Irgendwann zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr übertreten Menschen in westlichen Industriestaaten eine unsichtbare Schwelle: Von diesem Zeitpunkt an müssen sie damit rechnen, dass ihre Vergangenheit länger währt als ihre Zukunft, dass ihnen der Todestag näher ist als der Tag ihrer Geburt. Sie haben – statistisch betrachtet – die Mitte ihres Lebensweges erreicht oder sogar bereits überschritten.
Dieser Zeitpunkt markiert den Zenit einer Lebensphase, die für viele Menschen inzwischen der längste Abschnitt ihrer Biografie geworden ist: die Jahre nach dem Erwachsenwerden und vor dem endgültigen Altern.
In Deutschland ist es binnen 130 Jahren gelungen, die durchschnittliche Lebenserwartung mehr als zu verdoppeln – vor allem dank der Fortschritte in der Medizin, besserer Ernährung und höherer Bildung. Nach und nach hat sich vor allem die Zahl jener Jahre erhöht, in denen wir uns nicht mehr wirklich jung und doch noch lange nicht alt fühlen.
Dennoch beschäftigten sich Wissenschaftler meist nur mit unseren frühen und späten Jahren, mit Geburt, Kindheit und Jugend des Menschen, mit seinem Alter und Tod. Die mittleren Lebensjahre erschienen allzu selbstverständlich: Das Erwachsenwerden sei da ja schon abgeschlossen, glaubten die Forscher, und der Mensch durchlebe in jenen Jahren eine Phase der Konstanz. Sie galten als Gipfel des Daseins, als Zenit, dem gewissermaßen der Abstieg folgt – die Karriere stagniert, der Körper altert, die persönliche Zufriedenheit nimmt ab. Doch inzwischen haben Sozialwissenschaftler, Psychologen, Hirnforscher und Biologen einen anderen Blick auf die Lebensmitte.