Ob Pippi Langstrumpf oder Harry Potter, das Sams oder Ritter Rost: Viele Figuren tummeln sich schon seit Jahrzehnten in deutschen Kinderzimmern. Doch so spannend die Abenteuer der starken Mädchen und blitznarbigen Zauberer auch sein mögen - der Traum vieler Kinder ist es, selbst einmal Teil des Gute-Nacht-Buches zu sein.
Mit personalisierten Kinderbüchern ist das möglich: In einer Art Online-Baukasten können Eltern der Hauptfigur einer Geschichte nicht nur einen neuen Namen geben, sondern auch das Äußere so anpassen, dass sich der eigene Nachwuchs darin wiedererkennt. Die veränderbaren Details reichen dabei von der Haarfarbe über Brille und Sommersprossen bis hin zur Farbe der Lieblingsmütze.
Florierendes Geschäft mit dem Unikat
Einer der Anbieter, der sich auf personalisierte Kinderbücher spezialisiert, ist das Schweizer Start-up Librio. Die junge Firma mit Sitz in Zürich, gegründet im Mai 2017, hat in den vergangenen zweieinhalb Jahren knapp 40.000 Bücher verkauft. Das erfolgreichste Produkt ist ein Wimmelbuch, in dem das Kind berühmte Orte der Welt bereist, darunter Venedig, die ägyptischen Pyramiden und natürlich die Schweizer Berge – es ist eine Art internationale Version von "Wo ist Waldo?".
40.000 Bücher sind ein Achtungserfolg – aber nicht genug, damit alle fünf Gründer von den Einnahmen leben können. Derzeit ist die Firma komplett privat finanziert. "Das Ziel ist es, dieses Jahr den Break Even zu erreichen", sagt Hess im Gespräch mit dem stern. Heißt im Klartext: Am Ende des Jahres muss eine schwarze Zahl unter der Bilanz stehen.
Deshalb expandiert das Unternehmen nun verstärkt in weitere Länder, darunter Deutschland. Während Librio den Markt in der Schweiz selbst erschaffen hat, gibt es hier aber schon etablierte Mitbewerber. Das Hamburger Unternehmen Framily verkaufte etwa allein im vergangenen Jahr dank einer Kooperation mit populären Marken wie "Peppa Pig" oder "Bibi und Tina" hierzulande eine sechsstellige Zahl individualisierter Kinderbücher. Das weltweite Vorbild ist das britische Unternehmen Wonderbly, das seit 2012 mehr als vier Millionen Bücher verkauft hat und in das unter anderem der Spiele-Gigant Ravensburger investierte. Mit HurraHelden aus Slowenien stößt ein weiterer Player auf den deutschen Markt.
"Die Hauptunterschiede zu den obigen Produkten sind, dass Librio in erster Linie nachhaltige und qualitativ hochwertige Bilderbücher herstellt, die in zweiter Linie personalisierbar sind. Unsere Konkurrenten verfolgen im Vergleich den umgekehrten Ansatz: Sie erstellen in erster Linie ein personalisierbares Geschenk, das in zweiter Linie ein Bilderbuch ist", erklärt Hess.
Durchbruch in Deutschland
Während der deutsche Buchmarkt im Allgemeinen schwächelt (im vergangenen Jahr wurden 2,3 Prozent weniger Bücher verkauft), wächst das Segment der Kinder- und Jugendbücher. Lukrativ sind vor allem hochpreisige Produkte – dazu gehören personalisierte Kinderbücher. Sie kosten in der Regel um die 30 Euro pro Stück. Viel Geld für ein Buch, doch die Zielgruppe schaut in der Regel nicht auf den Euro: "Unsere häufigsten Kunden sind Patentanten zwischen 25 und 45 Jahren."
Während der Weihnachtszeit sei die Zielgruppe noch größer, "da verkaufen wir an alle, die Kinder in ihrem Umfeld haben“, erklärt Hess. "Unsere Produkte werden von Menschen gekauft, die Plastik vermeiden wollen und denen Nachhaltigkeit wichtig ist." Um sich von der Konkurrenz abzuheben, setzt Librio auf Bücher aus recyceltem Papier und spendet Bücher für soziale Projekte. "Ein modernes Unternehmen sollte sich seiner sozialen und ökologischen Verantwortung bewusst sein."
Und noch etwas macht Librio anders: Die Firma setzt nicht auf bekannte Marken, sondern auf eine individualisierte Sprache. "In der Schweiz ist das sehr wichtig, die Menschen dort sind stolz auf ihre Dialekte“, so Hess. Zu Beginn brachte man das Buch in vier Schweizer Dialekten auf den Markt, das war ein Novum am Markt. Mittlerweile gibt es neun Schweizer Mundarten. In Deutschland gibt es neben Hochdeutsch eine Variante für Köln und in Bairisch. "Die meisten Bilderbücher sind in Hochdeutsch gehalten, aber viele Eltern reden so zuhause gar nicht mit ihren Kindern. Deshalb wirkt es viel authentischer, wenn das Buch in der Sprache der Eltern gehalten ist."
Weg vom Weihnachts-Hype
Ein Faktor, den Hess und sein Team unterschätzt haben: Kurz vor Weihnachten brummt das Geschäft - im vergangenen Jahr verkauften sie bereits knapp 1000 Bücher pro Tag -, den Rest des Jahres dagegen ist die Bestellmenge überschaubar. Um die Saisonalität zu reduzieren, arbeitet das Team derzeit an einem Buch für Babys, das direkt zur Geburt geschenkt werden kann. Bezogen auf die Geburten pro Tag ist der September der stärkste Geburtsmonat. Nach den absoluten Zahlen kommen hierzulande im Juli und August die meisten Kinder auf die Welt. Zuwächse erhofft sich das Team außerdem von einem jüngst veröffentlichten Duo-Buch, an dem 18 Monate gearbeitet wurde und das man für Geschwister oder beste Freundinnen anfertigen kann.