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Kindermordbilder im Internet Fall Marcel H.: Warum man Seiten wie 4Chan nicht so leicht verbieten kann

Die Webseite 4Chan
Die Webseite 4Chan ist in viele Kategorien unterteilt. Die beliebteste Unterseite ist das sogenannten Random-Board, auf dem allerlei verschiedene Themen diskutiert werden.
© Screenshot 4Chan
Nach dem Kindsmord von Herne tauchten grausige Bilder davon im Netz auf. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die dubiose Webseite 4Chan. Manch einer fragt sich, warum man solche Seiten nicht einfach verbietet. Zwei Experten antworten.

Marcel H. aus Herne hat mit ziemlicher Sicherheit seinen neunjährigen Nachbarn getötet. Der 19-Jährige prahlte vor einem Bekannten via Whatsapp mit der Tat, schickte Bilder, auf denen er grinsend mit seinem blutüberströmten Opfer posiert. Die Unterhaltung samt der grausigen Bilder wurde - vermutlich von seinem Chat-Partner - auf der Forum-Webseite 4Chan veröffentlicht. Darunter jubelten Nutzer unter dem Deckmantel der Anonymität dem Kindermörder zu, gaben ihm Tipps, wie er am besten der Polizei entkommt und riefen ihn zu weiteren Morden auf.

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf 4Chan, die dunkle Seite des Internets. Immer wieder werden dort grauenvolle Bilder geteilt, es wird zu Straftaten aufgerufen oder illegal erworbenes Material gepostet. Spontan drängt sich die Frage auf, warum so eine Webseite überhaupt im Netz bestehen darf. Können deutsche Behörden 4Chan verbieten? 

Webseitenbetreiber oft unklar

"Es ist für die Strafverfolgungsbehörden weiterhin sehr schwierig eine solche Seite zu verbieten", sagt Klaus Lodigkeit, Fachanwalt für IT-Recht aus Hamburg. Das liegt laut Lodigkeit unter anderem daran, dass viele Webseitenbetreiber verschleiern können, wer tatsächlich hinter einer Webseite steckt. Anders als bei der Endung ".de", reiche es für Registrierungen bei vielen anderen Endungen aus, eine Agentur als Inhaber einzutragen. "Bei einer .to-Domain oder auch bei einer .com-Domain wird es schwierig", sagt Lodigkeit. Im Fall von 4Chan.org war jahrelang nicht klar, wer hinter dem 2003 gegründeten Portal steht, ehe das "Wall Street Journal" 2008 aufdeckte, dass diese von dem US-Amerikaner Christopher Poole, Jahrgang 1988, ins Leben gerufen worden war. 

Ein weiteres Problem laut Lodigkeit ist, dass es "Beleidigungen und Persönlichkeitsrechtsverletzungen wie die Opferbildverbreitung im Fall Herne" sogenannte Antragsdelikte seien. Die Behörden können also erst aktiv werden, wenn bei ihnen eine Anzeige eingeht. Aber auch bei schwereren Vergehen sind sie auf die Zusammenarbeit mit dem Land angewiesen, in dem der Server steht. Um gegen eine Webseite aus einem anderen Land vorzugehen, bedarf es eines zwischenstaatlichen Abkommens. "Eine Rechtsdurchsetzung gestaltet sich in der Praxis nicht einfach, ist vor allem in der Regel langwierig", sagt Hajo Rauschhofer, Fachanwalt für IT-Recht aus Wiesbaden. Außerdem: "Rechtlich lässt sich eine Webseite nur dann verbieten, wenn am Standort des Servers das Verhalten auch rechtswidrig ist", so Rauschhofer. 4Chan wurde in den USA gegründet. Dort sind die Grenzen der Meinungsfreiheit deutlich größer als etwa in Deutschland.

Hohe Hürden für Portalschließung

Hajo Rauschhofer ist Rechtsanwalt und Fachanwalt  für Informationstechnologierecht
Hajo Rauschhofer ist Rechtsanwalt und Fachanwalt  für IT-Recht (www.rechtsanwalt.de)
© Rauschhofer Rechtsanwälte

Die Sperrung eines ganzen Portals ist ohnehin schwierig, denn laut Rauschhofer sind Portalbetreiber, die eine Plattform nur bereitstellen, erst dann für die von Nutzern eingestellten rechtswidrige Inhalte verantwortlich, wenn sie darauf hingewiesen werden. Selbst auf 4Chan wird moderiert und gelöscht, wenn gewisse Grenzen überschritten werden, vor allem bei Kinderpornografie oder im Fall der illegal gewonnenen Nacktfotos von Prominenten, die dort verbreitet wurden.

Eine andere Methode, die in einigen Fällen in Deutschland bereits mehrfach versucht wurde, ist die Sperrung einer zu beanstandenden Webseite durch gewisse deutsche Internetbetreiber. Diese scheiterten in der Regel jedoch vor Gericht und waren ohnehin mit einfachsten Mitteln zu umgehen. Manche Seiten werden auch von Google aus den Suchergebnissen herausgefiltert. Dies ist bei 4Chan nicht der Fall.

Die Sache mit dem Internet

Um eine Webseite also generell zu verbieten, gibt es viele rechtliche Hürden, insbesondere im Bereich von international agierenden Portalen. Und selbst bei einem Verbot kann eine Webseite samt Community auch einfach auf eine neue Adresse umziehen. Bestes Beispiel dafür ist Kino.to, das seit Abschaltung der in Deutschland gelagerten Server nun als Kinox.to aus dem Ausland betrieben wird. Experte Rauschhofer fasst zusammen: "Letztlich ist es immer das Prinzip von 'Hase und Igel' und eine Frage der technischen Finesse sowie des Aufwands. Wenn eine CIA es nicht schafft, WikiLeaks abzuschalten, verdeutlicht dies, wie schwierig ein solches Unterfangen sein kann."

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