Eine eigene Webseite wollen sich Stefan Thoss und Dick de Groot gar nicht erst zulegen: "Nachher kriegen wir dann noch mehr Anfragen", stöhnen die beiden. Auf Wochen ausgebucht ist ihre Hamburger Firma Zerone. Drei Angestellte und etliche freie Mitarbeiter haben schon jetzt alle Hände voll zu tun. "Wir versuchen, unseren Laden klein zu halten", sagt Thoss. Es scheint nicht so recht zu gelingen. Gerade hat Zerone ein Büro in New York eröffnet.
Die besten Ergebnisse sind unsichtbar
Dabei ist die Arbeit von Thoss und de Groot von Laien meist überhaupt nicht zu erkennen: Zerone ist eines der führenden Bildbearbeitungs-Studios in Deutschland. Es sind Werbeagenturen und Fotografen, die das Duo derart mit Aufträgen überhäufen, manchmal auch Zeitschriften - die Möglichkeit, die Welt auf Fotos schöner aussehen zu lassen, als sie in Wirklichkeit ist, wird von ihnen immer häufiger genutzt. Mit der Software Photoshop entfernt Zerone störende Lichtreflexe, passt Perspektiven an, macht Himmel blauer, Gras grüner, Lack glänzender. "Am besten sind wir, wenn man unsere Arbeit gar nicht sieht", sagt de Groot.
Retusche im Hotelzimmer
Das lässt sich die Industrie richtig Geld kosten. Zuweilen werden die Zerone-Mitarbeiter sogar beauftragt, ihre Rechner einzupacken und Werbefotografen bei ihren Shootings zu begleiten. Im Hotelzimmer bearbeiten sie dann die frisch geschossenen Bilder und bereiten sie für eine Werbekampagne auf. Das kann dann schon mal drei Wochen dauern und in Südafrika oder Australien stattfinden.
"Fotos werden verfremdet, seit es sie gibt"
"Seitdem es Fotos gibt, werden sie auch verfremdet", sagt Thoss, der bereits in den achtziger Jahren mit der Bildbearbeitung anfing. Früher werkelte er allerdings mit Bleistiften, Schere und Klebstoff an den Bildern herum. Eine mühsame Angelegenheit, die eher nebenbei bei der Druckvorbereitung erledigt wurde.
Für jedermann erschwinglich
Erst die Einführung der Computertechnik hat der nachträglichen Bildmanipulation eine neue Dimension gegeben. Heute müssen die Profis noch nicht einmal mehr millionenteure Hardware anschaffen: Handelsübliche Macintosh-Rechner reichen aus. "Arbeiten, für die wir früher vier Tage gebraucht haben, schaffen wir inzwischen in einer halben Stunde", sagt Thoss.
Nicht nur Neues wird manipuliert
Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Spezialfirmen, die sich ausschließlich um das digitale Aufhübschen von Bildern kümmern. Sie passen die Farbtöne so an, dass sie optimal zur Werbekampagne passen. Sie entfernen störende Pfeiler aus dem Hintergrund von Modefotografien. Sie setzen mehrere Bilder zu aufwendigen "Composings" zusammen. Manche Firmen retten auch historische Aufnahmen mit digitalen Mitteln. "Mit Hilfe der Computertechnik lassen sich selbst sehr alte und stark beschädigte Bilder in verblüffender Qualität wiederherstellen", sagt Uwe Nölke aus Kronberg, der sich auf das Restaurieren alter Aufnahmen spezialisiert hat.
Fast kein Bild, das heute in der Werbung gezeigt wird, wurde auch so fotografiert. In den USA gehören Retusche-Stars wie Pascal Dangin bereits zu den "mächtigsten Männern der Modewelt" ("New York Times"). Seine Arbeit kam Anfang des Jahres in die Schlagzeilen, als die britische Schauspielerin Kate Winslet sich beschwerte, er habe sie auf dem Cover der Zeitschrift "GQ" zu schlank retuschiert.
Digitale Schlankheitskur
Solche Beschwerden sind an Cathrin Bauendahl noch nicht herangetragen worden. Dabei setzt auch sie gelegentlich ihren Computer ein, um Models dünner oder breiter aussehen zu lassen. "Mehr als ein Prozent Veränderung in Höhe oder Breite geht aber nicht", sagt Bauendahl.
Des Pickels Feindin
Die 29 Jahre alte Grafikerin hat sich auf die Bearbeitung von Modefotos und digitale Hautverschönerung spezialisiert. Werber, aber auch Zeitschriften wie "Gala" setzen ihre Arbeit ein. "Mal soll ich nur ein paar Pickel entfernen, mal eine missratene Produktion retten", sagt Bauendahl. Auch sie ist glänzend im Geschäft, wobei sie immerhin noch eine Webseite hat: www.elektronische-schoenheit.de lautet die Adresse.
Elektronische Schönheit? Gibt es das? Kann man Schönheit elektronisch erzeugen? "Ja", sagt Bauendahl selbstbewusst, "man kann zum Beispiel Augen zum Strahlen bringen." Als Erstes das Weiße in den Augen aufhellen. Dann noch ein wenig mehr Kontrast in die Struktur der Iris bringen. Die Augenfarbe intensivieren. "Und?", fragt sie. Es funktioniert.
Von Pore zu Pore
Schwieriger ist da schon die Bereinigung von Hautunregelmäßigkeiten. Dazu zoomt sie das Bild ganz groß, um es dann Pore für Pore zu bearbeiten. Weil man Hautstrukturen nicht naturgetreu nachbilden kann, müssen sie gleichsam digital transplantiert werden: Makellose Stellen werden auf unreine Bereiche so aufkopiert, dass man es nicht sieht. Natürlich muss auch die Helligkeit stimmen, damit es nicht unnatürlich wirkt. Eine Fleißarbeit, die Stunden dauern kann.
Fälschung? Illusion?
Aber ist das nicht unredlich? Eine Fälschung? Eine Illusion? "Das fängt doch bereits beim Fotografieren an", sagt Bauendahl. "Wie schön jemand auf einem Foto aussieht, hängt doch schon davon ab, wie ich ihn beim Fotografieren in Szene setze." Und schafft man durch das digitale Optimieren nicht Schönheitsstandards, die echte Menschen niemals erreichen können? "Ja, daran wirke ich sicherlich mit", sagt Bauendahl selbstkritisch. "Wenn ich diese Supermodels sehe, die 178 groß sind und dabei 40 Kilogramm wiegen, macht mich das auch nachdenklich. Andererseits: Wenn die Leute nur noch Diät machen und ständig beim Chirurgen sind, haben die doch meist noch ganz andere Probleme. Oder?"