Ab nach Dänemark, Samenspende kaufen und - zack! - fertig ist das Wunschkind.
Eine Bekannte von mir ist Anfang 30, Feministin, beruflich erfolgreich, finanziell unabhängig, attraktiv. Sie wünschte sich schon lange ein Baby, hatte aber keine Lust, einen Mann in diese sehr persönliche Entscheidung zu involvieren. "Ich will nicht, dass mir jemand in die Erziehung reinquatscht", meinte sie. Das würde alles nur verkomplizieren. Sie wolle lediglich ein Kind, keine anstrengende Beziehung. Also recherchierte sie kurzerhand im Internet und fand schließlich heraus, dass frau sich in Dänemark für ca. 8000 Euro unkompliziert und schnell in speziellen Kliniken für Singles und lesbische Paare befruchten lassen kann.
Einfacher als Tinder
Meine Freundin hat sich ihren Samenspender ganz bequem in einer Online-Datenband ausgesucht. Dabei ging sie knallhart nach der Optik. "Fast wie bei Tinder", scherzte sie.
Schwanger wurde meine Freundin gleich beim ersten Versuch, weil sie mit 32 noch sehr jung ist. Ihr Baby kommt im Dezember zur Welt.
Einen One-Night-Stand oder aktuellen Lover für ihr Vorhaben zu "benutzen", kam für meine Freundin nicht in Frage, weil sie als gefragte Interieur Designerin beruflich ständig zwischen Paris, London und Berlin hin- und herpendelt. Ihr Kind will sie immer bei sich haben. "Das hätte einem liebenden Vater, der nicht mein Partner ist und einen festen Wohnort hat, nur wehgetan. Dafür habe ich keine Nerven." Fest binden möchte sie sich im Moment nicht. "Ich genieße meine Freiheit und mehrere lockere Affären."
Nun kann man darüber streiten, wie cool es ist, ein Kind in die Welt zu setzen, ohne dass dort ein liebender Vater auf es wartet. Natürlich sind Kinder mit zwei Elternteilen nicht automatisch glücklicher. Eine liebende Singlemom, die ihrem Kind alles bieten kann, ist etwas Wunderbares. Sowieso gibt es immer weniger stabile Ehen, unsere Beziehungen werden kürzer, die Kinder sehen neue Partner der Elternteile kommen und gehen.
Schöne Überraschung
Allerdings frage ich mich, ob meine Freundin ihrem Kind irgendwann die Wahrheit über seine Entstehungsgeschichte erzählen wird. Ein schräges Szenario, dass es am 18. Geburtstag plötzlich heißen könnte: "Spätzchen, du bist nun alt genug, um zu erfahren, dass sich die Mama deinen Erzeuger mal aus einem Katalog ausgesucht hat." Na, Prost, Mahlzeit.
Davor warnen übrigens auch die dänischen Kliniken auf ihres Websites: "Denken Sie gründlich darüber nach, was sie Familie, Freunden und Bekannten erzählen und wie sie Kindergärtnern und Lehrern die Lage des Kindes erklären." Zu diesen Themen gibt es in Dänemark deshalb unzählige Kinderbücher, niedlich illustriert, mit Titeln wie "Wo ist Karlas Vater?" Trotzdem sollte man das Ganze auch nicht verharmlosen, denn ein bisschen gruselig finde ich es schon, wenn wir Menschen uns so krass in die Natur einmischen. Egal, wie schön das Endergebnis ist.

Henriette Hell: Love from Hell
Henriette Hell wurde 1985 geboren und arbeitet als Journalistin/Autorin in Hamburg und unterwegs auf ihren Reisen rund um den Globus. Ihr Buch "Achtung, ich komme! In 80 Orgasmen um die Welt" ist 2015 erschienen und wurde prompt zum Bestseller. 2017 folgte "Erst kommen, dann gehen – Die Sexbibel fürs 21. Jahrhundert". Henriette schreibt gerne, ehrlich und lässig über Sex, weil sie findet, dass das viel zu wenig Leute tun.
Schade auch, dass es vielen Leuten, die tolle Eltern wären, oft so schwer gemacht wird, ein Kind zu adoptieren.
Grundsätzlich ist es natürlich wunderbar und richtig, dass Frauen mit ihrer Gebärmutter machen können, was sie wollen und es uns die Wissenschaft und Gesetzeslage in 2018 ermöglichen, uns allein und komplett selbstbestimmt den Traum von einem Baby zu erfüllen. Es befreit uns von dem Druck, bis zu einem bestimmten Alter "den Richtigen" gefunden haben zu müssen, um uns einen Kinderwunsch zu erfüllen. Oder aber frau hilft einem alleinstehenden Mann aus, indem sie als Leihmutter sein Baby austrägt. Denn auch Männer können sich so "ganz entspannt" ihren Kinderwunsch erfüllen, ohne Angst vor einem Sorgerechtsstreit haben zu müssen. Allerdings geht das längst nicht so unkompliziert, schnell und günstig wie bei meiner Freundin in Dänemarkt. Das war ja fast schon ein Baby "to go".
An männlichem Einfluss wird es dem Baby meiner Freundin im Übrigen nicht mangeln. "Ich plane, einen älteren Herren als Nanny einzustellen", erzählte sie mir. Außerdem möchte sie gleich zwei ihrer besten Freunde, ein entzückendes schwules Pärchen aus Paris, gerne zu den Patenonkeln ernennen.
Ende der Anonymität
Auch die bisexuelle französische Sängerin und Gucci-Muse Soko dokumentiert seit Monaten stolz ihre Schwangerschaft auf Instagram. Das war eine ziemliche Überraschung für ihre Fans, denn immerhin datete die Ex von Hollywoodgöttin Kristen Stewart in den letzten Jahren hauptsächlich Frauen. Über den Vater des Kindes ist bisher nichts bekannt, aber angeblich soll auch bei ihr bloß ein Kumpel "ausgeholfen" haben.
Wichtig für alle Männer: Seit Juli gilt das neue Samenspendergesetz, welches es Spenderkindern ermöglicht, beim zentralen Samenspenderregister Auskunft über ihre eigene Identität zu erhalten. Die Daten von Samenspendern und Empfängerinnen in Zusammenhang mit einer ärztlich unterstützten künstlichen Befruchtung werden dort ab sofort für 110 Jahre gespeichert.
Männer dürften es sich daher in Zukunft zweimal überlegen, ob sie sich auf diese vergnügliche Art ein paar schnelle Euros (ca. 100 Euro pro Spende, im Ausland z. T. deutlich mehr) dazu verdienen möchten ...