Es ist ein seit Jahren brodelnder Konflikt. Auf der einen Seite stehen die Streaming-Dienste, die ihren Zuhörer*innen unendlich Musik als Flatrate-Angebot anbieten. Und auf der anderen die Musikschaffenden, die sich zu gering entlohnt fühlen, aber kaum an den Diensten vorbei kommen. Nun ist Schlager-Urgestein Heino deshalb der Kragen geplatzt.
"Aktuell überlegen wir uns, unsere neuen Produktionen künftig für Streaming-Anbieter wie Spotify zu sperren", erklärte Heino (81) der "Bild". Er hatte sich wegen eines aktuellen Interviews mit Spotify-Chef Daniel Ek über die Streaming-Dienste geärgert. "Ich möchte meine hochwertig produzierten Alben wirklich nicht bei Herrn Ek verramschen und dafür nur ein paar Cent bekommen."
Ist es Faulheit?
Auf die Palme brachte Heino eine Aussage, die Ek gegenüber dem schwedischen Magazin "Musically" getätigt hatte. "Manche Künstler, die früher erfolgreich waren, sind es in der heutigen Landschaft nicht mehr. Man kann nicht mehr alle drei, vier Jahre eine Platte herausbringen und dann denken, das sei genug", erklärte der Streaming-Boss. Eine Aussage, die Heino offensichtlich auf sich selbst bezog.
"Man merkt, dass dieser Herr Ek ein reiner Geschäftsmann ist und kein Künstler", regt sich der seit 60 Jahren aktive Sänger auf. "Ich habe in meinem Leben mehr als 55 Millionen Soloalben verkauft und lasse mir nicht vorwerfen, dass ich faul gewesen wäre oder es bin." Er wisse natürlich nicht, wie aktiv der erst 37 Jahre alte Ek mit 81 sei. "Aber ich plane, noch lange Alben zu veröffentlichen und arbeite an verschiedenen musikalischen Projekten gleichzeitig. Lange Pausen habe ich mir nie gegönnt."

"Gieriger kleiner Scheißer"
Die Aussage Eks hatte auch international Wellen geschlagen. Viele Künstler*innen verstanden sie wie Heino, sehen sie als Vorwurf der Faulheit. Da Spotify immer wieder in der Kritik steht, den Künstler*innen zu wenig auszuzahlen, verwundert es nicht, dass die wütend reagierten. Ek sei ein "gieriger Milliardär", schrieb Mike Mills von R.E.M.. Musikkollege, David Crosby nannte Ek einen "widerlich gierigen kleinen Scheißer". Produzentin Neko Chase sieht das Problem ebenfalls nicht bei sich. "Es ist sehr einfach: ER behält unsere Lizenzgebühren."
Eigentlich lässt sich Eks Aussage auch anders interpretieren. Er betont, dass sich vor allem die Musikschaffenden gut schlagen, die mit regelmäßigen Veröffentlichungen direkt den Draht zu den Fans halten. "Es geht darum, sich reinzuhängen, um das Storytelling zum Album und darum einen kontinuierlichen Kontakt zu den Fans zu halten." Ein positives Beispiel sei Taylor Swift und ihr neues Album "Folklore", das bei Spotify wie eine Bombe eingeschlagen hatte. Tatsächlich hatte eine Studie bereits gezeigt, dass Spotify nicht nur den Vertrieb und die Vermarktung der Musik verändert, sondern sogar die Art, wie die Lieder selbst aufgebaut sind.
4,30 für 1000 Streams
Dass Ek die Musiker*innen gegen sich aufbringt, dürfte auch damit zusammenhängen, dass eben nicht jeder mit den Abermillionen Streams des Superstars gesegnet ist. 0,0043 Cent zahlte Spotify letztes Jahr pro Stream, berichtete "Digital Music News" Anfang des Jahres. Für 1000 Streams kommen also gerade mal 4,30 Dollar auf das Konto, bei den meisten anderen Diensten ist die Rate ähnlich. Selbst mit Hunderttausenden Streams dürfte es so für viele Künstler*innen schwierig sein, die Miete zu bezahlen, wenn sie sich nur auf Streaming-Einnahmen verlassen. Da angesichts der Corona-Krise Touren als Haupteinnahmen wegfallen, könnte der Zeitpunkt für Eks Aussagen also kaum schlechter sein.
Heino jedenfalls will lieber auf die alten Vertriebswege setzen. "Da veröffentliche ich lieber weiter CDs, wie ich es immer gemacht habe", erklärt der Schlagergigant. "Wer Heino hören wollte, musste Heino kaufen. Das war unser Konzept, und der Erfolg gab uns recht. Dabei bleiben wir." Ob diese Option für Musiker*innen mit einem kleineren und eher Technik-affinen Publikum genauso gut funktioniert, steht auf einem anderen Blatt.
Quellen: Bild, Musically, Digital Music News, Twitter