Groß, bunt und extrem erfolgreich: Das iPhone 11 war für Apple ein riesiger Hit. Genaue Zahlen behält der Konzern zwar für sich, doch Experten zufolge wurden in der ersten Jahreshälfte 2020 - trotz Corona-Pandemie - von diesem Modell beinahe 38 Millionen Stück verkauft. Die beiden Pro-Varianten dagegen verkauften sich zusammengenommen etwa 15 Millionen Mal, also nicht einmal halb so oft.
Es überrascht daher nicht, dass Apple an seiner Erfolgsformel festhält: Das iPhone 12 wird erneut als Telefon für die Massen vermarktet. Und so viel sei an dieser Stelle verraten: Zwei Schwächen des Vorgängers hat der Konzern ausgeräumt - und auch an den Preisen hat sich etwas geändert. Ersten Prognosen zufolge liegen die Bestellungen bereits über den Erwartungen - zurecht? Ich habe das iPhone 12, das diesen Freitag ab 876,50 Euro im Handel angeboten wird, bereits ausführlich getestet.

Design: Apple zeigt klare Kante
Als ich das neue iPhone 12 aus dem Karton nehme, habe ich das Gefühl, zugleich ein Stück Vergangenheit und Zukunft in den Händen zu halten. Das neue Design wirkt wie eine Rückbesinnung auf frühere Jahre, weil das gerade einmal 7,4 Millimeter dünne Gehäuse nun nicht mehr von sanften Rundungen, sondern von eckigen Kanten dominiert wird. Ein eleganter Look, der an das iPhone 5 erinnert - nur eben ohne die dicken Balken um das Display. Das moderne Design ist nicht nur ein Hingucker, das iPhone 12 liegt dank des geringeren Gewichts auch großartig in der Hand.
Modell | Höhe | Breite | Tiefe | Gewicht |
iPhone 11 | 150,9 mm | 75,7 mm | 8,3 mm | 194 g |
iPhone 12 | 146,7 mm | 71,5 mm | 7,4 mm | 162 g |
Der Rahmen zwischen Vorder- und Rückseite ist farblich auf die Rückseite abgestimmt und besteht im Gegensatz zu den Pro-Modellen nicht aus Edelstahl, sondern aus Aluminium. Das Gehäuse ist staub- und wasserdicht und übersteht laut Apple ein Bad in sechs Metern Tiefe bis zu 30 Minuten. Auch beim versehentlichen Verschütten von Kaffee oder Tee kann man entspannt bleiben. Dann spült man das Telefon einfach unter dem Wasserhahn ab und lässt es trocknen, bevor man es wieder an die Steckdose klemmt.
Entsperrt wird das Gerät mit dem Gesichtsscanner Face ID oder, sofern Sie eine Maske tragen (und das sollte man in diesen Tagen), via Pin-Code. Einen Fingerabdruckscanner im An/Aus-Schalter oder im Display wie bei einigen Android-Konkurrenten gibt es leider nicht.

Display: Keine Kompromisse mehr
Beim iPhone 11 verzichtete Apple noch auf die aus den Premiummodellen bekannte OLED-Technik und setzte auf einen weniger brillanten LCD-Bildschirm. In diesem Jahr muss man keine Kompromisse mehr eingehen: Im iPhone 12 steckt der gleiche Bildschirm wie im Pro-Modell. Netter Nebeneffekt: Der schwarze Rahmen um das Display fällt kleiner aus.
Dank OLED-Technologie liegt das Kontrastverhältnis bei 2 Millionen zu eins (iPhone 11: 1400 zu 1), von den tiefen Schwarzwerten profitieren vor allem dunkle Bilder. Bei der Wiedergabe von HDR-Filmen schraubt sich die Helligkeit auf bis zu 1200 Nits hoch, das ist mehr als bei handelsüblichen 4K-Fernsehern. Dabei werden die wichtigsten in der Filmindustrie vorherrschenden Standards unterstützt, etwa Dolby Vision, HDR10 und HLG. Einzelne Pixel sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen.
Der Bildschirm des iPhone 12 ist top. Nur ein Feature fehlt, das einige Mitbewerber bereits besitzen: eine Bildwiederholfrequenz von 90 oder gar 120 Hertz. Damit wirkt Scrollen noch viel flüssiger. Dieses Feature, das man auch vom iPad Pro kennt, stand bei vielen auf der Wunschliste ganz oben, nun werden sie sich weiter gedulden müssen.

Das iPhone 12 hat ein Ceramic Shield. Was ist das?
Das Frontdisplay sei das robusteste überhaupt, behauptet Apple. Dabei spricht das Unternehmen nicht mehr länger von Glas, sondern einem sogenannten "Ceramic Shield". Dabei handelt es sich um ein neuartiges Material bestehend aus Glas, welches mit winzig kleinen Keramikkristallen versehen ist. Das Ergebnis dieses aufwendigen Prozesses ist eine laut Apple viermal bessere Sturzfestigkeit bei gleicher Transparenz.
Überprüft habe ich das nicht, zumal bei einem Sturz viele Faktoren entscheiden, ob das Smartphone nur eine kleine Delle davonträgt oder es ein Totalschaden ist. Wie gut die neuen iPhones im Falltest abschneiden, werden in den nächsten Wochen sicherlich diverse Labortests zeigen. Wer die Überlebenschancen seines Telefons erhöhen will, sollte dennoch zur Schutzhülle greifen.
Kratzresistent ist das Ceramic Shield nicht, das zeigte sich durch ein Missgeschick. Als ich beide iPhone-12-Modelle nebeneinanderhielt, um die Rahmen zu begutachten, zog ich versehentlich die Kameralinsen des iPhone 12 Pro über das Display des anderen Telefons - und hinterließ zwei feine, aber sichtbare Kratzer. Nun ist Saphirglas eines der härtesten Materialien der Welt, mit einem Autoschlüssel wäre das vermutlich nicht passiert. Als Freibrief zur Sorglosigkeit sollte das Ceramic Shield dennoch nicht verstanden werden.
Performance: Jetzt geht's schnell
"Hi, Speed" - das war der Slogan des diesjährigen iPhone-Events. Das Motto zielt auf zwei Bereiche ab: den Prozessor und die 5G-Konnektivität.
Zunächst zum Prozessor: Der neue A14-Chip steckt sowohl im iPhone 12 als auch dem Pro-Modell und ist der derzeit schnellste Smartphone-Prozessor der Welt. Er verweist die Android-Konkurrenz auf die Plätze, wie ein Test des Benchmark-Programms Geekbench zeigt. Der Unterschied zwischen dem iPhone 12 und dem Pro-Modell, die ja beide den gleichen A14-Chip einsetzen, ist vermutlich mit der höheren Menge an Arbeitsspeicher zu erklären.
Gerät | Single-Core | Multi-Core |
iPhone 12 Pro | 1603 | 4078 |
iPhone 12 | 1588 | 3234 |
iPhone 11 Pro | 1328 | 3397 |
iPad Pro | 1113 | 4607 |
iPhone XS | 1106 | 2702 |
OnePlus 8 | 893 | 3153 |
Samsung Galaxy S20 Ultra 5G | 845 | 3105 |
Huawei Mate 30 Pro 5G | 758 | 2931 |
Im Alltag heißt das: Jedes 3D-Spiel, jede Anwendung packt das Smartphone mühelos. Der neue A14-Chip legt einen Schwerpunkt auf den Bereich Machine Learning. Mehr Details dazu können Sie hier nachlesen. Künstliche Intelligenzen ermöglichen Entwicklern völlig neue Anwendungen, davon profitiert unter anderem auch die Kamera (dazu später mehr). Der A14-Chip macht das iPhone 12 aber auch zukunftssicher, vier Jahre Betriebssystem-Updates dürften locker drin sein.

5G: Ein Kniff zum Akku-Sparen
Apropos zukunftssicher: Das iPhone 12 unterstützt nun auch den neuen Mobilfunkstandard 5G. Das sei der Auftakt zu einer neuen iPhone-Ära, frohlockte Apple-Chef Tim Cook im Rahmen der Keynote. Die zwei großen Vorteile von 5G sind massiv schnellere Download- und Uploadraten und eine kaum noch wahrnehmbare Verzögerung - vorausgesetzt, man hat den passenden Vertrag und befindet sich in einer Region, in der 5G bereits ausgebaut wurde.
Laut Apple kann das iPhone 12 hierzulande im 5G-Netz ein Download-Tempo von bis zu 1 Gigabit pro Sekunde erreichen. Das durchschnittliche deutsche Datenvolumen von 2,5 Gigabyte für einen Monat lässt sich so in einer Minute gleich dreimal verbrauchen. In Hamburg schwankte die tatsächlich erreichte 5G-Bandbreite mit einer Test-Sim der Deutschen Telekom zwischen 460 und 200 Mbit/s im Download und 50 bis 25 Mbit/Sekunde im Upload.
Mit technischem Kleinklein brauchen Sie sich übrigens beim iPhone-Kauf in diesem Jahr nicht zu beschäftigen. Alle hierzulande wichtigen Frequenzen sind an Bord. Für den deutschen Markt werden die Telekom, Vodafone und O2 als Partner genannt.

Andere Hersteller haben auch 5G, aber …
Andere Hersteller wie Huawei und Samsung setzen bereits seit Jahren auf 5G, mittlerweile findet man die Technologie selbst in 400-Euro-Androiden. Apple hat jedoch lange gezögert. Nicht ohne Grund: Eine Schwachstelle der 5G-Technik ist der immense Akkuverbrauch. Die Downloads mögen rasend schnell sein, genauso ratzfatz ist jedoch auch der Akku leer.
Apple hat sich deshalb einen Trick einfallen lassen: Für den Großteil der Alltagsaufgaben verharrt das iPhone 12 im LTE-Netz (4G), selbst wenn 5G verfügbar ist. Erst wenn man eine datenintensive Anwendung startet, wechselt das Telefon automatisch auf 5G und profitiert von den schnelleren Geschwindigkeiten.
Das klappt im Test zuverlässig: Checke ich die E-Mails, surft das iPhone im 4G-Netz. Als ich unterwegs eine komplette Musik-Playlist herunterlade, schaltet das Netz direkt auf 5G um. Mitunter wird das Highspeed-Netz nur für einen kurzen Moment aktiviert: Als ich eine Serie starte, aktiviert sich 5G für etwa 1,5 Sekunden, damit die Episode sofort losgeht - anschließend wechselt das Telefon nahtlos auf 4G zurück. Durch das clevere Zusammenspiel aus Hard- und Software profitiert man von hohen Geschwindigkeiten, wenn man sie auch wirklich benötigt, und reduziert den Akkuverbrauch auf ein Minimum. Die Laufzeit liegt übrigens iPhone-typisch bei etwa einem Tag.
Die Option ist beim iPhone standardmäßig eingeschaltet. Wer will, kann den Netzwechsel aber deaktivieren und dauerhaft im 5G-Netz bleiben.
iPhone 12 vs. iPhone 11 Pro: Die Kameras im Vergleich

Kamera: Es glänzt in der Dunkelheit
Bei den Kameras setzt Apple erneut auf zwei Linsen: Neben der Standard-Weitwinkelkamera befindet sich ein Ultraweitwinkel-Objektiv. Es handelt sich jedoch nicht um das gleiche Kamerasystem wie im iPhone 11, sondern um Weiterentwicklungen. So besteht die Standard-Kamera nun aus sieben statt sechs Elementen und kommt mit einer 1.6er-Blende (iPhone 11: 1.8). Das ermöglicht bessere Aufnahmen bei schummrigem Licht und weniger Bildrauschen.
Bei der Ultraweitwinkelkamera bleibt technisch alles beim Alten. Sie hat ein 120 Grad großes Sichtfeld und ist damit vor allem für Landschafts- und Architekturaufnahmen geeignet. Dank des A14-Prozessors kommen zwei Funktionen auf das Ultraweitwinkel, die bislang der normalen Kamera vorbehalten waren: der Nachtmodus und "Deep Fusion". Letzteres versetzt die Kamera mit Hilfe von Machine-Learning-Prozessen in die Lage, aus mehreren Einzelbildern mit unterschiedlicher Belichtungsdauer ein einzelnes, schärferes Foto zusammenzusetzen.
Einen umfangreichen Vergleich des iPhone 12 und iPhone 12 Pro mit dem Vorjahresmodell können Sie hier nachlesen. Wer nur die Kurzfassung möchte: Das iPhone 12 macht tagsüber brillante, detailreiche Bilder, die jedoch nur marginal besser sind als beim iPhone 11 Pro. So sind Haarsträhnen etwas strukturierter und Hintergrunddetails besser erkennbar, Gesichter werden etwas besser ausgeleuchtet. Im Dunkeln kann die Kamera dagegen die Muskeln spielen lassen, vor allem die Ultraweitwinkelkamera profitiert vom Nachtmodus. Die Bilder in der nachfolgenden Vergleichsfoto-Strecke stammen vom iPhone 12 Pro. Da die Kamera bis auf den Lidar-Sensor aber identisch ist, lassen sich die Ergebnisse aber zum größten Teil auch auf das iPhone 12 übertragen.
iPhone 12 Pro vs. iPhone 11 Pro: Welches iPhone knipst im Dunkeln die besseren Bilder?

Bei der Selfie-Cam bleibt technisch alles beim Alten. Allerdings ermöglicht der schnellere Prozessor nun auch hier Nacht-Selfies.
Videos: Zeitraffer bei Nacht
Wer mit seinem Smartphone häufig filmt, dürfte sich über die Integration von Dolby Vision freuen. "Für Videos auf dem iPhone 12 ist das ein großer Schritt", sagt Kilian von "iknowreview". Er ist einer der bekanntesten Tech-Youtuber Deutschlands, sein Kanal hat 376.000 Abonnenten. "HDR-Aufnahmen waren beim iPhone bislang nicht machbar. Jetzt ist das nicht nur möglich, sondern auch in der bestmöglichen Qualität. Die Ergebnisse sind beeindruckend. Vor allem wenn man bedenkt, dass Dolby-Vision-Aufnahmen nur zehn Prozent größer sind."
Für professionelle Youtuber wie ihn bedeute die Integration von Dolby Vision eine große Zeitersparnis, erklärt er weiter. "Normalerweise ist es ein Riesenaufwand, Dolby Vision mit Profi-Software wie Final Cut zu realisieren. Dass das iPhone das direkt umrechnet, ist krass."
Eine neue Funktion sind Zeitraffer-Videos, die nun auch im Nachtmodus aufgenommen werden können. "Filmt man fahrende Autos, ziehen diese Lichtstreifen - ein cooler Effekt. Man muss nichts einstellen, das iPhone macht alles von selbst. Klar rauschen die Bilder etwas. Aber man darf nicht ausblenden, dass es sich immer noch um ein Smartphone handelt." Insgesamt sei das iPhone für Filmaufnahmen immer noch die beste Kamera, ist er überzeugt. "Denn es unterstützt 4K mit 60 Bildern pro Sekunde auf allen Linsen, sogar im Ultraweitwinkel."

Zubehör: Magsafe und Ladestecker
In der Rückseite des iPhone 12 steckt ein für das Auge unsichtbarer Magnet. Dieser ermöglicht eine Reihe von praktischem Zubehör, die Apple unter der Marke Magsafe vermarktet. So bietet der Hersteller eine drahtlose Ladestation, auf welcher sich das iPhone automatisch arretiert. Es dürfte damit endlich der Geschichte angehören, dass man morgens vor der Ladematte steht und frustriert feststellt, dass der Akku nicht geladen wurde, nur weil das Telefon zwei Millimeter zu weit links lag. Weiterhin gibt es einen andockbaren Halter für Geldkarten und klassische Schutzhüllen mit Magnethaftung. Ich bin gespannt, was sich Dritthersteller noch werden einfallen lassen. Der Hersteller Peak Design hat gestern bereits vielversprechende Auto- und Fahrradhalterungen sowie Stative und Gimbals mit Magsafe-Anschluss vorgestellt.
Einen klassischen Netzstecker legt Apple diesmal übrigens nicht bei - und begründet das mit dem Umweltschutz. Schließlich stapeln sich Unmengen von Netzteilen ungenutzt in Schubladen, auch in meinen. Mit dem iPhone 12 kommt daher nur ein Ladekabel mit dem modernen USB-C-Anschluss auf der einen und Apples Lightning-Stecker auf der anderen Seite. Wer noch ein altes iPhone-Netzteil hat, kann damit auch sein iPhone 12 laden, mit dem neuen Kabel lässt es sich auch mit den neueren Ladegeräten für iPad oder Macbook verbinden.

Fazit: Wer braucht da noch ein Pro?
Neuer Look, besserer Bildschirm und eine mächtigere Kamera: Apple hat beim iPhone 12 an vielen Stellschrauben gedreht. Bemerkenswert ist vor allem, dass es kaum noch Unterschiede zum teureren Pro-Modell gibt. Denn die Kern-Features - schnellerer Prozessor und 5G-Unterstützung - sind identisch. Wer auf einen Edelstahl-Rahmen im Gehäuse und ein paar Kamera-Funktionen verzichten kann, für den gibt es wenige Gründe, 250 Euro mehr für das iPhone 12 Pro auszugeben.
Erwähnenswert ist, dass Apple die Preise verändert hat. Das iPhone 11 kostete seinerzeit ab 799 Euro, diesen Preis hat Apple auf das demnächst erscheinende iPhone 12 Mini übertragen, welches die gleiche Ausstattung wie das "normale" 12er bietet. Das iPhone 12 kostet in der 64-Gigabyte-Variante mit 876 Euro dagegen rund zehn Prozent extra. Damit liegt es auf einem ähnlichen Niveau wie seinerzeit das iPhone XR, das vor zwei Jahren auf den Markt kam.
Wer bereits ein iPhone 11 besitzt, hat keinen Grund zu wechseln, außer man möchte unbedingt 5G oder das neue Design. Wer jedoch ein älteres Modell besitzt und über einen Wechsel nachdenkt, bekommt ein rundes Gesamtpaket, das dank 5G und schnellem Prozessor viele Jahre durchhalten dürfte. Eine aktuelle Alternative im Android-Universum ist das kürzlich erschienene OnePlus 8T (600 Euro).
Hier finden Sie den ausführlichen Test zum iPhone 12 Pro
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