Ein Jahr nach seinem ersten komplett selbst entworfenen Smartphone versucht Google mit Pixel 2 und Pixel 2 XL erneut, den Smartphone-Thron zu erobern. Wir haben die beiden Geräte getestet - und beim Großen eine massive Macke gefunden.
Dabei ist der erste Eindruck der neuen Pixel extrem positiv. Das Gehäuse liegt sehr angenehm in der Hand, fühlt sich dank der angerauten Oberfläche griffiger an als die glatten Konkurrenten. Die Glasplatte am oberen Ende der Rückseite ist immer noch ein Hingucker, bleibt aber Geschmacksache.

Schwachstelle Display
Die Vorderseite unterscheiden sich: Die beiden Geräte haben einen unterschiedlichen Ansatz. Das Pixel 2 wirkt mit seinem glatten 5-Zoll-Display mit den breiten Rändern etwas altbacken. Nach neuestem Premium-Trend hat Google beim Pixel 2 XL den Rahmen des 6 Zoll großen Displays deutlich eingedampft, wenn er auch immer noch größer ist als etwa beim iPhone X. Wie beim Samsung Galaxy S8 sind die Kanten des Displays merkbar abgerundet (2,5D-Display). Auf den ersten Blick wirkt der Bildschirm deutlich moderner als beim kleinen Modell - und doch ist er eine der größten Schwächen des Pixel 2 XL.
Das fängt bei der Umsetzung der abgerundeten Kanten an. Während beim Galaxy auch das Display um die Ecken geht und so den Eindruck der Rahmenlosigkeit verstärkt, fangen die angerundeten Kanten beim Pixel erst an den Displayrändern an. Dadurch wirkt das Display, als wäre es einige Milimeter nach unten versetzt - und würde durch eine Glaskuppel geschützt. Wirklich störend ist das zwar nicht, es irritiert aber immer wieder.

Fiese Fehler
Das größte Problem ist aber das Display selbst. Das liegt nicht an der Auflösung oder den Farben, die sind wie beim kleinen Modell hervorragend. Wenn man das Pixel 2 XL aber nur einige Grad weit bewegt, kippen die Farben sofort ins Bläuliche. Schaut man nicht perfekt gerade darauf, kann man regelrecht einen Farbverlauf erkennen. Das wäre bei einem Einsteigermodell zu verzeihen, bei einem Preis ab aktuell 940 Euro darf so etwas aber sicher nicht passieren.
Im Internet beschweren sich Nutzer sogar noch über deutlich drastischere Probleme. Das OLED-Display des Pixel 2 XL soll nach weniger als zwei Wochen bereits Einbrenn-Erscheinungen von der Schwarz-Weißen Navigationsleiste zeigen. Google untersucht die Fälle bereits. Unsere Test-Geräte blieben von diesem Effekt bislang verschont.
Spitzentechnik mit Extra-Grips
Die Fehler sind besonders ärgerlich, weil das von LG gefertigte Pixel 2 und das Pixel 2 XL (gebaut von HTC) sonst wirklich gute Chancen auf den Smartphone-Thron gehabt hätten. Mit dem Prozessor Snapdragon 935 sind sie extrem schnell, als Google-Smartphones bekommen sie stets nach kürzester Zeit die neueste Android-Version. Vor allem bei der Kamera hat Google sich aber selbst übertroffen.

Obwohl man den Trend zur Doppelkamera nicht mitmacht, können die beiden neuen Pixel-Modelle bei den Kamera-Smartphones ganz vorne mithalten. Google setzt auf Software-Unterstützung inklusive künstlicher Intelligenz, um die Bilder besonders smart zu bearbeiten. Dazu schießt die Kamera mehrere Fotos, aus denen dann eines gebaut wird.
Kamera des Jahres?
Das funktioniert meist hervorragend. Ob bei guter oder geringerer Beleuchtung, ob aus der Nähe oder im Panorama: Das Pixel 2 und das Pixel 2 XL knipsen detailreiche Bilder mit sehr natürlichen Farben. Durch die Nachbearbeitung behalten vor allem sehr helle und dunkle Bereiche eine auffällig große Menge an Details, die bei anderen Smartphone-Kameras oft verloren geht. Eine beeindruckende Leistung.
Google legt dabei viel Wert auf Natürlichkeit. Während nach Samsung auch Apple vermehrt auf besonders satte Farben und einen verstärkten Kontrast setzt, bleibt Google hier dezent. Die Farben werden bei den Pixeln realistischer abgebildet, den Bildern fehlt dadurch manchmal aber auch etwas der Pep. Was besser gefällt, ist letztlich Geschmackssache. Beide Pixel 2 spielen in jedem Fall bei den Kamera-Smartphones ganz vorne mit, mit Galaxy Note 8 und iPhone 8 Plus sind sie mindestens ebenbürtig. Ob Apple mit dem iPhone X noch mal eine Schippe drauflegen kann, muss sich zeigen.
Spannend: Über Software-Tricks schafft es Google sogar, den Portrait-Modus zu imitieren, bei dem der Hintergrund unscharf bleibt (Bokeh-Effekt). Dafür benötigt man eigentlich eine zweite Kamera. Google lässt die Unschärfe schlicht berechnen, was im Vergleich mit dem iPhone erstaunlich gut funktioniert. Weil Google nur eine Linse braucht, sind die neuen Pixel die ersten Smartphones, die den Modus auch bei der Selfie-Kamera bieten.
Quetsche-Assistant
Auch sonst sollen Pixel 2 und Pixel 2 XL vermehrt von künstlicher Intelligenz profitieren. Sie werkelt im Hintergrund und unterstützt viele Prozesse, macht andere gar erst möglich: Beide Pixel-Geräte zeigen auf Wunsch etwa permanent, welches Lied Sie gerade im Hintergrund hören. Dazu lauschen sie zwar permanent, ins Internet wird dabei aber nichts geschickt: Alles passiert auf dem Gerät selbst, lediglich die genutzten Musikdatenbanken werden gelegentlich aktualisiert. Viele Nutzer dürften die Funktion trotzdem unheimlich finden, weshalb man sie aktiv einschalten muss.

Den Assistenten an sich zu aktivieren, geht nun ganz nebenbei: Wie beim HTC U11 (Hier bei uns im Test) kann man den Rahmen des Gerätes zusammendrücken, um eine Aktion auszulösen. Bei HTC war die Funktion frei belegbar, beim Pixel öffnet sich stets der Assistant. Was am Anfang ungewohnt ist, wird so schnell zur häufiger genutzten Geste.

Obwohl sich Google auf die Software konzentriert, hat man die technische Ausstattung nicht aus den Augen verloren. Beide Geräte haben je nach Modell 64 oder 128 GB Datenspeicher, sind wasser- und staubdicht nach IP67 und besitzen Stereo-Frontlautsprecher, die sich durchaus hören lassen können. Der Akku hält meist länger als einen Tag und unterstützt schnelles Laden über die USB-C-Buchse. Alles aktueller Premium-Standard. An anderer Stelle hätte Google aber ruhig etwas konservativer sein dürfen: Wie Apple im letzten Jahr hat man den Klinkenanschluss gestrichen. Immerhin liegt ein Adapter auf USB-C bei.
Fazit: Zwei tolle Smartphones mit Haken
Mit dem Pixel 2 und dem Pixel 2 XL sind Google zwei hervorragende Smartphones gelungen, die beide von ihrem Display ausgebremst werden. Das Pixel 2 ist mit seinem breiten Rahmen für ein Premium-Gerät zu altbacken, der schlechte Blickwinkel und die sonstigen Display-Macken des Pixel 2 XL sind zu diesem Preis schlicht peinlich.
Das ist besonders deswegen schade, weil Google sonst fast alles richtig gemacht hat. Das Design ist markant, die Verarbeitung stimmt auch. Die Pixel lassen sich rasant bedienen, haben durch stets aktuelles Android und Assistant auf Abruf echte Pluspunkte. Die Kamera schafft es trotz fehlender zweiter Linse mit den ganz Großen gleichzuziehen. Da ließen sich die kleinen Mankos wie der fehlende Klinkenanschluss locker verschmerzen. Bei essenziellen Themen wie dem Display ist das schwieriger.
So lassen sich die aktuellen Preise eigentlich kaum noch rechtfertigen. Mit einem Preis von 799 Euro ist das Pixel 2 teurer als das iPhone 8, auch das Pixel 2 XL kostet mit 939 Euro mehr als das große Apple-Smartphone. Für ein Android-Smartphone ist das sehr viel. Selbst das um 1000 Euro gestartete Samsung Galaxy Note 8 gibt es zwei Monate nach Release bereits für 840 Euro, das Galaxy S8 kostet gar nur 540 Euro. Und deren Displays geben keinen Anlass zu meckern.
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