Eine legendäre Geheimhaltung bei Produkten, perfekt orchestrierte Präsentationen, hochprofessionelle Interviews und öffentliche Statements: Wohl kein Unternehmen beherrscht es so gut, das eigene Image zu formen und zu pflegen, wie Apple es kann. Im Gerichtsprozess mit dem Fortnite-Entwickler Epic Games kommen nun aber jede Menge eigentlich intern gedachte Mails und Gespräche als Beweise zum Vorschein. Und nehmen dem Konzern erstmals die Kontrolle über den eigene Narrativ.
Die eigentlich nur für die interne Kommunikation gedachten Mails kommen ans Licht der Öffentlichkeit, weil Apple sich mit dem Fortnite-Entwickler Epic Games um die Frage streitet, ob der Konzern für jede Transaktion in einem der über das eigene Betriebssystem iOS gespielten Games mitkassieren darf. Dabei mussten sich beide Seiten weitgehend nackt machen. Für einen Konzern wie Apple, bei dem normalerweise jede Geste, jedes Wort sitzt, ist das aber besonders unangenehm.
Hartes Business
Wer nun auf eine totale Blamage, Unflätigkeiten oder sonstige peinliche Details hoffte, dürfte größtenteils enttäuscht werden. Gut, da ist die Mail, in der Steve Jobs in einer Diskussion das größte soziale Netzwerk und zunehmenden Konkurrenten als "Fecebook" (Fäkalienbuch) bezeichnet. Da Jobs sonst nicht für Schludrigkeit bekannt ist, dürfte es sich dabei nicht um einen Fehler handeln.
Die meisten der Mails sind aber sehr professionell. Dass Apple Geld verdienen will und dazu auch zu harten Verhandlungen bereit ist, dürfte niemanden wundern. Es ist schlicht Business. Ähnliche Mails dürften sich entsprechend auch aus den meisten anderen Konzernen finden lassen. In ihrer Offenheit erlauben sie aber trotzdem spannende und bei Apple ungewohnte Erkenntnisse über die sonst so geheimen Entscheidungs- und Denkmuster in dem Konzern.
Denn während Apple in der Öffentlichkeit stehts als geschlossen auftritt und die Manager auf der Bühne und in Interviews ausführlich die gemeinsame Firmenpolitik und Produktentscheidungen erklären und verteidigen, werden intern Meinungsverschiedenheiten deutlich offener ausgetragen. Auch in der Führungsriege.
Streit um iMessage
Der für Online-Dienste zustände Vorstand Eddy Cue wollte etwa 2013 unbedingt den eigenen Messenger iMessage auch für Android-Geräte herausbringen. Damals sah er es als Möglichkeit an, Google davon abzuhalten, eine weitere wichtige Domäne des Smartphones - den Messenger - an sich zu reißen. Damals war noch nicht Facebook König der Messenger, das ein Jahr später eingekaufte Whatsapp noch auf dem Markt.
Doch Software-Chef Craig Federighi hatte Einwände zu Cues Vorschlag. "Hat sich jemand Gedanken gemacht, wie man massenweise Android-Nutzer zum Wechsel zu iMessage (von Whatsapp) überreden könnte?", fragte er in einer Antwort. Seine These: Eine eigene, sehr gute App reiche nicht aus, um die Nutzer anzulocken. Dafür könnte iMessage auf Android einen ganz eigenen Nachteil bergen: "Ich fürchte, iMessage auf Android könnte es für iPhone-Familien leichter machen, ihren Kindern Android-Smartphones zu geben." Federighi setzte sich durch. Heute spielt Google im Messenger-Markt kaum eine Rolle - und iMessage gilt in den USA als einer der wichtigsten Gründe, beim iPhone zu bleiben.

Strafen für Netflix?
Doch auch zum Verhalten gegenüber anderen Unternehmen geben die Mails Einblicke. Als etwa der Streaming-Riese Netflix feststellte, dass über die iPhone-App abgeschlossene Abos nicht nur 30 Prozent Abgabe an Apple kosteten, sondern im Schnitt auch schneller gekündigt wurden, überlegte man, die Funktion komplett aus der App zu entfernen. Und beantragte bei Apple eine zweimonatige Testphase in einigen Märkten. Das gefiel dem Konzern gar nicht.
Einer der mit Netflix in Kontakt stehenden Manager fragte, ob man "Strafmaßnahmen" gegen den Streamingdienst veranlassen sollte. Man habe schon darauf hingewiesen, "dass die fehlenden Abos die Nutzererfahrung verschlechtern und die Möglichkeiten für Promotionen, wie eine Hervorhebung im App Store verschlechtern", heißt es in der Mail. Am Ende genehmigte man Netflix aber die Testphase. Und der Konzern entschied tatsächlich, die Abos komplett zu entfernen.
"Was zur Hölle ist das???"
Andere Mails sind vor allem deshalb interessant, weil sie so sehr mit dem Bild der beteiligten Personen in der Öffentlichkeit zusammenprallen. "Was zur Hölle ist das???" , schimpfte etwa der sonst sehr beherrschte App-Store-Chef Phil Schiller in einer Mail von 2012, die man alleine wegen der Ausrufezeichen-Dichte eher für einen Facebook-Post halten könnte. Der Grund für seinen Ärger: Ein Entwickler hatte das beliebte Spiel Temple Run kopiert und einfach kostenlos angeboten. "Wie kann diese freche Kopie zur Nummer 1 bei den kostenlose Apps werden", schäumte er weiter. "Prüft keiner diese Apps? Interessiert keinen der Store? Das ist doch irre!!!!!!!"
Auch Apple-Chef Tim Cook entlarvte sich in einer Mail. Cook ist bei Meetings stehts bestens auf das Gegenüber eingestellt, erinnert sich auch an Details vorhergegangener Treffen. Zumindest ein Teil davon scheint aber auch einfach gute Vorbereitung zu sein. "Ist das der Typ, der bei einer unserer Proben war?", fragte Cook in einer Mail im Sommer 2015. Eine besondere Ironie bekommt die Mail, wenn man weiß, um was es eigentlich geht. "Der Typ" war ausgerechnet Tim Sweeney, der Chef von Epic Games und Hauptverantwortlicher der Klage. Und bei der Probe zu Apples Hausmesse WWDC ausgerechnet die erste öffentliche Demo des Spiels geübt worden war, der Apple nun diese Offenheit verdankt - nämlich Fortnite.