Ökotreibstoff Pack die Pflanze in den Tank

Von Christoph M. Schwarzer
Wenn eine Milliarde Chinesen Auto fahren wollen, wird der Sprit knapp. Ein Lösungsansatz für das Ölproblem sind Biokraftstoffe. Aber Sundiesel und Co. sind nicht problemfrei. stern.de berichtet über knappes Ackerland, Steuerlast und Öko-Kritik.

Tanken tut weh. Und am Horizont droht in Gestalt steil aufstrebender Länder wie China, Indien oder Iran eine neue Schmerzwelle an der Zapfsäule: Dort beginnt die Massenmotorisierung. Die ständig steigende Nachfrage hat den Rohölpreis auf fast 80 Dollar getrieben. Gute Nachrichten für die deutschen Produzenten von Biosprit; jetzt werden sie zur Konkurrenz für arabische Ölscheichs und russische Ölbarone - oder nicht?

"Nein, absolut nicht", erklärt Matthias Rudloff, "aber wir sind eine Alternative und Ergänzung". Rudloff ist Leiter der Unternehmensentwicklung bei Choren Industries, dem Produzenten von Sundiesel und damit dem prominentesten Hersteller von Biokraftstoffen der zweiten Generation. Das Lob scheint grenzenlos: Sundiesel ist schwefelfrei und so sauber, dass ein Euro 3-Diesel einfach so und ohne Umbau die Euro 4-Norm schafft.

Und Sundiesel verspricht den im Vergleich zu anderen Ökosprits höchsten Ertrag pro Hektar Land. Choren schätzt, dass allein mit der Nutzung der Stilllegungsflächen 13 Prozent des deutschen Dieselbedarfs gedeckt werden können. Ein schöner Traum angesichts der Realität. Frühestens 2011 wird Sundiesel in größerem Maßstab produziert.

Steuerlast für gelbe Rapsfelder

Bis dahin bestellen die Freunde des Raps' das Feld. Im Gegensatz zu Sundiesel sind Biodiesel - im Fachjargon Rapsmethylesther (RME) genannt - und reines Rapsöl bereits alltägliche Realität. Nach dem Boom der letzten Jahre, in dem viele Speditionen ihre Laster auf den Betrieb mit Pflanzenkraft umgerüstet haben, folgte die Ernüchterung: Der Staat besteuert jetzt auch Biokraftstoffe. Den Anfang machen neun Cent pro Liter, und bis 2012 kommen jedes Jahr sechs Cent dazu. Damit soll der Entwicklungsdruck auf die Produzenten erhöht und eine Übersubvention vermieden werden, wie sie oft im Bereich der Photovoltaik kritisiert wird.

Diese Politik hat inzwischen etliche Biodiesel-Macher den finanziellen Kopf gekostet. Petra Sprick, Geschäftsführerin des Verbandes der deutschen Biokraftstoffindustrie, plädiert für ein weniger starres Steuermodell, dass sich am Markt orientiert. "Das Problem für die mittelständischen Biodiesel-Produzenten sind vorübergehende Preiseinbrüche." Ab einem Rohölpreis von etwa 100 Dollar, so Sprick, wäre jede steuerliche Förderung überflüssig. Etwa fünf Prozent des Diesels in Deutschland kommt bereits aus Pflanzen, Tendenz steigend. Anders als beim Sundiesel ist Biodiesel also eine Wirklichkeit, die jeder Fahrer eines Selbstzünders wegen der Pflichtbeimischung schon im Tank hatte.

Kritik von Umweltfachleuten

Pack die Pflanze in den Tank. Das klingt zuerst gut. "Biomasse sollte aber effizient eingesetzt werden", fordert Thorben Becker, Energiereferent beim B.U.N.D. Sein Argument: Die Ackerflächen sind begrenzt, und darum ist Biosprit wertvoll. Ein Automotor wandelt aber kaum mehr als 30 Prozent der Energie in Vortrieb um. Der Rest verpufft meistens als Abwärme. "Besser und wirkungsvoller wäre die Verwendung in Kleinkraftwerken, die Strom fürs Netz und Wärme zum Heizen produzieren." In die gleiche Kerbe schlägt Björn Pieprzyk von der Informationskampagne Erneuerbare Energie. Teilelektrische Autos, die am Stromnetz aufgeladen werden, so genannte Plug-In-Hybride, und vollelektrische Fahrzeuge würden die aus der Pflanze gewonnene Energie in Zukunft effizienter nutzen. Für die Gegenwart hält Pieprzyk Biodiesel aus Raps und Biogas aus Mais für die sinnvollste und praktikabelste Lösung zur individuellen Fortbewegung. Auch der Kritik, beim Raps würde nur aus der Blüte Öl gewonnen und der Rest weggeschmissen, tritt er entgegen: "Der Rapsschrot ist ein wertvolles Futtermittel", erklärt er. Außerdem fällt Glycerin als Rohstoff für die Pharmaindustrie an, was den Flächenverbrauch zusätzlich relativiert.

Konkurrenz innerhalb der Biokonzepte

Überhaupt dreht sich die aktuelle Diskussion mehr um die Vor- und Nachteile der verschiedenen Biokraftstoffe als um den Wettbewerb mit dem Mineralöl. Wegen des begrenzten Ackerlands tritt dabei vor allem der Ertrag an Energie pro Hektar Land in den Vordergrund. Die Mineralölkonzerne schielen angeblich bereits in die Ukraine und nach Rumänien, um dort billige Anbauflächen für die Biomasseproduktion nutzen zu können. Aber egal ob in Osteuropa oder in Deutschland, der Zwang zur Fruchtfolge setzt den Landwirten Grenzen. Raps zum Beispiel kann nur alle vier Jahre auf einem Feld angepflanzt werden.

Die Bauern verdienen sich also bisher keineswegs eine goldene Nase. Die bleibt vorerst bei denen, die das Rohöl unter ihren Füßen haben und es anders als die bedauernswerten Iraker oder Nigerianer auch selbst verkaufen können. Auf dem Weg zur Unabhängigkeit sind Biokraftstoffe eine Teillösung, die dazu auch noch deutlich zur Reduktion des CO2-Ausstoßes beiträgt. Für den deutsche Autofahrer, der zum Beginn der Sommerferien wieder ungläubig auf die Preise starrt, bleiben nur der Griff zum sparsamen Wagen oder der Verzicht.

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