In russischen Städten nahe der ukrainischen Grenze verirren sich derzeit vermutlich vermehrt Fahrzeuge. Der Grund: Nach einem Bericht von "Wired" hat Russland damit begonnen, das GPS-Signal zu stören. Denn offenbar richten die umgebauten Tupolew-Drohnen vom Typ Tu-141 in Russland große psychologische Schäden an – und diese setzen zur Navigation vor allem auf das GPS-Signal (hier erfahren Sie mehr). Seit rund einer Woche bemerken Experten wie der estnische Verteidigungsnachrichtendienst SensusQ sogenannte GPS-Störungsblasen, die sich über Tausende Quadratkilometer erstrecken sollen.
Auf der Webseite "GPSJam" lässt sich das auf einer Weltkarte nachvollziehen. Die Karte sammelt Informationen von Flugzeugen, die beim Überflug Störungen melden, sollte die Ortung via GPS misslingen. Das erklärt auch, weshalb derzeit für die Ukraine keine Daten vorliegen – über dem Land fliegen aktuell keine Passagiermaschinen.
Große Gebiete in West-Russland ohne GPS-Empfang
Besonders auffällig sind die Störungen demnach rund um Kaliningrad, Moskau, Krasnogorsk, Wolgograd, Smolensk, Sankt Petersburg und weite Gebiete von Pensa bis Samara. Auch an der Grenze zu Finnland, nahe Murmansk, kommt es zu Störungen. Ähnlich auffällige Störungen gibt es auf dem Globus sonst nur in Syrien, dem Libanon, Teilen der Türkei, dem Irak, Israel und Armenien. Die Signalunterbrechungen rund um das russische Machtzentrum in Moskau sind allerdings keineswegs neu – dort werden Ortungssysteme wohl aus Sicherheitsgründen seit Jahren blockiert. Relativ frisch sind hingegen die riesigen Zonen entlang der Grenzstädte.
Die Nähe der GPS-Störungen zur Ukraine lässt laut Experten den Schluss zu, dass sich Russland damit vor allem gegen Angriffe wehren will, die mittels GPS-gesteuerter Waffen erfolgen. In den vergangenen Wochen setzten die ukrainischen Streitkräfte vermehrt umgebaute Tupolew-Drohnen ein, die mit modernen Ortungssystemen und punktuell wirksamer Sprengladung auf russische Ziele angesetzt worden waren.
Da Russland es versäumt hatte, strategische Ziele ausreichend zu schützen und große Bomber teils achtlos auf dem Rollfeld rumstanden, hätten die unbemannten Flugobjekte beinahe für große Schäden gesorgt und Überschallbomber vom Typ Tupolew Tu-22M zerstört. Russland kam aber nochmal mit einem blauen Auge davon und verstärkte im Anschluss offenbar die Abwehrvorkehrungen.
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Prinzipiell gibt es mehrere Methoden, die Ortung zu stören. Beim sogenannten "Jamming" sendet man Signale, die den Empfang zeitweise oder vollständig unterbinden. Macht man sich hingegen eine Technik namens "GPS-Spoofing" zunutze, lassen sich manipulierte Signale senden, die gänzlich andere Positionen vorgeben, als die Satelliten. Eine effektive Abwehr gegen starke Störsender ist aufgrund der recht schwachen Signalstärke von GPS sehr schwierig. Es ist möglich, spezielle Richtantennen zu nutzen, die Eingriffe von Störern am Boden erschweren. Ein weiterer Weg führt über den Einsatz alternativer Navigationssysteme, beispielsweise die Trägheitsnavigation (INS). Diese arbeitet unabhängig von Ortungssignalen aus der Umgebung, wird also durch Störsender nicht beeinflusst.
Russland hat die Ukraine unterschätzt
Wenn eine Drohne wie die umgebauten Tupolews das GPS-Signal verliert, kann sie zur Gefahr für unbeteiligte Personen werden. Denn ohne klares Ziel fliegen die Drohnen quasi blind, bis der Treibstoff aufgebraucht ist – und schlagen dann ein.

Für die estnischen Militärexperten markiert der Einsatz der Störsender eine kleine, aber bedeutende Entwicklung im Kriegverlauf. "Die Bemühungen deuten darauf hin, dass Russland zumindest im Winter eine sehr viel defensivere Haltung einnimmt und sich darauf konzentriert, Zwischenfälle im eigenen Land zu verhindern. Die Zeiten, in denen die Russen die ukrainischen Langstreckenschlagskapazitäten unterschätzt haben, sind sicherlich vorbei", erklärt Erik Kannike, ein Programmmanager bei SensusQ.