Die Kinder marschieren im Kreis, sie tragen Militäruniformen und Spielzeuggewehre. Dann stehen sie in Reih und Glied, während ein Junge auf Türkisch Kommandos ruft. Eltern filmen die Aufführung mit ihren Handys, es werden fleißig Fotos geschossen. Das Schauspiel hat sich in der Ditib-Moschee in Herford zugetragen. Fotos und ein Video-Clip werden später auf der Facebookseite des Vereins gepostet. Auf einem der Bilder sieht man die Kinder als gefallene Soldaten unter einer großen türkischen Flagge liegen. Mit der Aufführung wurde an die Schlacht von Gallipoli erinnert, die mit hunderttausend Toten die blutigste des Ersten Weltkrieges war. Das Heer des Osmanischen Reichs verhinderte damals die Eroberung Istanbuls.
Mittlerweile sind die Bilder und das Video von der Ditib-Seite wieder gelöscht worden. Dennoch hat der türkische Moscheen-Verband in Herford nun ein Problem. Die Aufnahmen von dem Schauspiel verbreiteten sich in den sozialen Medien - und es werden Fragen gestellt. Denn der Ditib, der vom türkischen Staat finanzierte, religiöse Dachverband mit 900 Gemeinden, wird in Deutschland kritisch beäugt. Der Vorwurf lautet, dass die türkische Regierung die Moscheen für politische Propaganda der islamistisch-nationalistischen AKP und Präsident Recep Tayyip Erdogan missbraucht - so wie jetzt in der Herforder Moschee.
Bürgermeister: Hier werden Kinder instrumentalisiert
Lokale Zeitungen wie das "Westfalen-Blatt" oder die "Neue Westfälische Zeitung" berichteten über die Aufführung. Der CDU-Vorsitzende Tim Ostermann bekam das Video ebenfalls zugeschickt und leitete es an den Staatsschutz in Bielefeld weiter, der aktuell ermittelt, ob ein Rechtsbruch vorliegt: "Der Staatsschutz hat großes Interesse gezeigt. Es muss geprüft werden, ob hier bei der Vermengung von Politik und Religion mit eindeutig nationalistischen Tendenzen ein Problem vorliegt", sagte Ostermann dem stern. Die Stadt prüft gleichzeitig, ob gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen wurde.
Der Bürgermeister Herfords, Tim Kähler, reagierte am Donnerstag mit einer Stellungnahme. Darin kritisiert er die Ditib scharf: "Ich bin entsetzt über dieses Video auf der Facebookseite der Ditib-Gemeinde Herford. Hier werden Kinder instrumentalisiert". Und weiter heißt es: "Mit ausdrücklicher Erlaubnis der Eltern wird hier eine sehr blutige, historische Schlacht von 1915/16 von 4- bis 7-jährigen Kindern nachgespielt und ins Netz gestellt. Das ist verstörend und alles andere als integrationsfördernd." Kähler hat Ditib-Vertreter für Freitagmorgen zu einem Gespräch eingeladen, wo er sehr "ernsthaft" die "Standpunkte klären will.
Ditib-Sprecher verteidigt Moschee-Vorstand
Es gibt auch Kritik aus der türkischen Gemeinde: "Das ist mehr als grenzwertig. Ich bin fassungslos", sagte Mehmet Ali Ölmez, Chef des Bielefelder Integrationsrates, dem "Westfalen-Blatt".
Der Sprecher der Moscheegemeinde, Necati Aydin, versuchte, die Wogen zu glätten, und den Vorstand zu verteidigen: "Die Entscheidung für die Aufführung ist vom Elternbeirat getroffen worden und die Aufführung ist auch von ihm gestaltet worden", erklärte Aydin. Der Vorstand sei in das Programm nicht eingebunden gewesen und habe auch nichts davon gewusst. Die Aufführung sei auch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen. Innerhalb der Gemeinde sei aber überaus kontrovers über die Aufführung diskutiert worden: "Wir bedauern diesen Vorfall und werden dafür Sorge tragen, dass sich so was nicht wiederholt."