Eine freie Währung, die sich nicht dem Willen einer Firma, einer Bank oder einer Finanzbehörde unterwerfen muss - das sollte Bitcoin anfangs sein. Auch viele andere Kryptowährungen folgen seitdem diesem Ideal. Und doch kann ein einzelner Mann die Währungen wie Bitcoin immer wieder in den Himmel schießen oder brutal abstürzen lassen: Tesla-Chef Elon Musk.
Der Tech-Tycoon bewegte schon häufiger den ganzen Kryptomarkt mit nur einem Tweet. In den letzten Tagen war das gleich mehrfach der Fall. Zuerst verkündete Musk, dass sein Autokonzern Tesla die Option, die Wagen mit Bitcoin zu bezahlen, vorerst einstellen würde. Als Tesla diese Möglichkeit im Frühjahr angekündigt hatte, war der Bitcoin-Kurs quasi explodiert. Diesmal trat der gegenteilige Effekt ein: Innerhalb kürzester Zeit brach die bekannteste Kryptowährung um 20 Prozent ein, riss den gesamten Markt mit sich nach unten. Innerhalb von Minuten hatten sich knapp 300 Milliarden Dollar mit einem Schlag in Luft aufgelöst.
Ups und Downs
Dann wiederholte der Krypto-Magier Musk seinen Trick: Er arbeite eng mit den Entwicklern von Dogecoin zusammen, verriet er am Freitag - und trieb die eigentlich als Scherz gemeinte Währung zum wiederholten Mal nach oben. Es war die Rettung aus einem Tal, das kurz zuvor von Musk selbst geschaffen worden war: Er hatte die Währung bei einem Gastauftritt in der Comedy-Show "Saturday Night Live" als "aufreibend" beschrieben. Und damit einen Crash verursacht.
Warum ausgerechnet Musk so viel Macht über den Markt hat, lässt sich nicht eindeutig sagen. Er gilt vielen Tech-Enthusiasten als begeisterungsfähiger und hochintelligenter Visionär, gleichzeitig aber auch als sehr exzentrisch. Hinzu kommt, dass auf dem Kryptomarkt ähnlich wie an der Börse die Erwartungen der Investoren eine große Rolle spielen: Spekulieren viele Beobachter, dass der Markt steigen wird - etwa weil Musk etwas Positives über eine Währung postete -, dann kaufen sie ein, um die durch die Steigerung entstehenden Gewinne mitzunehmen. Und tragen so selbst dazu bei, dass die Preise nach oben gehen. Ist der Markt dagegen in Panik, wollen alle verkaufen und die Preise fallen immer tiefer. "Es ist ziemlich gruselig und sehr irrational", kommentierte die Expertin Jill Carlson Musks Einfluss gegenüber "Wired".
Plötzliches grünes Gewissen
Musks Begründung für das vorläufige Ende von Teslas Bitcoin-Programm entschärft diese Einschätzung kaum. Bitcoins verbrauchten schlicht zu viel Energie, verkündete er. Das ist allerdings nichts Neues: Schon seit Jahren wird die massive Energie-Verschwendung bei Bitcoin-Überweisungen angeprangert, als Tesla im März einstieg, war erst kurz zuvor berechnet worden, dass Bitcoin mehr Energie verbraucht als ganz Argentinien. Musks Umschwung kam also weitgehend ohne konkreten Anlass. "Das einzige, was noch volatiler ist als Bitcoin, ist Musks Meinung zu Kryptowährungen", ist sich Scott Chipolina vom Krypto-Blog "Decrypt" sicher. "Musk könnte damit sein Image als einer der größten Krypto-Befürworter fatal beschädigt haben."
Das war allerdings vor Musks Bekenntnis, dass er mit dem Team von Dogecoin zusammenarbeite, um die Währung zur energiesparenden Alternative zu Bitcoin aufbauen zu wollen. Gegenüber "Wired" zeigte sich das Team angesichts der Ankündigung überrascht. Tatsächlich habe man seit 2019 "eine Menge Ratschläge und Input" durch Musk erhalten, bestätige zwar Ross Nicoll, einer der vier aktiven Dogecoin-Entwickler gegenüber "Decrypt". Die Zusammenarbeit sei fruchtbar, der Milliardär habe sogar angeboten, die Teilzeit-Entwickler und ihre Arbeit zu finanzieren. Sie hätten das Angebot jedoch abgelehnt.
Scherzwährung als Hoffnungs-Träger
Dass Musk immer wieder den Markt hochjubeln kann, finden auch das Dogecoin-Team eher hinderlich. "Das ist nichts Tolles, das ist sicher", sagte Nicolls Mit-Entwickler Michi Lumin gegenüber "Wired". "Ich fühle mich nicht wohl dabei, dass eine einzelne Person oder Instanz den Markt in einer solchen Form manipulieren kann." Auch wenn man mit Musk tatsächlich über eine höhere Effizienz der Dogecoin gesprochen habe, würden ihnen Musks Tweets zu dem Thema eher Stress bereiten als helfen. "Wir sind nicht Eloncoin", so Lumin.
Musks Fixierung auf Dogecoin verwundert viele Beobachter. Zwar verbraucht die Kryptwomünze tatsächlich weniger Ressourcen als Bitcoin, es gibt aber noch erheblich sparsamere Konkurrenten. Musks Begeisterung könnte auch einfach mit seiner geradezu legendären Bereitschaft zu tun haben, andere im Internet zu "trollen". Als die mittlerweile ausgestiegenen Gründer die Münze 2013 auf den Markt brachten, war sie als Parodie gedacht. Der "Doge", ein etwas spöttisch schauendes Exemplar der japanischen Hunderasse Shiba Inu, war damals als Internetmeme viral gegangen und wurde gerne genutzt, um Banalitäten mit viel "Wow" zu veralbern.
Musk, der Troll
Diese Art von fiesem Sarkasmus passt perfekt zu Musk. Immer wieder gestand er, dass er bestimmte Tweets nur absetzte, um andere zu foppen, und riskierte sogar Ärger mit der Börsenaufsicht, als er öffentlich den Aktienkurs Teslas als zu hoch bezeichnete. Selbst Dogecoin ist dem Unternehmer nicht heilig. Sollten seine Pläne sich mit der Währung nicht umsetzen lassen, würde er eben eine eigene von Grund auf bauen, kündigte er am Samstag an. Das sei aber "eine sehr nervige Angelegenheit", daher wolle er es vermeiden.
Bis sich Musk entscheidet, sollte sich der Markt aber wohl einen Rat des Tesla-Bosses selbst zu Herzen nehmen. "Nehmt meine Tweets nicht zu ernst", schrieb er bereits 2018. "Ganz ehrlich: Es bedeutet ein 'Zwitschern'''. Aber manche Vögel zwitschern eben lauter als andere.