Wer in Köln ein Symbol für funktionierendes Multi-Kulti finden will, geht am besten einfach ins Stadion nach Müngersdorf. Dort müht sich beinahe alle zwei Wochen die Auswahl des 1. FC Köln mehr oder weniger erfolgreich gegen Mannschaften der Fußball-Bundesliga. Zwischen den Pfosten steht ein Kolumbianer, vor ihm laufen ein Brasilianer, zwei Libanesen, ein Marokkaner, ein Slowene und ein Rumäne. Geht der Ball rein, umarmt und herzt sich die internationale Gemeinschaft, Christen und Muslime, als sei die Welt ein einziger Ort der Freude. Der Finanzchef des Teams sagte jüngst: "Ich denke, mit der Zusammenstellung unserer Mannschaft beweisen wir, wie tolerant und weltoffen der 1. FC Köln ist. Ausländerfeindliche Aktionen verurteilen wir in scharfer Form."
Ginge es nach dem Willen der Rechten, dürfte der FC in dieser Zusammenstellung wohl nicht mehr auflaufen. An diesem Wochenende kommen 1500 von ihnen an den Rhein, um beim internationalen "Anti-Islamisierungs-Kongress" Stimmung gegen Muslime zu machen. Sie reisen mit Bussen an aus Belgien und Frankreich und fahren in Kolonnen von Österreich über München nach Köln. Ihr Ziel ist es, aufzubegehren gegen den bereits genehmigten Bau einer Moschee der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) im Stadtteil Ehrenfeld.
Ausrichter des Spektakels ist die vom Verfassungsschutz beobachtete Bürgerbewegung "Pro Köln", die am Freitag ihren Besuchern bei einer Stadtrundfahrt den Bauplatz sowie andere muslimische Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigen möchte. Mit anschließenden Reden und Kundgebungen der rechtextremen Elite Europas möchte man beweisen, wie sehr der Islam doch das Herz der deutschen Toleranz-Metropole bereits zerfressen habe.
Auf Anhieb in den Stadtrat eingezogen
In der Tat hat der Streit um den Moscheebau die Stadt gespalten und "Pro Köln" fruchtbare Erde hinterlassen. Bei ihrem ersten Auftritt bei den Kommunalwahlen 2004 schafften die Bürgerbewegung auf Anhieb den Einzug in den Stadtrat und alle neun Bezirke. Nächstes Jahr will sie noch einmal zulegen. Auf Kosten der CDU. Denn die hat in Ehrenfeld bereits einige Mitglieder an die Rechten verloren und ist danach massiv ins Schlingern geraten.
Bei der Abstimmung vor drei Wochen hat die CDU gemeinsam mit "Pro Köln" gegen den Moscheebau gestimmt, um weitere Abwanderungswillige in den Reihen zu halten. Allein Oberbürgermeister Fritz Schramma (OB) hielt als einziges CDU-Mitglied der Ditib die Stange.
Am Samstagmorgen wird er nun vor historischer Domkulisse den Widerstand gegen die Anti-Islamisierer ausrufen. Das Stadtoberhaupt hat in den vergangenen Jahren hart mit den Türken gekämpft. "Es war nicht immer einfach", sagt er. Denn für seinen Einsatz trotzte er der Ditib Gegenleistungen ab. Sie musste sich verpflichten, Deutschkurse zu geben, Integrationsveranstaltungen abzuhalten und sich generell zu öffnen. "Ich habe ihnen gesagt, dass wir sie unter Beobachtung haben." Schramma weiß, wie schwierig sein Spagat der Bevölkerung zu vermitteln ist. Denn die Türkei selbst hat im nationalistischen Übereifer immer wieder die Interessen der Kölner Landsleute torpediert.

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Erdogan trat im Stadion auf
Anfang des Jahres forderte der türkische Ministerpräsident Tayyip Recep Erdogan vor 18.000 Muslimen in der Kölnarena den Bau türkischer Schulen und Universitäten. Danach holte er sich von Schramma einen Rüffel ab. Zudem forderte der OB zum gerade begonnenen Gedenkjahr an den Apostel Paulus den Bau eines Pilgerzentrums im türkischen Tarsus, ein Zentrum des christlichen Glaubens. Erdogan versprach, sich persönlich darum zu kümmern, eine Antwort hat das Erzbistum trotz mehrfacher Nachfrage bis heute nicht erhalten.
Auch einen Gesprächspartner bei Ditib zu finden, ist derzeit nahezu unmöglich. Man verweist auf den Fastenmonat Ramadan sowie eine Pressemitteilung, in der steht, dass man als Zeichen gegen den Aufmarsch der Rechten am Freitag 500 bunte Luftballons steigen lassen wolle.
Die Auseinandersetzung überlassen die Kölner Muslime offenbar den routinierten Kräften. 40.000 Gegendemonstranten werden erwartet, mit dabei auch die Antifa, die sich am Freitagabend vor dem Dom treffen will. Das "Bündnis gegen Pro Köln" hat im Vorfeld ein Blockade-Training abgehalten, auch Kirchen und Gewerkschaften haben zum Widerstand aufgerufen. Die Mechanismen funktionieren wie immer. Jene Bürger, um die es "Pro Köln" im Kern geht, wird man jedoch kaum auf den Straßen finden: Jene, die mit den Rechten liebäugeln und den Moscheebau lediglich als weiteres Indiz für eine vermeintliche Überfremdung begreifen. Eine in der Regel schweigende Gruppe.
BAP und bunte Aktionen
Auf genau diese verborgenen Zweifler hat die Bürgerbewegung "Pro Köln" es abgesehen. Sie will Angst säen mit kruden Visionen, wie der ihres Vorsitzenden Markus Beisicht. Sollte Deutschland nicht rechtzeitig reagieren, "werde die Scharia das Grundgesetz ersetzen und der Rechtsstaat sich verabschieden". Die Rechten greifen derzeit nach allem, was ihre Position begünstigt. Sogar Aussagen des jüdischen Moschee-Gegners Ralph Giordano findet man in Flugblättern, die vor einigen Wochen in den Kölner Briefkästen landeten. Der Publizist wehrt sich nach Kräften gegen die Bürgerbewegung und ihre Alliierten: "Ich nenne sie potentielle Bauherren von Birkenau II."
Die Glaubwürdigkeit der Rechten hat schon vor Beginn des Kongresses mächtig gelitten. Jean-Marie Le Pen, Galionsfigur der französischen Rechten, für das Wochenende als Stargast der Hetzkampagne angekündigt, wird ebenso nicht erscheinen, wie der FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, den nun angeblich der Wahlkampf in Österreich zu sehr vereinnahmt. Die Absagen seien aber auch Resultat einer gezielten "Desinformationskampagne" des politischen Gegners, behauptet "Pro Köln". Das offizielle Köln gibt sich derweil Mühe, sein tolerantes Image aufrechtzuerhalten. Die Demonstranten werden BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken und der Karnevalsband Brings zujubeln, wenn sie in ihre Saiten dreschen. Bunte Aktionen sind geplant, Musik und Frohsinn gegen Rechts - der Ritus, den die guten Demokraten gerne pflegen. Auf dem Heumarkt, wo die Islam-Gegner ihre Reden schwingen, sollen die Bürger nach dem Willen von OB Schramma ihre Fenster schließen und die Rollladen herunterlassen. Ein passendes Bild für die ambivalente Lage im Lande: Populisten, die ihre Sprüche über Sorgen klopfen, von denen die Mehrheit nicht zu reden wagt; eine Gesellschaft, die sich zivilisiert gibt und dabei weder hinschaut noch zuhört; und verborgene Ängste, die im Dunkeln wuchern.
Korrektur: Liebe Leser, ursprünglich hieß es in dem Text, "Pro Köln" hoffe, bei den nächsten Stadtrats- und Bezirkswahlen in Köln "mit Hilfe" der CDU zulegen zu können. Das war eine ungenaue Wortwahl. Denn "Pro Köln" setzt auf ein verbessertes Ergebnis "auf Kosten" der CDU. Wir haben diesen Fehler nachträglich korrigiert. Wir bitten um Ihr Verständnis. Mit schönen Grüßen. stern.de