Kein Produkt ist für Apple so wichtig wie das iPhone. Und doch versucht sich Apple seit Jahren breiter aufzustellen und sich aus der Abhängigkeit seines größten Verkaufsschlagers zu lösen. Auch, weil die Ära des Smartphones irgendwann zu Ende gehen wird. Den ersten Schritt in diese Richtung will Apple wohl noch dieses Jahr wagen. Für die Fans seiner anderen Geräte ist das aber eher keine gute Nachricht.
Was für Apple nach dem Smartphone kommt, daraus macht der Konzern keinen Hehl: Immer wieder betonte CEO Tim Cook in den vergangenen Jahren, wie groß er das Potenzial der sogenannten Augmented Reality, kurz AR, einschätzt. Der Begriff beschreibt die Möglichkeit, Informationen über das Bild der Realität zu legen. Anders als bei Virtueller Realität (VR) ist man dabei nicht in rein virtuellen Welten unterwegs und entsprechend abgeschirmt. Stattdessen wird die wirkliche Welt um digitale Inhalte "erweitert". Das können iPhone und iPad schon heute, noch dieses Jahr soll Apple allerdings das erste Gerät einführen, das ausschließlich dafür gedacht ist.
Wette auf die Zukunft
Voraussichtlich unter dem Namen "Reality Pro" soll der Konzern die Einführung seiner ersten Datenbrille vorbereiten. Die soll genau genommen eine Mischung aus AR und VR ermöglichen. Die Nutzer schauen auf kleine Bildschirme im Innern, können sich durch Kameras auf der Außenseite aber auch das Bild der Realität in die Brille holen. Betrieben werden soll die Brille mit eigens entwickelten Chips und einem Betriebssystem namens "xrOS".
Vollständig neu ist die Idee nicht. Schon seit Jahren bietet Mircosoft mit Hololens eine vollwertige AR-Brille an, die auch vom US-Militär genutzt wird. Auch Konkurrenten wie Facebook und HTC bieten längst eine Vielzahl unterschiedlich fortgeschrittener VR-Brillen an.
Für Apple dürfte die für dieses Jahre geplante Brille aber letztlich nur ein Zwischenschritt sein: Das Ziel ist es, eine Datenbrille zu kreieren, die von Außen kaum noch von einem klassischen Gestell zu unterscheiden ist. Und Daten wie 3D-Modelle, Texte und Videos direkt im Sichtfeld des Trägers einzuspielen. Noch ist die Miniaturisierung allerdings längst nicht genug fortgeschritten, um diese Vision Apples Ansprüchen entsprechend umsetzen zu können. Bisherige Versuche anderer Firmen kranken an miesen Laufzeiten, einfarbigen Displays und klobigen Designs.

Klare Priorität
Umso wichtiger ist es für Apple, seinen ersten öffentlichen Gehversuch in dem Bereich möglichst perfekt hinzulegen. Nach einem aktuellen Bericht des gewöhnlich herausragend gut informierten Journalisten Mark Gurman zieht der Konzern Unmengen hochkompetenter Mitarbeiter von anderen Projekten ab, um voll auf die Brille setzen zu können. Sie sollen dem Produkt den nötigen Feinschliff verpassen, letzte Ungereimtheiten in Hardware, Software und den zugehörigen Dienstleistungen aus dem Weg schaffen. Auch in der Vermarktung und dem Verkauf des Gerätes sind nach Gurmans Informationen noch Fragen offen, erläutert er bei "Bloomberg".
Das hat Folgen für die anderen Produktkategorien. Weil Personal aus den Teams abgezogen wurde, läuft die Entwicklung in den Teams für Mac, iPad und Apple Watch deutlich langsamer, so Gurman. Bei der Software hat das offenbar direkte Auswirkungen. So soll das für Herbst erwartete iPhone-Betriebssystem iOS 17 weniger neue Funktionen bekommen, als zunächst vorgesehen war. Auch auf Mac und iPad soll es entsprechende Abstriche geben.
Portfolio im Stillstand
Und auch die Hardware fällt dieses Jahr wohl weitgehend unspektakulär aus. Nachdem Apple in den letzten Jahren mit Einführung seiner selbst entwickelten M-Chips zuerst bei seinen Mac-Rechnern und dann auch bei den iPads mit riesigen Leistungssprüngen für Aufsehen sorgte, waren diese letztes Jahr bei der zweiten Version des Chips schon deutlich kleiner ausgefallen. Bei den eigentlich schon für Herbst erwarteten neuen Macbook Pro, die nun demnächst erscheinen sollen, dürfte es ähnlich sein. Auch hier ist zwar sicher mehr Leistung zu erwarten, die Sprünge dürften im Vergleich zur ersten M-Generation aber eher moderat bleiben. Eine mögliche spannende Neuheit könnte ein Macbook Air in 15 Zoll sein.
Bei den iPads erwartet Gurman ebenfalls nicht viel: Die Pro-Modelle wurden erst im Herbst aktualisiert (hier finden Sie unseren Test), die Neuerungen blieben aber eher spärlich. Ähnliches ist beim iPad Air und dem iPad Mini zu erwarten. Gurman schließt nicht mal aus, dass überhaupt keine neuen Modelle erscheinen. Größere Modelle des iPads, an denen Apple schon länger basteln soll, seien wegen des Fokus auf die AR-Brille nach hinten geschoben worden.
Auch bei Apple Watch, AirPods und Homepod sind höchstens kleinere Veränderungen gegenüber den aktuellen Modellen zu erwarten.
Das sind laut Apple die besten 15 Apps des Jahres

Einfach mal echt sein - so grenzt sich das 2020 in Frankreich gegründete "BeReal" vom Selbstdarstellungs-Druck anderer sozialer Netzwerke ab. Die Idee: Ein Bild muss im Jetzt gemacht werden, ohne Inszenierung und Feinschliff. Das fördert die echte Kommunikation mit Freunden, lobt Apple.
Ausnahme iPhone (Pro)
Die einzige Ausnahme ist wohl das kommende iPhone 15. Das überrascht nun weniger: Apple setzt bereits seit Jahren auf eine Strategie, bei der die Geräte alle drei Jahre ein neues Design bekommen. Das letzte Neudesign kam im Herbst 2020 mit dem iPhone 12, im Herbst wurde also ohnehin ein neuer Look erwartet. Den gibt es aber nach aktuellen Gerüchten wohl nicht für jedes Modell im selben Umfang.
So soll das iPhone 15 mit der Dynamic Island zwar durchaus ein neues Designelement erhalten, die Pro-Modelle bekamen das aber bereits im letzten Herbst spendiert. Der Look ist beim Basismodell also nicht ganz so neu, wie man erwarten würde. Das Pro bekommt da schon ein umfangreicheres Neudesign: Statt auf schicken aber schweren Edelstahl soll Apple beim Rahmen erstmals auf leichtes Titan setzen. Zudem ersetzt der Konzern offenbar die Lautstärketasten durch starre Balken, die per haptischem Feedback ein Klicken simulieren. Die wichtigste Neuerung bekommen aber alle Modelle: Apple soll nach elf Jahren seinen Lightning-Anschluss in Rente schicken und mit dem iPhone auch seine letzte verbleibende Gerätekategorie auf den modernen USB-C-Standard umrüsten. Damit setzt der Konzern nicht nur eine EU-Richtlinie um, sondern reduziert auch die Anzahl an benötigter Kabel im Gepäck.
Gewagte Strategie bei Apple
Ob sich die Wette auf die AR-Brille auszahlt, muss sich beweisen. Der Zeitpunkt ist für Apple alles andere als ideal. In Folge des Ukraine-Krieges und der daraus resultierenden Inflation ist die Konsumfreude der Kunden rund um den Globus messbar gesunken. Gleichzeitig entschied sich Apple, in vielen Märkten wie Europa die Preise deutlich anzuziehen. Die Folge: Viele Geräte, etwa das iPhone 14 Plus, verkaufen sich laut Analysten schlechter, als Apple das erwartet hatte. Folgen die diesjährigen Neuvorstellungen demselben Muster aus wenigen Neuerungen und höheren Preisen, müsste die Reality Pro schon ein riesiger Hit werden, um die Verluste alleine ausgleichen zu können.
Dass das gelingt, ist längst nicht gesagt. Der bisherige Markt für VR- und AR-Brillen wächst zwar in den letzten Jahren, ist aber im Vergleich zum Smartphone-Geschäft immer noch winzig. Weil das Interesse von Privat-Anwender:innen vergleichsweise gering ist, versuchen sowohl Meta als auch Microsoft, die Technologie vor allem Business-Kunden schmackhaft zu machen.
Allerdings wäre es nicht das erste Mal, dass Apple eine Gerätekategorie quasi im Alleingang in den Mainstream drückt und den Markt öffnet. Sowohl Smartphones als auch Tablets und Smartwatches waren bereits von anderen Herstellern erhältlich, bevor es Apple mit iPhone, iPad und Apple Watch schaffte, auch die Massen davon zu begeistern. Heute sind aus allen drei Kategorien riesige Geschäftsfelder geworden – mit Apple als unangefochtenem Marktführer.
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