Wenn der einzig wahre Kanzler nach seinem elefantenrundenwürdigen Auftritt wieder Bodenkontakt hat und weiterhin so selbstbewusst ist, sind sie bestimmt bald dran. Denn Kanzler, das wissen jetzt alle, kann eigentlich nur einer sein. Schröder, der bessere Kohl: bestimmt bald online.
Kohl sagte in den Abendstunden seiner Macht einmal, viele junge Leute würden ihn nur noch als "den Kanzler" kennen. Jetzt übernimmt Schröder also nicht nur dessen Stuhl, sondern auch dessen beeindruckendes Sitzfleisch. Da wird er bestimmt bald Kanzler.de haben wollen. So lange Schröder die Kanzler.de noch nicht hat, muss er mit der Bundeskanzler.de vorlieb nehmen. Tut er auch. Zur Erinnerung: Das ist die offizielle Adresse des Regierungschefs.
Dort steht am Montag nach der Wahl das folgende Ergebnis online (man beachte die Reihenfolge): "… SPD 34,3 Prozent, CDU/CSU 35,2 Prozent, die Grünen 8,1 Prozent, die FDP 9,8 Prozent und Die Linke 8,7 Prozent (Sonstige: 3,8 Prozent) der Stimmen." Das traut sich nicht einmal die SPD, sondern verweist über SPD.de auf Zahlen der dpa, die übrigens nach Größe sortieren.
Selbstredend proklamiert auch die CDU auf CDU.de den Wahlsieg - und kann gar einen erfahrenen Helfer aufbieten, den vereinlosen Exbundesligatrainer Peter Neururer.
Guido Augustin
Kolumnist für stern.de seit 1997 - und das A der H&A medien: Redaktion, Public Relations und Online-Konzepte.
Unter PDS.de werden derweil "integrierte Branchenlösungen für das Bauhaupt- und Baunebengewerbe" angeboten, während die neuen Linken unter www.sozialisten.de eine Kaskade an aktuellen Meldungen ablassen. Respekt. Die Hasenhaken zwischen alter und neuer Rechtschreibung ("dass", "bewußt") dürften dem eruptiven Zusammenwachsen von Ost und West geschuldet sein.
Bei den Freidemokraten dagegen geht es schlichter zu. Auf FDP.de klebt ein "Danke für Ihr Vertrauen"-Banner. Erst dahinter wird es konkret. Westerwelle habe sich als "Sieger des Tages" feiern lassen. Was nun, am Ende dieses Tages, mit der FDP geschieht - keine Aussage.
Betont weltmännisch gibt sich dagegen die möglicherweise einzige Ex-Regierungspartei der Wahl: Die Grünen. Auf Ihrer Startseite zeigen sie Frank Sinatra in der Rolle des Bundesaußenministers beim "I did it my way"-Absingen, den Jubelschrei kann man sich aus dem Text dazu lesen.
Manche werfen dem Kanzler Realitätsverlust oder Schlimmeres vor, andere fügen sich in die Oppositionsrolle, nur eine, eine hat noch gar nichts gemerkt: Angela Merkel ruft auf ihrer persönlichen Webseite auch am Tag nach der Wahl noch zur Wahl auf. Oder gilt das nur für Dresden? Wohl kaum, denn auch das umjubelte Team Zukunft feiert noch den Auftakt zum Schlussspurt. Oder den Anfang vom Ende?