Türkisches Gebäck Der Simit wird in Deutschland immer beliebter – was macht einen richtig guten Sesamkringel aus?

Hand hält einen Simit
In der Türkei ist der Simit längst ein Volksgebäck. In Deutschland entdecken ihn immer mehr Menschen für sich. 
© Pond5 Images / Imago Images
Den Simit, einen mit Sesam bestreuten Hefeteig-Ring aus der Türkei, findet man immer öfter in deutschen Bäckereien und Supermärkten. Das Gebäck besteht aus simplen Grundzutaten, die in Kombination gleich mehrere Geschmacksnuancen ergeben.

Der Duft nach Gebäck ist schon von weitem zu riechen und hat um sechs Uhr morgens bereits die ersten Kunden angelockt. Sevda Yildirim trägt ein Blech mit frischen Sesamkringeln in den wohlig-warmen Raum und stapelt sie gut sichtbar auf der Verkaufstheke. Der Simit, wie der Teig-Ring mit seiner goldgelben Kruste auf Türkisch heißt, ist die wichtigste Ware der Bäckerei – und hat dem Laden vor über 40 Jahren seinen Namen gegeben: Die "Simit Factory" in Hamburg-Barmbek sei die erste Bäckerei gewesen, die das türkische Volksgebäck in die Hansestadt gebracht hat, erzählt die Verkäuferin.

In der "Simit Factory" läuft der Ofen rund um die Uhr

In seinem Herkunftsland findet man den Simit an jeder Straßenecke, hierzulande hat er in den vergangenen Jahren stark an Beliebtheit zugelegt. Mittlerweile gibt es den Kringel auch in deutschen Bäckereien, manchmal sogar in den Gebäck-Auslagen von Lidl und Rewe. "Türkische Sesamkringel in Deutschland angekommen", titelt die Deutsche Presse-Agentur kürzlich einen Bericht über den Siegeszug des Simit. Den spürt man auch in der "Simit Factory", wo täglich mehr als hundert Exemplare über die Theke gehen. "Das geht ganz schnell – zack, zack, zack", sagt Sevda Yildirim. Der Ofen sei rund um die Uhr an, sodass der Chef-Bäcker jederzeit Nachschub liefern kann. Deshalb sind die Simits auch abends oft noch warm und frisch.

Simit liegen gestapelt
Der Simit ist ein ringförmiger Sesamkringel aus Hefeteig mit Sesamkörnern auf einer goldbraunen Kruste
© Laura Hindelang

Das Wort Simit bezeichnet im Türkischen eigentlich eine feine Art Bulgur. Die Bezeichnung für das Gebäck sei durch die Ähnlichkeit der Sesamkörner mit den kleinen Bulgurkörnern entstanden, zitiert der "Tagesspiegel" Orhan Tançgil, Gründer und Inhaber des Blogs "KochDichTürkisch". Die Menschen hätten dem Gebäck einen beschreibenden Namen verliehen: "Nach dem Motto ,schau mal, das sieht aus wie kleine Bulgurkörnchen’."

Wer den Simit als "türkische Brezel" oder "türkischen Bagel" bezeichnet, dem ist vermutlich noch nie ein richtig guter Simit untergekommen. "Den Bagel belegt man, den Simit dagegen selten. Der Simit hat keine Geschmackshelfer nötig, der Simit steht für sich", schreibt ein Autor der "Süddeutschen Zeitung" in einem fast schon poetischen Text über den Sesamkringel. Es ist seine Schlichtheit, die den Simit auszeichnet. Eine Schlichtheit, die man aber keinesfalls unterschätzen sollte. Das Handwerk ist laut Sevda Yildirim eine Kunst, für die zu erlernen man mehrere Jahre benötigt. "Man braucht viel Geduld und viel Zeit – unser Bäcker macht das jeden Tag drei bis vier Stunden lang", erzählt sie. Und das seit mehreren Jahrzehnten.

Zwei Teigschlangen ergeben die runde Form

Bei der Herstellung des Gebäcks werden zwei Teigschlangen zusammengedreht und zu einem Ring geformt. Dadurch entsteht der charakteristische Kringel. "Ich habe es versucht, meine waren aber nicht rund, sondern quadratisch", erinnert sich die Verkäuferin und lacht. Die runde Form ist "das typische Kennzeichen", erklärt Blogger Tançgil. Ursprünglich kommt das Gebäck ihm zufolge aber aus der Seldschukischen Küche, die mit einer alten muslimischen Herrscherdynastie verbunden ist.

Die klassische Ringform habe sich mit der Zeit entwickelt. Das Gebäck wurde häufig als Wegzehrung für Reisende verwendet und war in Ringform, gestapelt auf Holzstäben, einfacher zu transportieren ­ – so wurde aus dem Simit eine Art antikes Fast Food. Osmanische Soldaten sollen Sesamringe während des Ramadan sogar als Ersatzmahlzeit für die Schicht nach Sonnenuntergang eingepackt haben.

Die Grundzutaten des türkischen Gebäcks sind denkbar simpel. Für den Teig braucht es Mehl, Hefe, Wasser, Backmittel und je nach Rezept etwas Zucker, Salz oder Margarine. Die fertig gerollten Ringe werden anschließend in Pekmez, eine Art Traubensirup, getaucht. Eine essenzielle Zutat, betont Sevda Yildirim. Sie verleiht dem salzigen Gebäck eine leichte Süße. "Die Basis des Gebäcks ist ein Hefeteig mit leicht süßlichem Aroma", fasst es ein Rezept von Edeka zusammen. Die Sesamkörner, in denen der Kringel vor dem Backen gewälzt wird, steuern eine herbe Note bei.

Außen knusprig, innen etwas weicher

Die Bäckereiverkäuferin nimmt sich einen der Sesamkringel und zeigt auf die Stellen, an denen die Simit-Stränge miteinander verflochten wurden. Beim Backen treten sie weiß hervor und bilden das Ring-Muster. "Das zeigt, dass der Simit schön aufgegangen und nicht pappig ist", erklärt sie. Die Konsistenz ist mindestens genauso wichtig wie der Geschmack. Außen soll der Sesamring schön knusprig sein, innen fluffig – aber nicht zu weich. "Sonst ist er möglicherweise nicht durchgebacken", sagt Sevda Yildirim. Das Innere sollte sich leicht kross im Mund anfühlen.

Bäckereiverkäuferin hält einen Teller mit Simit
Wenn der Simit fachmännisch eingerollt wurde, erhält er seine typische Form. Die darf durchaus etwas ungleichmäßig aussehen – schließlich ist jeder Simit handgemacht.
© Laura Hindelang

"Knusprig" heißt der Simit wortwörtlich übersetzt in der türkischen Region Izmir: Dort ist das Gebäck auch unter dem Namen "Gevrek" bekannt. Zur Zeit des osmanischen Reiches – als der Simit erstmals aufkam – verbreitete sich der Sesamkringel über die Grenzen der Türkei hinaus. In vielen Ländern Südosteuropas ist der Simit als kulinarisches Überbleibsel erhalten geblieben. In Griechenland kennt man ihn als "Koulouri", in Bulgarien und Mazedonien als "Gewrek", in Serbien "Đevrek", in Rumänien als "Covrig".

Nur in seinem Herkunftsland hat der Simit jedoch den Status als Volksgebäcks inne – was nicht nur daran deutlich wird, dass es eine eigene Simit-Kammer gibt. Der Sesamkringel ist vor allem ein Teil der türkischen Kultur. Die "Süddeutsche Zeitung" nennt ihn den "kleinsten gemeinsamen Nenner": Es essen ihn Arme wie Reiche, Gläubige wie Ungläubige, Kurden wie türkische Nationalisten. Selbst Präsident Recep Tayyip Erdogan hat eine Verbindung zum Simit: Er soll die Sesamkringel in seiner Jugend auf den Straßen von Istanbul verkauft haben.

Türkischer Kartoffelkuchen – Patatesli Kek
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© FOTOS: Wolfgang Schardt; Maria Grossmann (Styling); Roland Geiselmann (Foodstyling)
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In der Metropole ist der Sesamring auch heute noch allgegenwärtig. Auf den Istanbuler Straßen ist der Simit – genau wie früher – hauptsächlich bei mobilen Simitverkäufern ("Simitci" auf Türkisch) zu finden. Die roten Wägelchen stehen an jeder Ecke und gehören fest zum Straßenbild. Ab und an begegnet man auch Verkäufern, die die Kringel auf hölzernen Tabletts getürmt mit sich herumtragen. "Bei uns schmeckt der Simit wie in Istanbul", findet Sevda Yildirim.

Gut schmeckt der Simit, wenn er mit Gefühl gemacht ist

Viele, die in der "Simit Factory" einkaufen, seien Stammkunden und beschweren sich, dass das Gebäck in anderen Läden nicht schmecke, zu hart oder zu trocken sei. "Einige kommen auch aus anderen Städten hierher und sogar aus der Türkei", erzählt die Verkäuferin. Das seien in der Regel Menschen, die in Deutschland Urlaub machen, ihre Familie besuchen und manchmal auch mehrere Monate am Stück bleiben. "Die nehmen unsere Simits sogar mit zurück in die Türkei." Google-Bewertungen, die vom "besten Simit Hamburgs" oder einem "echten Geheimtipp" sprechen, geben Sevda Yildirim recht.

Was ist es, dass den Simit hier so besonders macht? "Es kommt drauf an, wie man ihn backt – und ob man seine Gefühle reinpackt", sagt die Verkäuferin. Der Chef liebe das Backen. Jeden Tag stehe er pünktlich um fünf Uhr morgens mit einem Lächeln im Gesicht in der Backstube. "Man muss diesen Willen und diese Lust haben. Das merkt man – es schmeckt anders." Dass der Sesamkringel auch bei den Deutschen immer gefragter wird, ist in der "Simit Factory" ebenfalls aufgefallen.

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Viele Kunden lehnen die klassischen Weißmehl-Brötchen, die im Regal neben dem Fladenbrot liegen, inzwischen ab und wollen ganz explizit den Simit, auch wenn er ein paar Cent mehr kostet. "Auch Menschen, die nicht aus der Türkei kommen, sagen Simit", bestätigt Ayşe Demir, Vorstandssprecherin des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: "Man nennt es beim Namen – wie Pide oder Döner." Das sei wichtig für die türkische Community, meint Blogger Orhan Tançgil. Die Dinge beim richtigen Namen zu nennen, helfe dabei, Identität zu schaffen. Kulinarische Erfolgsgeschichten wie der Simit erzählen auch davon, "wie die türkische Community seit den ersten Gastarbeiter-Zeiten über die Jahrzehnte angekommen ist", resümiert der "Tagesspiegel".

Den Simit isst man als Snack rund um die Uhr 

"Türkisches Essen ist oft fettig und schwer, der Simit ist aber leicht", erklärt sich Sevda Yildirim die Popularität des Gebäcks. In der Türkei isst man die Sesamringe meist zum Frühstück (mit Schafskäse, Tomaten, Oliven oder als süße Variante mit Marmelade und Obst). Noch öfter werden die Kringel jedoch als Snack – zu jeder Tageszeit – verspeist. Man kann den Simit zum Beispiel "morgens auf dem Weg zur Arbeit, für die Überfahrt auf dem Schiff von Asien nach Europa, zu einem Glas Çay (traditioneller Schwarztee)" genießen, schlägt die "Istanbul Tourist Information" vor.

Simit-Verkäufer am Bosporus in Istanbul
Der Simit das wohl beliebteste Street Food in der Türkei
© Pond5 Images / Imago Images

In der Türkei gibt es den Simit inzwischen in zahllosen Varianten, vom belegten Kringel bis hin zur gefüllten Teigtasche. Sevda Yildirim schneidet den Sesamring am liebsten in der Mitte durch, brät eine Hälfte in der Pfanne an und gibt dann Eier, Sucuk (türkische Knoblauch-Wurst) und Gouda dazu, bevor sie das Ganze wendet und die zweite Simit-Hälfte darauflegt. "Aber er passt auch zum Picknicken oder zum Grillen, mit Dip und mit Oliven", erzählt die Verkäuferin. Oft schmeckt der Simit aber in seiner ursprünglichsten, simpelsten Form am besten: frisch, warm und pur auf die Hand.

Quellen: Deutsche Presse-AgenturEdeka, "Geo", "Istanbul Tourist Information", "Süddeutsche Zeitung" (I), "Süddeutsche Zeitung" (II), "Tagesspiegel"

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