Solarenergie wird der entscheidende Energielieferant der Zukunft. Ein Hauptproblem der Energie aus der Sonne ist die Frage der Zwischenspeicherung zwischen dem Erzeugen und dem Verbrauch. Dazu hat Solarenergie ein weiteres Kardinalproblem: Sie verbraucht enorme Flächen, wenn ein Großteil der Energieproduktion aus ihr stammen soll.
In schwach besiedelten Halbwüsten mag es nicht so dramatisch sein, wenn Quadratkilometer-große Areale mit Sonnenkollektoren bedeckt werden, in dicht besiedelten Zonen wäre der erneute Flächenfraß schwer zu verdauen. Kein Wunder, dass es immer wieder Versuche gibt, bereits versiegelte Flächen für die Solarenergie zu nutzen. Man probiert, Straßenbeläge zu solarisieren, Autobahnen zu überdachen oder Flachdächer zu bedecken.
Eine weitere Lösung könnten sogenannte "Floatovoltaics" sein, eine Wortbildung für schwimmende Solaranlagen. Die Idee dahinter: Wenn man die Stauseen von Speicherkraftwerken mit Solarpaneelen bedeckt, schlägt man gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Das sagt zumindest eine Studie des US-Energieministeriums. Demnach könnte man jährlich bis zu 10.600 Terawattstunden Strom produzieren. Das ist in etwa ein Drittel des Weltstromverbrauchs. Wenn alle existierenden Stauseen mit Solaranlagen bedeckt werden. Neben der "freien" Fläche bietet das Verfahren den Vorteil, Energieproduktion und Dauerspeicher an einem Ort zu konzentrieren.
Überschüssiger Strom kann dazu benutzt werden, Wasser aus einem tieferen Becken in den Stausee zu pumpen. Natürlich gibt es Effizienzverluste, aber so könnte die Energie über Monate hinweg gespeichert werden. Weiterer Vorteil: Die Investitionen für Speicherung und spätere Stromerzeugung sind gering, weil die bereits bestehende Anlage genutzt wird.

Vorreiter in Europa: Portugal
Erfunden hat das Ministerium die Idee allerdings nicht, es wurde nur das weltweite Potenzial ausgerechnet. Das erste Großprojekt mit zwei Gigawatt Leistung wurde bereits 2007 in Japan installiert, weltweit gilt mittlerweile China als führend in der Technik. In Europa machte der portugiesische Energieversorger EDP Group 2016 den ersten Versuch, Wasserkraft und schwimmende Solarenergie in einem Hybridkraftwerk in Alto Rabagão zu kombinieren. Diese Anlage verfügt über 840 Sonnenkollektoren auf einer Fläche von rund 2500 Quadratmetern, die bis zu 220 Kilowatt Strom erzeugen können. Hier wurde also keineswegs der ganze Stausee bedeckt. Die Fläche entspricht einer quadratischen Insel von 50 Metern Seitenlänge.
Test bei Eisbildung
Auch in Litauen testet man das Verfahren. Allerdings in einem noch kleineren Pilotprojekt. Der litauische Energieversorger Ignitis Gamyba baut eine schwimmende Solaranlage im oberen Reservoir des Pumpspeicherkraftwerks Kruonis. Die Litauer betreten hier Neuland, das auch für Deutschland interessant sein könnte, denn in Litauen kann der See im Winter einfrieren. Rimgaudas Kalvaitis, Vorsitzender von Ignitis Gamyba, sagte Reuters: "Soweit wir wissen, sind weltweit einige schwimmende Fotovoltaikprojekte installiert und in Wasserkraftspeichern in Betrieb, aber der Betrieb unter Gefrierbedingungen ist eine ganz neue Idee." Auch wenn schon Anlagen gebaut wurden, ist es noch nicht soweit, dass es eine perfekte Lösung für jede Situation gibt. In China gibt es inzwischen Anlagen, die Stauseen und Solartechnik kombinieren, aber auf schwimmende Paneele verzichten. Im Wasserkraftwerk Longyangxia werden Sonnenkollektoren verwendet, die nicht auf dem Wasser, sondern auf dem umliegenden Land montiert sind.
Idee mit Problemen
Tatsächlich bringt die Überdachung von Stauseen auch eine Menge Probleme mit sich. Das beginnt damit, dass Leitungen und Module über die gesamte Lebenszeit hin absolut wasserdicht sein müssen. Zudem müssen sie Wellengang und das Auf und Ab des Stausees ertragen können. Die Anlage muss Schwankungen von über zehn Meter ertragen. Bei Revisionen der Staumauer wird mancherorts ein Großteil des Wassers abgelassen, die Anlage würde dann bis auf den Grund absinken, wenn Stauseen auch als Wasserspeicher für Trinkwasser und Landwirtschaft dienen. Außerdem muss eine Lösung gefunden werden, wie die schwimmenden Anlagen von Dreck, Laub und Schnee befreit werden können.
Vom Ökosystem zum Stromspeicher
Ein Hauptproblem an der Modellrechnung ignoriert das US-Ministerium. Neuangelegte Stauseen wirken wie ein brachialer Fremdkörper, doch nach einiger Zeit werden sie zum Teil der Landschaft und Natur und bilden ein eigenes Ökosystem. Würde man diese künstlichen "Bergseen" komplett mit Solaranlagen bedecken, würde der See aus der Landschaft verschwinden. Übrig bliebe ein Feld von Solarpaneelen, das sich mit dem Wasserstand hebt und senkt. Ein Ökosystem würde zu einem reinen Speicher. In den Alpengegenden wäre es kaum durchsetzbar, die alten Stauseen, die inzwischen touristische Glanzpunkte geworden sind, in Stromfabriken zu verwandeln. Würden nur kleinere Teile des Sees wie in Portugal von einer Strominsel bedeckt, wäre der naturzerstörende Effekt nicht so dramatisch, dann ergäbe sich aber auch kein maximaler Stromertrag.
Quellen: Science Direct, Reuters, NREL
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