Es war ein unerwarteter frischer Wind, der in letzten Jahren durch die Fernsehlandschaft wehte. Mit dem Aufkommen des TV-Streamings erlebte das Serienformat einen zweiten Frühling, brachte den Zuschauern Unmengen von neuen Perspektiven, Erzählformen und nischigen Experimenten. Doch diese Phase scheint im Rahmen des zunehmenden Konkurrenzkampfs zu Ende. "Die Blase ist geplatzt", fasste Serien-Erfinder Adi Hasak gerade die Lage zusammen.
In einem Panel im Rahmen der Berlinale hatte der aus den Niederlanden stammende Drehbuchator über die Situation der Serienproduktion in den USA diskutiert. Und eine düstere Bilanz gezogen. "Amerika ist gerade in einem kreativen Katastrophengebiet", diagnostizierte er. "Nichts, was sie versuchen, funktioniert."
Neuer Fokus bei Streaming-Diensten
Dass sich im Markt etwas verändert hat, ist bereits seit einer Weile zu beobachten. Übertrafen sich die Streaming-Anbieter und später auch die klassischen TV-Sender eine Weile mit immer kreativeren und auch gewagteren Serien-Ideen, hat diese Entwicklung längst abgenommen. Und auf den kreativen Rausch folgt mittlerweile die Katerstimmung.
Das hat vor allem einen Grund: Die Branche ist unter Druck. In den Boom-Jahren sorgte der Wettkampf unter wenigen Konkurrenten dafür, dass diese sich mit immer neuen Prestige-Projekten voneinander abzugrenzen versuchten, um die Kunden an sich zu binden. Eine Zeitlang gab es gar einen regelrechten Mangel an Serien-Entwicklern. Mit der zunehmenden Sättigung des Marktes und der immer weiter steigenden Zahl neuer Streaming-Angebote verschiebt sich der Fokus zunehmend. Um neue Kunden zu gewinnen, brauchen die Anbieter kein Nischenprogramm, sondern Blockbuster. Und das hat Folgen für das Programm.
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Weniger Raum für Experimente
"Sie machen dieselben sch*** Serien – immer wieder", schimpft Hasak etwa über Disney. Seitdem der Hollywood-Gigant auch im Streaming mitmischt, hat er sich in Rekordtempo zu einem der größten Anbieter entwickelt. Dazu setzt er aber nicht auf Nische, sondern vor allem auf die Hitmaschinen im eigenen Haus – etwa die Inhalte aus dem Marvel- oder Star-Wars-Universum. Hasak findet das wenig erfolgsversprechend. "Sie haben drei verschiedne Star-Wars-Serien in einem Monat herausgebracht. Es ergibt keinen Sinn."
Auch bei den anderen Streaming-Anbietern nimmt die Experimentierfreude ab. Stellte Netflix früher nur in Ausnahmefällen eine Serie vor der dritten Staffel ein, ist das mittlerweile immer häufiger der Fall. Selbst gehypte Serien sind vor dem Schicksal nicht mehr sicher. Obwohl "1899" zum Start jede Menge Aufmerksamkeit bekam, wurde die Mystery-Serie schon nach einer Staffel eingestampft. Offenbar war der Anteil der Zuschauer zu niedrig, die die Serie auch bis zu Ende geschaut hatten. Bei HBOs Prestige-Serie "Westworld" ist es anders herum: Die letzte Staffel wurde kurzerhand gestrichen. Die Serie endet nun mit einem Cliffhanger.
Lohnt es sich noch anzufangen?
Die Enttäuschung über die Absetzungen wirkt nun auch auf die Zuschauer. In den sozialen Medien findet sich immer häufiger die Ansicht, dass man Serien nur noch dann anfängt, wenn sie auch sicher ein Ende bekommen. "Ich wurde zu oft enttäuscht", fasst etwa ein Nutzer bei Reddit sein Gefühl zusammen. Für die Streaming-Anbieter ist das eine schlechte Nachricht. Ein gigantischer Hit wie "Squid Game" kann zwar für Aufmerksamkeit sorgen. Geben aber immer weniger Zuschauer neuen Inhalten eine Chance, sinkt auch die Wahrscheinlichkeit solcher Hits.
Die Streaming-Anbieter könnten deshalb bald in eine ähnliche Position kommen, wie wir sie bereits aus dem Kino kennen, fürchtet Hasak. Als Beispiel nennt er den Versuch der Disney-Tochter Fox, nun den 70er-Serienhit "Starsky und Hutch" neu aufzulegen. "Die Studios wollen das Gefühl haben, dass es eine Chance auf Erfolg gibt", erklärt er. "Das Problem ist: Die meisten Inhalte sind kein Bestseller."
Quellen: Deadline, Vice, Digiday, Techcrunch, Variety