VG-Wort Pixel

iMessage, Whatsapp und Co. Der langsame Tod der SMS

Umsonst und überall: Mit Apples neuem Dienst iMessage wird die Bezahl-SMS wieder ein Stück mehr zu Grabe getragen. Doch auch andere Unternehmen kämpfen um den Kostenlos-Markt.
Von Christoph Fröhlich

Es sind nur 160 Zeichen und doch sorgen sie für klingelnde Kassen bei den Mobilfunkanbietern. Allein in Deutschland wurden im vergangenen Jahr 41 Milliarden SMS verschickt. Dabei kostet eine Kurznachricht bis zu 20 Cent. Vor allem Jugendliche sorgen für einen kontinuierlichen Geldfluss, wie eine Studie des Marktforschungsinstituts Nielsen zeigt: US-Teenager verschicken durchschnittlich mehr als 3000 SMS im Monat. Auch in Deutschland hat der SMS-Versand in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Doch das wird sich in den nächsten Jahren ändern.

Zu teuer, zu kurz und ohne Bilder

Mit der zunehmenden Verbreitung von Smartphones und mobilen Internet-Flatrates nutzen immer mehr Teenager Alternativen, um Freunden ihre Neuigkeiten mitzuteilen. Denn die klassische SMS ist viel zu teuer, zudem wirkt die Begrenzung auf 160 Zeichen heute ähnlich antiquiert wie der Kauf von Briefmarken. Wieso sollte man sich im Zeitalter von mobilem Internet und riesigen Datenspeichern auch noch kurz fassen? Dass Handys früher nur 10 SMS speichern konnten und man deshalb sparsam mit Worten war - daran erinnern sich nur noch Mami und Papi.

Ganz anders klingt es dagegen bei Apple: Wer das neue Betriebssystem iOS5 installiert, darf so viel schreiben, wie er möchte - das verspricht der neue Dienst iMessage. Damit können Besitzer eines iPhones, iPads oder iPod Touch über W-Lan oder mobiles Internet unbegrenzt Textnachrichten verschicken, sofern auch der Empfänger eines der genannten iGeräte hat. Das ist die einzige, wenn auch wichtigste Hürde an dem neuen System. Apples Kostenlos-Nachrichten können zudem auch Fotos, Videos, Ortskoordinaten oder Kontakte angehängt werden, auf Wunsch sogar alles gleichzeitig.

Mit diesen Features lässt die iMessage die herkömmliche SMS weit hinter sich. Auch die MMS hat nicht den Hauch einer Chance, bei Preisen von bis zu 50 Cent pro Stück konnte sich die Multimedia-Nachricht bis heute nie richtig durchsetzen. Doch die Idee hinter Apples Nachrichtendienst ist nicht neu: Der Blackberry-Hersteller RIM bietet mit dem Blackberry-Messenger seit Jahren ein ähnliches Produkt.

Auch Android-Nutzer können sich die Finger wund tippen

Nutzer des Google-Betriebssystems Android müssen momentan auf diverse Apps zurückgreifen, um ihr Mitteilungsbedürfnis zu befriedigen. Eine der beliebtesten Anwendungen ist der "Whatsapp Messenger": Die App erlaubt den kostenlosen Versand von Mitteilungen und Bildern über das eigene Betriebssystem hinaus. Unterstützt werden momentan iOS, Android, Blackberry und Nokias Symbian. Nach dem Erscheinen von iOS5 ist die App jetzt sogar für iPhone-Nutzer kostenlos zu haben, zuvor verlangte der Hersteller für die Anwendung 79 Cent.

Datenschützer kritisieren, dass die App auf das gesamte Adressbuch des Nutzers mitsamt Namen, Adressen und Telefonnummern von Bekannten zugreift. Da die Firma ihren Sitz in den USA hat, greifen deutsche Datenschutzbestimmungen nicht. Allerdings konnten Analysen des Whatsapp-Protokolls die Vorwürfe entschärfen: Um die Favoritenliste zu erstellen, wird nicht das gesamte Adressbuch übertragen. Nur die Telefonnummern werden genutzt, um zu prüfen, ob hinter den Kontakten ein Whatsapp-Account steckt. Allerdings bleibt unklar, ob die Telefonnummern verschlüsselt oder offen übertragen werden. Der zuvor befürchtete Daten-GAU ist das Programm jedoch nicht.

Hat die SMS noch eine Chance?

Craig Moffett, Analyst des Forschungsinstituts Sanford Bernstein, sieht die Mobilfunkanbieter im Zugzwang: "Apple untergräbt mit seinem neuen Service das Kerngeschäft einer ganzen Industrie, die viel Geld mit wenig Bandbreite verdient, wie beispielsweise das Verschicken einer SMS", sagt er gegenüber der New York Times. Nach Schätzungen des Mathematikers Srinivasan Keshav von der Universität Waterloo muss ein Mobilfunkanbieter gerade einmal einen viertel Euro-Cent pro SMS investieren. Der Anwender muss jedoch zwischen 10 und 20 Cent pro Nachricht bezahlen, was einer Steigerung von bis zu 7000 Prozent entspricht. Diese abnormal hohe Gewinnspanne ist allein für ein Drittel des Gewinns verantwortlich. Betrachtet man die Jahresberichte der Telekommunikationsunternehmen, scheint das Geschäft in den USA und in Deutschland noch zu funktionieren. Doch in anderen Ländern verzeichnen die Mobilfunkanbieter dank sozialer Netzwerke und Kurznachrichten-Apps bereits hohe Umsatzeinbußen, beispielsweise in den Niederlanden.

Apples iMessage wird den Handymarkt nicht sofort revolutionieren, dafür ist der Anteil an iPhone-Nutzern zu gering. Gerade einmal fünf Prozent des weltweiten Nachrichten-Traffics stammen laut Chetan Sharma, einem unabhängigen Mobilfunk-Analysten, von iPhones. Allerdings werden lediglich die verschickten Kurznachrichten gezählt, Dienste wie Whatsapp fallen nicht in die Statistik, da sie über den Internettraffic abgerechnet werden. "Sollte Apple iMessage offen gestalten und anderen Plattformen zur Verfügung stellen, würde Apples Einfluss erheblich steigen", so Sharma gegenüber der New York Times.

Kampf um Kostenlos-SMS

Doch nicht überall stößt Apples Vorgehen auf Gegenliebe. Samsung und Google, zwei der größten Konkurrenten im Smartphone-Segment, haben bereits eigene Dienste zum Verschicken von kostenlosen Nachrichten angekündigt. Und auch ein anderer Mitbewerber drängt auf den neuen Markt: Experten erwarten, dass Microsoft seine aufgekauften Dienste Skype und GroupMe, eine populäre Chat-Anwendung, in seine neuen Windows-Smartphones integrieren wird.

"Kostenlos ist immer ein unwiderstehliches Argument", meint Greg Woock, Chef des Nachrichtendiensts Pinger. Er weiß, wovon er redet: Seine Firma hat allein in den USA 19 Millionen Mitglieder, seit wenigen Monaten gibt es den Dienst auch in Deutschland. Seit dem Start des eigenen Nachrichtendiensts im Jahr 2009 hat das Unternehmen mehr als 15 Milliarden Textmitteilungen verschickt. Kostenlos, versteht sich.

Mehr zum Thema

Newsticker