Sie wurden geliebt und gehasst: Im letzten Sommer waren die E-Roller von Lime, Bird und Tier aus den deutschen Innenstädten nicht wegzudenken, zur Freude der vor allem jüngeren Fahrer und zum Leidwesen der vielen Roller-Hasser. Nach dem Überwintern hatten die Unternehmen eigentlich vor, das Geschäft im Frühjahr wieder aufzunehmen. Doch die Corona-Krise trifft sie nun hart.
Noch diese Woche werde Lime, einer der größten Anbieter, fast 190 seiner knapp 600 Mitarbeiter in Europa und den USA entlassen, meldete "Bloomberg" gestern unter Berufung auf Insider. Demnach wolle der Konzern bis Freitag 130 Mitarbeiter in den USA und etwa 60 in Europa entlassen. "Axios" bestätigte den Bericht mit eigenen Quellen, denen zufolge die Kündigungen aber etwas geringer ausfallen sollen. Konkurrent Bird hatte schon Anfang des Monats Schlagzeilen gemacht, als man 400 Personen per Massen-Videoanruf auf die Straße setzte. Das soll nach Schätzungen etwa 30 Prozent der Mitarbeiter entsprechen.
Langsam geht das Geld aus
Beiden Unternehmen wird vor allem der Corona-Lockdown zum Verhängnis. Nachdem die Bewertung der Dienstleister in der Anfangszeit geradezu explodierte - Bird ist mit einer Milliarden-Dollar-Bewertung nach nur einem Jahr das am schnellsten im Wert gestiegene Start-up der Geschichte -, bricht sie nun ein. Den Firmen, die nach den mageren Wintermonaten nun endlich wieder Geschäfte machen müssten, geht langsam, aber sicher das Geld aus.
Nachdem Lime auf der Suche noch Investoren im letzten Jahr noch mit 2,4 Milliarden Dollar bewertet wurde, soll der Konzern aktuell mit nur noch 400 Millionen Dollar Bewertung hausieren gehen. Dabei bräuchte er eine Geldspritze aus Investorenkapital so dringend wie nie: Von 765 Millionen eingesammelten Dollar Kapital sollen laut "The Information" schon Ende März nur noch 40 bis 70 Millionen Dollar geblieben sein. Schon im Januar hatte Lime etwa 100 Mitarbeiter vor die Tür gesetzt.
Zuhause braucht man keine Roller
Das ohnehin schon sehr saisonale Geschäftsmodell der beiden Konzerne wird durch die drastischen Veränderungen der Corona-Maßnahmen vor weitere Probleme gestellt. Der starke Trend zum Homeoffice kostet die Unternehmen die Pendler als Kunden, die Beschränkungen bei Tourismus und Nachtleben dürften sogar noch schwerer ins Gewicht fallen. Und wenn die Menschen in der Freizeit draußen unterwegs sind, wollen sie sich aktuell meist auch bewegen - und lassen die Roller lieber stehen.
Wenn sie denn überhaupt welche finden. Bird hat den Betrieb in Deutschland bereits zu Anfang der Krise ruhen lassen, auch Lime begann nach einer mehrwöchigen Corona-Pause erst vor einer Woche wieder damit, in den beiden Metropolen Köln und Berlin einen testweisen Betrieb aufzunehmen. Der einzige überall im Land aktive Anbieter ist Tier. Der große Vorteil des Unternehmens: Seine Mitarbeiter sitzen größtenteils in Deutschland - und können Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen. 60 Prozent der Tier-Angestellten sollen die staatliche Maßnahme gegen Kündigungen aktuell in Anspruch nehmen, berichtete das "Handelsblatt".
Wie lange die Unternehmen unter diesen Umständen noch durchhalten, hängt sicher auch von der Dauer der Corona-Maßnahmen ab. Während die US-Regierung schon signalisierte, bald mit Lockerungen zu rechnen, dürften die Maßnahmen hierzulande noch eine Weile anhalten. David Zipper, ein amerikanischer Stadtplaner, sehe nur eine Variante zum Überleben der Unternehmen, erklärte er dem "Handelsblatt". Sie müssten sich mit den Städten zusammentun, um den mobilen Wandel zu unterstützen - und sich als Teil des öffentlichen Nahverkehrs bezuschussen lassen. Ganz los sind die Roller-Hasser das Thema also noch nicht.
Quelle: Bloomberg, Axios, Handelsblatt, Forbes, Techcrunch