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Zwei-Zutaten-Gericht Congee - von diesem Geheimnis wissen nur wenige (bis auf ein paar Milliarden Asiaten)

Congee
Congee ist Reisbrei, hier mit Bratpilzen, Koriander, Zwiebelgrün und Chili
© Wolfgang Schardt
Congee, ist nichts anderes als Reisbrei. Dafür wohlschmeckend, sättigend und günstig. Asiaten wissen schon längst von diesem kleinen Geheimnis mit nur zwei Zutaten.

Brei hat keinen guten Ruf. Brei isst man als Kind und später, wenn man Pech hat, bei Krankheit oder greiser Zahnlosigkeit. Trotzdem empfehle ich einen Reisbrei, der sich auf chinesischen Speisekarten unter dem Namen Congee findet, gesprochen Kondschi. Er verdient, auch bei uns bekannt zu sein, denn Achtung: Er macht reich. Das Gericht ist von Japan über China und Südostasien bis nach Indien beliebt. Und weil das seit Jahrtausenden so ist, muss etwas dran sein an der Sache.

Ich mag und mache Congee, weil er mir zu Herzen geht, ich seufze beim Essen auf. Das Zuherzengehende beruht darauf, dass der Körper die im Reisbrei gelösten Kohlenhydrate widerstandslos aufnimmt. Und auch wenn der Brei selbst fade ist, lässt er sich doch mit geringen Mitteln aufbrezeln.

Eine Hürde hat unser Gericht: Wir brauchen dazu Klebreis. Klebreis verhält sich zu körnigem wie mehlige zu festkochenden Kartoffeln – es sind zwei Welten. Körniger Reis (z. B. Basmati) ist ungeeignet, denn selbst wenn er vollständig zerkocht, fehlt ihm die gewünschte schlüpfrig-quillerige Natur (ich hab’s ausprobiert).

Klebreis wird international vertrieben, auf den Packungen kann er auch Sticky rice oder Glutinous rice heißen (auch wenn er kein Weizen-Gluten enthält), Kleefrijst (in holländischen Geschäften) oder Riz gluant (in französischsprachigen Ländern). Städter bekommen ihn im Asia-Laden, Landbewohner per Post via Internet. 

Ein Gericht aus nur zwei Zutaten

Die Zubereitung ist denkbar einfach. Ich gebe 1 Teeschale Klebreis (130 g im Gewicht, 150 ml im Volumen) in einen Topf, füge die zwölffache Menge Wasser zu, koche kurz auf, schalte dann auf die schwächstmögliche Hitzestufe herunter, lege den Deckel so auf, dass der Dampf entweichen kann, und lasse quellen. Wie lang? Ist fast egal, eine Stunde mindestens, problemlos auch zwei. Denn da der Reis sich während der Zeit ohnehin trüb schillernd gänzlich auflöst, brauche ich ihn nicht zu bewachen. Bequemer geht’s nicht.

Ich begegnete Congee, als ich in Vancouver für elf Dollar die Stunde im Polizeipräsidium in der Nachtschicht Messing putzte (in Nordamerika prunken hoheitliche Gebäude gern mit Messing – Behördenschilder, Türen und Treppengeländer sind darum tagtäglich, besser noch nachts, auf Hochglanz zu polieren). Mittagspause war für mich so um zwei Uhr früh, und in den Nachtlokalen des nahen Chinesenviertels, wo ich aß, war Congee der Renner. Damals zog ich noch Nudelsuppen vor, Brei war mir suspekt. Doch als ich 2014 Vancouver erneut besuchte, entdeckte ich bei einem Chinesen Congee auf der Karte und bestellte ihn endlich voller Neugier.

Zu meiner Überraschung war er völlig fad: Tatsächlich nichts als Glibber war in meiner Schale, und der war auch noch ungesalzen. Ebenso überraschend aber war: Fügte man ihm auch nur eine kleinste geschmacksgebende Petitesse hinzu (klare Fischsauce, ein paar Pilze, etwas Schnittlauch oder ein wenig Chili), brachte der Reisbrei die Zufügungen geradezu zum Leuchten – die Speise wurde sofort seltsam interessant. In Vancouver aß ich die ganze Schüssel leer, ohne der Sache satt zu werden – um in der Folge dann für Stunden satt zu bleiben.

Die Freude der Sparsamen

Dies ist sicher einer der Gründe für die ungeheure und ewige Popularität des Gerichts. Es sättigt, es tut dies lang anhaltend und kostet dabei so gut wie nichts. Darum auch macht Congee reich! Gemäß Henry Fords Diktum nämlich, wonach man nicht durch das Geld reich wird, das man verdient, sondern durch das, was man nicht ausgibt. Mit Congee lebt man irre sparsam. Das sollte in einer Gesellschaft der Sparfüchse und Knauser, denen Geiz als geil gilt, doch wohl ziehen.

Wie billig man sich mit Congee über lange Zeit ernähren kann, sei kurz vorgerechnet: 1 Kilo Klebreis kostet etwa 3 Euro (ein 20-Kilo-Sack, dies nur nebenbei, 50 Euro). 12 Teile Wasser auf 1 Teil Reis erscheint zunächst unmöglich viel, stimmt aber und beweist, wie irre hoch das Wasseraufnahmevermögen von Klebreis ist. Aus 1 Schale Reis von 130 g Gewicht und im Wert von 40 Cent werden beim Einsatz von 12 x 150 ml Wasser knapp 1,8 Liter Congee. Der sättigt vier Personen! Aber warum so kalkulieren?

Denken wir kurz nach. Ist die Welt zunehmend voller Irrer? Sie ist es. Ist es ausgeschlossen, dass finstre Hacker die Stromversorgung der Ballungszentren lahmlegen und unsere Tiefkühltruhen schmelzen? Ist es nicht. Kann es schaden, sich für eine wenig wahrscheinliche, aber nicht unmögliche Notsituation mit unverwüstlichen Nahrungsmitteln zu versorgen? Es kann nicht schaden, nein. Dies ist kein Preppertum, dies ist gesunde Skepsis im Verein mit Vernunft und Vorsorge.

Wie beruhigend: Ein Sack Reis, ein paar Kästen stilles Wasser, ein Campingkocher und ein paar Gaskartuschen im Keller vorgehalten, und wir trotzen jeder Krise.

Nun aber zum Geschmack. Ich rate, es den Chinesen gleichzutun und den Reis nicht zu salzen. Reis schmeckt auch so. Und 1–2 TL klare Fischsauce (s. u.) über den Brei getröpfelt sind ein kleines Feuerwerk für die Papillen. Ein wenig Schnittlauch oder Koriandergrün zusätzlich bewirkt Wunder, desgleichen Ringe frischer Chilischote.

Man kann beim Kochen des Reises auch angedrückte Ingwerwurzel, das Weiße von 1 Frühlingszwiebel sowie 1 Hühnerbein mitgaren, den Ingwer entsorgen, das Beinfleisch zerzupfen und zurück in den Reisbrei geben und gehacktes Zwiebelgrün drüberstreuen. In Streifen geschnittener kalter oder auch heiß geräucherter Stremellachs ist ebenso ein echter Bringer wie ein paar bunte gewürfelte Mangoldstiele.

Kommt Ihnen zu chinesisch vor? Schotten essen ähnlichen Brei, deren Congee ist aus Hafer und heißt Porridge. Und in Italien gibt es Polenta. Schon mal gehört? 

Zwei-Zutaten-Gericht: Congee - von diesem Geheimnis wissen nur wenige (bis auf ein paar Milliarden Asiaten)

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