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Messenger Whatsapp-Gründer über den Facebook-Deal: "Ich habe die Privatsphäre meiner Nutzer verkauft"

Brian Acton Whatsapp Facebook
Brian Acton gründete einst Whatsapp - jetzt geht er auf Facebook los
© Bloomberg / Getty Images
Facebooks Übernahme von Whatsapp gilt im Silicon Valley als einer der größten Deals des letzten Jahrzehnts - und machte die Gründer zu Milliardären. Jetzt hat einer von ihnen erstmals seine Sicht des Deals ausgepackt. Facebook reagiert pikiert.

Es war eine schier unglaubliche Summe: 22 Milliarden Dollar legte Facebook 2014 auf den Tisch, um den gerade so profitablen Messenger Whatsapp zu übernehmen. Und mit ihm zwei Gründer, die als Feinde von Werbung und Verfechter der Privatsphäre für das genaue Gegenteil von Mark Zuckerbergs Facebook standen. Wie sehr es deswegen knirschte, berichtet nun erstmals Whatsapp-Mitgründer Brian Acton aus erster Hand. Facebook ist alles andere als begeistert.

"Am Ende des Tages habe ich meine Firma verkauft", erklärte Brian Acton in seinem ersten, großen Gespräch seit seinem Weggang gegenüber "Forbes". Und fügt ungewohnt selbstkritisch hinzu: "Ich habe die Privatsphäre meiner Nutzer verkauft, um einen größeren Nutzen zu erzielen. Ich traf eine Wahl und musste Kompromisse schließen. Und ich muss jeden Tag damit leben."

Der Whatsapp-Deal und die Folgen

Der Kompromiss, das ist das Überbordwerfen von nahezu allem, wofür Whatsapp stand. Acton und sein Partner Jan Koum wollten den Messenger als Schutzraum für die Privatsphäre der Nutzer. Und: Sie wollten absolut keine Werbung. Facebook steht für das genaue Gegenteil. Der Konzern durchleuchtet das Leben seiner Nutzer wie kaum ein anderer, um ihnen dann genau auf sie zugeschnittene Werbung  zeigen zu können. Trotzdem kam am Ende ein Deal mit Mark Zuckerberg zu Stande. "Er kam mit einer großen Summe Geld zu uns und machte ein Angebot, das wir nicht ablehnen konnten", fasst Acton die Situation trocken zusammen.

Er und Koum versuchten so gut es ging, auch unter Facebooks Dach ihre Prinzipien zu bewahren. Ihre Verträge beinhalteten Klauseln, dass sie sofort mit vollem Aktienpaket aussteigen könnten, wenn Facebook Werbung in dem Messenger einbauen sollte. Zudem sagte ihnen Zuckerberg den Einbau einer Verschlüsselung zu. Und versprach, Whatsapp fünf Jahre lang nicht wegen Gewinnen unter Druck zu setzen. Doch dieses Versprechen hielt nicht lange.

Clash der Prinzipien

Schon bald war klar, dass Facebook durchaus andere Pläne für den Messenger hatte. Entgegen Aussagen Actons vor der Kartellkommission der EU, begann der Konzern bald, die Accounts der beiden Netzwerke zu verknüpfen. Acton war nach eigenen Angaben von Facebook informiert worden, dass solch eine Verknüpfung technisch sehr schwer war - und hatte das auch vor der EU ausgesagt. Entsprechend überrumpelt war er, als sie nur 18 Monate später doch kam. "Ich werde wütend, nur darüber nachzudenken", sagte er dem Magazin.

Auch bei der Werbung erhielten die Gründer immer mehr Druck. Sie wollten zunächst anders Geld verdienen: Ab einer bestimmten Zahl Nachrichten wäre dann ein Cent-Betrag fällig geworden. "Das baut man einmal ein, es funktioniert in allen Ländern. Ein einfaches Business-Modell", erklärt Acton seine Idee. Facebooks Business-Chefin Sherryl Sandberg sah das anders. "Das skaliert nicht", soll sie laut Acton geantwortet haben. "Ich widersprach ihr sofort", erinnert er sich. Es würde nur weniger Geld bringen als die Alternative: Werbung. Die Idee, für Nachrichten-Pakete bezahlen zu müssen, war trotzdem vom Tisch.

850 Millionen Dollar teure Prinzipien

Die Werbung nicht. Irgendwann schlug Mark Zuckerberg vor, Werbung in der Status-Funktion zu zeigen. Für Acton ein Verrat seiner Idee. Auch, dass im Management Versuche gestartet wurden, trotz der Verschlüsselung die Chats auszuwerten, stieß ihm sauer auf. Am Ende saß er mit Zuckerberg und einem Anwalt im Büro - und traf die schwere Entscheidung, Facebook zu verlassen. Der Preis war hoch: Durch den früheren Zeitpunkt verlor er ein Aktienpaket, das er eigentlich erhalten sollte - und damit 850 Millionen Dollar. Trotzdem zog er es durch. Ein Schritt, der trotz Actons geschätztem Vermögen von 3,6 Milliarden Dollar zeigt, wie wichtig ihm seine Prinzipien sind.

Wütend scheint Acton trotzdem nicht zu sein. Er versteht, dass Facebook einfach andere Ansichten hat als er. "Sie sind Geschäftsleute. Sie sind gute Geschäftsleute. Sie stehen nur für Geschäftspraktiken, Prinzipien und Moralvorstellungen, die ich nicht unbedingt teile." Wofür Acton steht, zeigt er nach seinem Abgang klar: Mit 50 Millionen Dollar aus eigener Tasche unterstützte er den Verschlüsselungs-Messenger Signal, auf dem Höhepunkt des Camebridge-Analytica-Skandals postete er bei Twitter: "Es ist Zeit. Löscht Facebook."

So reagiert Facebook

Facebooks Reaktion auf Actons Enthüllungen ließen nicht lange auf sich warten. Es sei ein "neuer Standard der Stillosigkeit", schrieb der ehemalige Leiter des Facebook-Messengers, David Marcus in einem Facebook-Post. Aus seiner Sicht habe Zuckerberg die Whatsapp-Gründer, ihr Team und ihre Ideen lange geschützt. So soll er sich persönlich für die Verschlüsselung eingesetzt und sie danach nie wieder hinterfragt haben. Zudem bemängelt er, dass Acton sich nie ausreichend für den Einsatz von Whatsapp als Tool für Unternehmen eingesetzt habe - schließlich sei mit der Variante, dass die Unternehmen für den Kontakt zahlen, sogar seine Vorstellung von bezahlten Nachrichten umsetzt worden.

Vor allem scheint ihm aber ein Punkt aufzustoßen: "Nennt mich altbacken. Aber ich finde es stillos, Leute anzugreifen, die einen zum Milliardär gemacht und jahrelang geschützt haben." Als offizielles Statement soll man das übrigens nicht sehen: Obwohl die Nachricht auf dem Facebook-Blog erschien, betonte Marcus, es handle sich um seine private Meinung.

Messenger: Whatsapp-Gründer über den Facebook-Deal: "Ich habe die Privatsphäre meiner Nutzer verkauft"

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