Als vor drei Jahren die Elbphilharmonie in Hamburg eröffnete, witterten Gastronomen gute Zeiten. Das Konzerthaus würde Touristen in die Stadt locken - und die haben Hunger. Es fühlte sich gewissermaßen wie der Startschuss für eine bunte Gastrowelt in der Hansestadt an, die es mit den großen Städten wie Berlin, London und New York City aufnehmen will.
In dieser Zeit ist viel passiert, immer mehr spannende Gastro-Konzepte haben es auf den Plan geschafft, die Restaurantwelt in Hamburg wurde bunter. Aber genau die ist jetzt in Gefahr. Wegen der aktuellen Corona-Krise droht vielen Restaurants die Insolvenz. Mit einem offenen Brief appellieren mehr als Hundert Hamburger Gastronomen an den Senat und an Hamburgs Oberbürgermeister Peter Tschentscher: "Helfen Sie uns - sonst sind wir weg".
Wie dringlich die Situation ist, schreiben die Initiatoren des Briefs gleich vorweg: "Bitte sprechen Sie mit uns. Während die Tage verstreichen, sind wir Gastronom*innen und Hoteliers dabei, unterzugehen. Wir haben keine Mittel mehr zur Verfügung, um unsere Existenz aufrecht zu erhalten und fühlen uns im Stich gelassen."
Urheber dieses Briefs sind Koral Elci, Gründer von "Kitchen Guerilla", Patrick Rüther, Mitgründer der "Bullerei" und Johannes Riffelmacher von "Salt&Silver". Gemeinsam verfassten sie die wichtigsten Punkte, was Restaurantbetreiber jetzt brauchen - und was sie sich von der Politik wünschen. "Wir konnten nicht einfach untätig herumsitzen und warten", sagt Koral Elci im Gespräch mit dem stern. "Wir haben eine Facebook-Gruppe 'Gastronomie und Hotellerie in Deutschland' ins Leben gerufen und den Brief verfasst. Innerhalb weniger Stunden haben die Seite über 1500 Leute gelikt. Hunderte aus der Gastronomie unterstützen unseren offenen Brief - jetzt auch schon deutschlandweit."
Soforthilfen statt Überbrückungskredite
Die Gastronomen wünschen sich Soforthilfen, denn Überbrückungskredite würden nur für Aufschub sorgen: "Bitte bedenken Sie", adressieren sie an den Senat: "In der Gastronomie und in der Hotellerie gibt es keinen Nachholeffekt. Ein Essen, das wir heute nicht verkaufen, wird in zwei Monaten auch nicht verkauft. (...) Die Kosten aber türmen sich auf. Diese Rechnung geht nicht auf!".
Um überhaupt weiterzumachen - und nicht vor dem Existenzaus zu stehen, fordern die Gastronomen:
- Sofortige und 100-prozentige Kostenübernahme aller Bruttogehälter (Vollzeit und Teilzeit) – denn ohne Trinkgeld reichen 60 Prozent Kurzarbeitergeld nicht aus
- Fortzahlungen aller ausgefallenen Arbeitsstunden für unsere Minijobber*innen und studentischen Aushilfen
- Steuernachlässe anstelle von Stundungen und Aufschiebungen
- Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 01.03.2021
- Rechtlichen Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund von Dauerschuldverhältnissen (Miet-, Leasing- und Kreditverträge)
In den sozialen Netzwerken erhalten der Brief und die Forderungen viel Zuspruch. Auch Gastronomen aus anderen Bundesländern wünschen sich einen Appell wie diesen für ihre Politiker. Da Deutschland ein föderalistischer Staat ist, wird alles auf Bundesland-Ebene entschieden. Dennoch: Elci und seine Kollegen wollen deutschlandweit aufrütteln und haben eine Online-Petition unter diesem Link an die Bundesregierung verfasst.