Vorne Galaxy, hinten iPhone HTC One A9 im Test: schick, aber viel zu teuer

HTC sagt, das neue One A9 sei eine "gute Alternative zum iPhone". Doch stimmt das wirklich? Wir haben das neue Smartphone getestet - und einige Schwächen entdeckt.

In diesem Jahr machte der taiwanische Smartphone-Hersteller HTC bislang keine gute Figur: Der Börsenkurs rutschte rapide ab, das Unternehmen schreibt immer höhere Verluste, demnächst müssen viele Mitarbeiter ihren Schreibtisch räumen. Der vorerst traurige Schlusspunkt für den einstigen Smartphone-Pionier. Für HTC wird es höchste Zeit, das Ruder herumzureißen. Gelingen soll das mit dem neuen Smartphone One A9. Doch reicht ein iPhone-Klon mit Android für ein Comeback? Wir haben es getestet.

Optik: Full Metal Jacket

Nanu, das kenn ich doch? Das HTC One A9 ist ohne Frage von der aktuellen iPhone-Generation inspiriert. Auf der Rückseite prangen breite Antennenstreifen, die Ecken sind im gleichen Radius abgerundet. Die Vorderseite mit dem breiten Home-Button kennt man vom Galaxy S6 oder OnePlus 2. Auch wenn man HTC zugutehalten muss, dass es eines der ersten Unternehmen war, dass auf Metall-Unibody-Gehäuse setzte - ein wenig frischer Wind hätte dem One A9 sicher nicht geschadet. Dabei war gerade das Design früher eine Stärke der Taiwaner.

Doch Ideenklau hin oder her: Das One A9 ist eines der schicksten Android-Smartphones, das es derzeit gibt. Es liegt prima in der Hand und fühlt sich gut an. Das liegt auch am geringen Gewicht (143 Gramm) und der flachen Bauweise (7,2 Millimeter). In puncto Verarbeitung gibt es aber noch etwas Luft nach oben: Der geriffelte An/Aus-Knopf am rechten Gehäuserand  und die Kunststoff-Brücke am oberen Rand passen nicht so recht zum ansonsten dezenten Design, und die Lautstärkewippe hat keinen deutlichen Druckpunkt und fühlt sich etwas schwammig an.

Technik: Ein Tag Akkulaufzeit

Leider hat HTC nicht nur das schicke Design kopiert, sondern auch die Schwächen des iPhones. Denn der Akku ist ähnlich knapp bemessen wie beim neuen iPhone. Mit 2150 Milliamperestunden ist nicht mehr als ein Tag Laufzeit bei normaler Nutzung drin. Dass der Akku trotz der geringen Kapazität keine schlechte Figur macht, liegt auch an den neuen Stromspar-Funktionen in Android 6. Die Aktivität des Smartphones wird auf ein Minimum reduziert, wenn das Gerät nicht benutzt wird, beispielsweise nachts. Beim nächsten Wochenendtrip sollte man trotzdem das Ladekabel nicht vergessen. Dank Quick-Charge-Technik ist das Smartphone aber in unter zwei Stunden voll aufgeladen.

Unterhalb des Bildschirms befindet sich der breite Home-Button. Dabei handelt es sich um keinen echten Knopf, sondern vielmehr um einen Sensor, wie man ihn auch vom OnePlus 2 kennt. Der eingebaute Fingerscanner funktioniert sehr gut und ist extrem flink. Kurioserweise gibt es neben dem Home-Button keine weiteren Knöpfe - die Menü- und Zurücktasten befinden sich oberhalb in einer eigenständigen Navigationsleiste. Der Home-Button ist damit im Grunde sinnlos, es wird auch wertvoller Platz verschwendet. Wie es eleganter geht, zeigen etwa Huawei oder OnePlus, wo alle Buttons in einer Reihe angebracht sind.

Erwähnenswert ist der microSD-Slot, mit dem sich der interne Speicher (16 GB) erweitern lässt. Das ist längst nicht mehr selbstverständlich.

Display: Hell und scharf

Der Bildschirm misst 5 Zoll, damit liegt er zwischen dem iPhone 6s (4,7 Zoll) und dem 6s Plus (5,5 Zoll). Das One A9 ist somit ein interessantes Gerät für alle, denen die meisten Phablets zu groß sind. Die Auflösung beträgt 1920 x 1080 Pixel, die Pixeldichte liegt bei 440 ppi (pixel per inch). Für die Bildschirmgröße ist das ein sehr guter Wert. Schrift erscheint gestochen scharf. Auf höchster Helligkeitsstufe liefert das Smartphone knackige Farben, dann kann man aber zuschauen, wie der Akku leergesaugt wird. Insgesamt hinterlässt der Bildschirm einen guten Eindruck.

Kamera: Leider nur Mittelmaß

Die Kamera auf der Rückseite knipst mit 13 Megapixeln und hat eine f/2.0-Blende. Bei guten Lichtbedingungen gelingen scharfe, detailreiche Fotos. Bei Gegenlicht werden die Aufnahmen aber schnell blass. Bei dunklen Umgebungen hat uns die Kamera nicht überzeugt. Hier macht die Konkurrenz - allen voran das Galaxy S6, iPhone 6s oder LG G4 - eine bessere Figur. 4K-Aufnahmen beherrscht das One A9 ebenfalls nicht. Das Objektiv steht wie beim iPhone aus dem Gehäuse hervor. Im Standardmodus werden Fotos im JPG-Format abgespeichert, im Pro-Modus landen die Fotos im RAW-Format im Speicher - ein großer Vorteil für Profifotografen, denn so können Bilder noch umfangreicher bearbeitet werden. Die Frontkamera setzt auf die Ultrapixel-Technologie mit 4 Megapixeln. Die Aufnahmen sind dadurch schön hell. Selfie-Fans werden sich freuen.

Performance: Ausreichend, aber nicht rekordverdächtig

Beim One A9 handelt es sich um kein Highend-Gerät, dementsprechend wurde die Ausstattung etwas abgespeckt. Als Prozessor kommt der Snapdragon 617 zum Einsatz. Der hat nicht ganz so viel Dampf unter der Haube wie der große Bruder 810, der in den meisten Flaggschiff-Geräten steckt. Im Alltag bemerkt man aber kaum einen Unterschied. Nervige Hänger gibt es beim Scrollen durch die Menüs nicht, Apps starten schnell. Die verbauten zwei Gigabyte Arbeitsspeicher reichen für die meisten Zwecke.

Software: Android 6.0 an Bord

Das HTC One A9 ist eines der ersten Smartphones mit der neuen Android-Version 6.0 Marshmallow. HTC hat wie gewohnt die Sense-Oberfläche übergestülpt. Ob man die mag, ist wie immer bei Herstelleroberflächen Geschmackssache - die mitgelieferten Zusatzfunktionen sind aber teils sehr praktisch. Dank eines Theme-Stores kann man die Optik seines Smartphones kostenlos (nach Registrierung) anpassen. In Zukunft will HTC regelmäßig schnell die neuesten Android-Updates bereitstellen - ob dieses Versprechen gehalten wird, muss sich zeigen. Bislang war HTC nicht gerade für seine schnellen Updates bekannt.

Fazit: Schick, aber zu teuer

HTC hat beim One A9 viel richtig gemacht. Das Gerät ist wirklich schick, es gehört zweifellos zu den schönsten Android-Smartphones. Technisch liefert HTC gehobene Mittelklasse, sowohl beim Prozessor als auch bei der Kamera. Die schwächelt vor allem bei schlechten Lichtbedingungen. Der Akku hält einen Tag, Laufzeitwunder darf man nicht erwarten. Wirklich spitze ist das One A9 in keiner Kategorie.

An sich ist das nicht schlimm, wäre da nicht der Premium-Preis: Mit 560 Euro ist das Mittelklasse-Smartphone viel zu teuer. Zum Vergleich: In den USA gibt es das Gerät zum Einführungspreis von 399 Dollar, knapp 360 Euro. Ein fairer Preis. Eine uneingeschränkte Empfehlung kann man deshalb nicht aussprechen. Das deutlich flinkere Galaxy S6 bekommt man schon ab 470 Euro. HTC, der Preis muss dringend nach unten korrigiert werden!

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