Kamera über den USB-Port an und übernehme die Spiele-Software auf die Festplatte. Die CD muss beim Spielen im Laufwerk verbleiben und außerdem mit einem elend langen Kode freigeschaltet werden. Aber das kennt man ja bereits. Angst vor Raubkopierern. Angst davor, das grobe Konzept von Eye Toy zu übernehmen, hatten die Jungs bei Koch jedenfalls nicht. Aber dagegen hilft wahrscheinlich auch der ausgeklügelste Kopierschutz nichts. Das sieht man ja bereits im Fernsehen. Was Erfolg hat, wird von allen Konkurrenten so gnadenlos kopiert, bis weder das Original noch die Fälschungen dazu in der Lage sind, die satt gesehenen Zuschauer weiter anzulocken.

Wie alt ist das denn?

Die Hardware ist installiert, das Spiel einsatzbereit. Ich starte die Software. Zunächst bekomme ich einen Schirm präsentiert, in dem ich die Terratec-Kamera markieren und eines der fünf beiliegenden Spiele selektieren muss. Anschließend wechselt das Spiel mit einem lauten KaKlick in den Windows-Modus 640 x 480. Ja, gibt es den denn überhaupt noch? Da ist ja kaum noch etwas auf dem Schirm zu sehen. Wozu habe ich denn einen 22-Zoll-Monitor, wenn ich jetzt wieder in eine solch antike Umgebung aus uralten Windows-3.1-Zeiten zurückwechseln muss? Der nächste Schock folgt auf dem Fuße: Ich soll die Empfindlichkeit der Kamera einstellen. Schließlich soll das Programm später nicht jedes Wimpernzucken als Bewegung interpretieren. Mit den Richtungstasten kann ich den Empfindlichkeitsbalken justieren. Leider gibt es nur drei Einstellungen: Null empfindlich, lala empfindlich und total empfindlich. Ich muss mich also für die mittlere Einstellung entscheiden; eine andere Wahl habe ich nicht.

Überempflindlich

Ich starte den Probelauf mit dem "Dschungelkönig". Dabei soll ich tropische Früchte einsammeln, dabei aber allen wilden Tieren aus dem Weg gehen. Das Spielfeld wird an den Rändern noch einmal durch eingeblendete Pflanzen verkleinert, sodass ich mich selbst nur im kreisförmigen Inneren des Spielbildschirms sehen kann. Viel Platz bleibt da nicht. Ich muss also aus dem Schreibtischstuhl aufstehen und möglichst weit im Büro nach hinten gehen, damit ich auf dem Bildschirm nicht zu groß erscheine. Wild fuchtele ich nun mit den Armen, um die Früchte einzusammeln. Dummerweise erwische ich immer auch die Dschungeltiere, was mir Minuspunkte einbringt. Die Kamera ist nämlich immer noch viel zu empfindlich. Ein Ruckeln mit dem Kopf, ein Wackeln mit den Ohren - umgehend meldet das Programm Bewegungen, wo gar keine sind. Sogar, wenn ich aus dem Bild herausgehe, kassiere ich neue Minuspunkte.

Die übrigen Spiele sind ähnlich einfach gestrickt. Bei "Schnapp es dir" müssen herabfallende Lebensmittel aus der Luft gegriffen werden, während alle übrigen Gegenstände zu ignorieren sind. Ich persönlich finde "Chicken Hunt" am besten, das an eine gepflegte Moorhuhnjagd erinnert. Den "Tapferen Matrosen" verstehe ich nicht so richtig. Hier müssen Lecks in einem U-Boot mit der Hand abgedichtet werden. Manchmal klappt das, manchmal nicht. Meine Frau versucht, beim "Music Star" Lieder aus Noten nachzuspielen, die mit der Hand berührt werden. Leider verschwindet der Bildschirm immer wieder, sodass sie nach ein paar Minuten entnervt aufgibt.

Auch die Kinder sind nicht überzeugt

Die Kinder sind jetzt auch einmal an der Reihe. Alisa (4) rafft noch nicht, dass sie die Hände in die Luft strecken muss. Immer wieder versucht sie, die einzusammelnden Gegenstände direkt auf dem Bildschirm zu berühren. Linus (6) hat das Prinzip schon verstanden, gibt aber bereits nach drei Runden entnervt auf. Er findet es ganz doof, dass sein wackelnder Kopf ständig für Minuspunkte sorgt. Außerdem findet er die Grafik hässlich.

Und er hat Recht. Die Optik von "move2play" kommt leider nicht dem schicken Outfit der Verpackung nahe und erinnert an allererste VGA-Spiele für den 286er - vor zehn Jahren. Auch die Webcam arbeitet höchst bescheiden und zaubert sehr dunkle, pixelige und vor allem verwaschene Bilder in das Spielfeld. In dieser antiquierten Umgebung macht es keinen besonders großen Spaß, sich zu betätigen. Die Kinder und meine Frau haben bereits das Interesse an dem Spiel verloren, das sich für uns als reine Mogelpackung präsentiert. Da nützen auch die fünf Zusatzspiele nichts, die ich kostenfrei aus dem Internet herunterladen kann. Wenn sie eine ähnliche Qualität umsetzen, lasse ich es lieber. "Move2play" fliegt in die Ecke. Einen Verriss spare ich mir. Ich denke, diese Kolumne kommt einer solchen Abhandlung bereits recht nahe.

<a class="link--external" href="mailto:scheibe@typemania.de">Carsten Scheibe</a>

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