"Wenn Sie anrufen, um eine Playstation 5 zu kaufen, können Sie jetzt auflegen" - diese Ansage hört jeder einzelne Kunde noch vor dem Service-Menü, der beim Support eines großen deutschen Versandhändler anruft. Die Ansage lässt ahnen, wie verzweifelt Videospieler an die im November erschienene Konsole zu kommen versuchen. Doch Sony ist mit seinen Lieferschwierigkeiten nicht alleine. Die ganze Technik-Branche ächzt unter einem so noch nicht gekannten Mangel an Bauteilen. Ein Ende ist nicht in Sicht.
Während man mit einem Prozessor meist immer noch einen Computer oder ein Smartphone verbindet, stecken die kleinen Chips längst in allen möglichen Alltagsgegenständen. Von der Temperatur-Regulierung im Auto bis zur Waschmaschine: Alles läuft auf Chips. Dass die jetzt knapp werden, hat weitreichende Konsequenzen, die weit über die knappen Spielekonsolen hinausgehen: Auto-Produktions-Straßen liegen teilweise still, die ersten geplanten Geräte werden gestrichen.
Zuerst kam der Boom
Dass es zu den Engpässen kommt, hat mehrere Gründe. Wegen der Coronakrise wechselten immer mehr Menschen ins Homeoffice und die Kinder wurden Zuhause beschult, was wiederum einen gigantischen Kaufboom bei Laptops, Druckern und Tablets zur Folge hatte. Auch die Fernseher-Käufe erreichten im dritten Quartal ein Rekordniveau. Wenn man schon auf Urlaub und Restaurant-Besuche verzichtet, soll Netflix schließlich gut aussehen, dachten sich offenbar viele Kunden.
Doch um die rasant gestiegene Nachfrage zu bedienen, mussten die Hersteller die Produktion nach oben schrauben. Und die entsprechenden Bauteile auf dem Markt einkaufen. Weil die vielen Konkurrenten das aber auch mussten, wurden die Teile schnell knapp.
Eine Maßnahme der Trump-Regierung verschärfte die Situation noch zusätzlich: Den chinesischen Riesen Huawei und ZTE wurde wegen Spionage-Befürchtungen verboten, Bauteile einzukaufen, die auf amerikanischen Patenten beruhen. Um der im September eingetretenen Sperre zuvorzukommen, kaufte vor allem Huawei in den Monaten vorher quasi den Markt leer, um die eigenen Lager zu füllen. Die Situation verschärfte sich auch noch durch weitere, kleinere Ausfälle, die wohl sonst weniger dramatisch gewesen wären: Im Oktober stand eine Chip-Fabrik in Japan in Flammen, der kürzliche Kälteausbruch in Texas und die daraus resultierenden Stromausfälle legten auch zwei Prozessor-Fabriken lahm. In der aktuellen Situation war das besonders schmerzlich.
Keine schnelle Lösung
Auch für die Zulieferer ist die Lage frustrierend. Würden sie einfach die Produktion hochfahren, um die gestiegene Nachfrage bedienen zu können, würden sie schließlich ein gigantisches Geschäft machen. Das Problem: Das geht nicht so einfach. Im sonst sehr schnellen Technik-Geschäft ist der Chip-Handel eine langsame Ausnahme. Bestellungen werden in der Regel mit sehr viel Vorlauf getätigt, vor allem wenn es um spezialisierte oder Highend-Bauteile geht.
Das liegt auch daran, dass die Produktion sich nicht so schnell erweitern lässt wie in anderen Industrien. Chip-Fabriken gehören zu den anspruchsvollsten Produktionsstädten. Die empfindliche Hardware braucht quasi sterile Bedingungen, jede Temperatur-Schwankung, jedes Staubkorn kann eine ganze Produktionsserie wertlos machen. Der Aufbau neuer Fabriken ist daher planungsintensiv und langwierig, oft dauert er mehrere Jahre. Da die aktuellen Fabriken auf Vollauslastung laufen, ist eine Entspannung des Marktes nicht in Sicht.
Autobranche als Leidträger
Besonders betroffen ist davon aktuell die Autoindustrie. Schon im Herbst klagten die ersten Hersteller, dass ihnen die Bauteile ausgehen und kein Nachschub zu bekommen ist. Im Frühjahr standen bei einzelnen Herstellern wie Ford deshalb erstmals Produktionsstraßen still. Die Autoindustrie ist auch deswegen so schwer betroffen, weil sie auf dem Chip-Markt einen etwas schwierigen Stand hat. Aus Sicherheitsgründen setzen die Autohersteller meist auf etwas ältere Chips, die sich als zuverlässig erwiesen haben. Schließlich will niemand ganze Produktionsserien wegen fehlerhafter Chips vom Markt nehmen müssen, wenn es zu Unfällen kommen sollte.
Weil die älteren Chips aber schlechtere Gewinnmargen bieten, ist es für die Produzenten angesichts der aktuellen Knappheit rentabler, die neueren Chip-Designs zu bauen - und die dann eben anderen Branchen zu verkaufen. "Am Ende geht es um Kapazitäten", erklärt der Experte Shaan DuBravac der "Washington Post". Ein schneller Wechsel auf die modernen Chips ist für die Autohersteller aber wegen der langwierigen Sicherheitstests kaum denkbar. Kein Wunder, dass die Thematik längst die Politik beschäftigt. Kaum im Amt, machte sich die Biden-Regierung für die Autobranche stark, rang Chip-Herstellern das Versprechen ab, die Branche bevorzugt zu beliefern.
Apple als Ausnahme
Die einzige Firma, die offenbar weitgehend ungeschoren durch die Krise zu kommen scheint, ist Apple. Das hat mehrere Gründe. Zum einen kauft der iPhone-Konzern schlicht gut ein, erklärt der Fertiger Foxconn. Apple kaufe mit langem Vorlauf gigantische Mengen an Teilen. Um den Konzern nicht als Kunden zu verlieren, würden viele der Zulieferer Apples Bestellungen deshalb priorisieren. Hinzu kommt, dass Apple die höchsten Gewinnmargen bei Tech-Produkten hat. Werden einzelne Komponenten durch Knappheit teurer, kommen Konzerne, die nur mit kleinen Margen rechnen, schnell an ihre Grenzen, sie würden Verlust machen. Da Apples Margen aber oft weit über 30 Prozent des Verkaufspreises liegen, hat der Konzern deutlich mehr Spielraum, trotz geringer Preiserhöhungen weiter Geld zu verdienen.
Hinzu kommt, dass sich Apple in den letzten Jahren immer unabhängiger von Zulieferern machte. Während die anderen Smartphone-Hersteller in der Regel ihren Hauptprozessor einkaufen, lässt Apple seine im iPhone und iPad verwendeten A-Chips als selbst entwickelte Sonderanfertigungen bauen, seit Herbst bietet der Konzern zudem die ersten Mac-Rechner mit dem selbst entwickelten M1-Prozessor an. Der Konzern ist also anders als seine Konkurrenten nicht von Produktionsengpässen der von den meisten Herstellern genutzten Qualcomm-Chips betroffen, musste Konkurrent Samsung am Dienstag zerknirscht zugeben.
Bei den Koreanern ist das anders. Obwohl Samsung immer noch der größte Smartphone-Hersteller der Welt und selbst einer der wichtigsten Zulieferer ist, seien starke Einbußen durch die Situation zu erwarten, warnte der Konzern. Und nannte ein überraschendes Beispiel: Zum ersten Mal seit zehn Jahren könnte die immer im Herbst vorgestellte Note-Serie ausfallen, warnte der Konzern. Dass Samsung bereits jetzt über ein erst frühestens für den August geplantes Gerät spricht, zeigt wie ernst die Lage ist.
Quellen: Washington Post, Bloomberg, AKM