Brauchtum und Politik Gillamoos 2025: Falsche Musik und laute Töne

Schon früh am Morgen wurden im Festzelt jede Menge Liter Bier getrunken - nicht nur in der CSU gehört dies zum Brauchtum. Foto:
Schon früh am Morgen wurden im Festzelt jede Menge Liter Bier getrunken - nicht nur in der CSU gehört dies zum Brauchtum. Foto
© Peter Kneffel/dpa
Der politische Frühschoppen auf dem Gillamoos gilt als Ort, an dem gerne Tacheles gesprochen wird. 2025 bewahrheitet sich dies aber nur teilweise - kurioses gab es aber dennoch zu hören.

Markus Söder zur Musik von Darth Vader, ein singender SPD-Regierungschef Andreas Bovenschulte aus Bremen und ein grüner Parteichef in bayerischer Tracht: Knapp vier Monate nach Amtsantritt der neuen Bundesregierung buhlten die Parteien beim politischen Frühschoppen auf dem Gillamoos-Volksfest in Niederbayern um die Aufmerksamkeit von Zuhörern und Wählern. Dabei zeigte sich: Die Polarisierung unter den Parteien geht ungebremst voran und die AfD strotzt angesichts ihres Umfragehochs weiterhin vor Selbstbewusstsein.

CSU

Für CSU-Chef Markus Söder war es der neunte Auftritt auf dem Gillamoos - damit ist er unangefochtener "Platzhirsch" in seiner Partei. Jedoch hätte er vermutlich gerne auf den musikalischen Fauxpas verzichtet: Ausgerechnet zur Musik von Star-Wars-Bösewicht Darth Vader ließ die örtliche CSU ihn auf die Bühne marschieren. In seiner Rede spannte der Ministerpräsident einen Bogen aus vielen altbekannten Themen und Forderungen, garniert mit Bierzelt-Applaus-Garanten wie seinem Ärger über die Flaschendeckel an Plastikflaschen, Habeck-Bashing, Fleisch-Konsum und Gender-Sorgen. 

Inhaltlich Neues sparte Söder dagegen aus - seine Rufe nach einer Halbierung der Erbschaftssteuer, der Einführung einer Wehrpflicht sowie Erleichterungen für die Automobilindustrie waren ebenso altbekannt wie Mahnungen zur schnellen Reform des Bürgergeldes und Unmut über den Länderfinanzausgleich. 

Zugleich positionierte Söder seine Partei erneut fernab der Linkspartei und der AfD. "Ich will nichts mit der Linkspartei zu tun haben." Es möge in der CDU Leute geben, die sich hier eine Öffnung wünschten, "für die CSU sage ich Nein zu jeder Zusammenarbeit mit Sozialisten, Kommunisten und links außen". Bei der AfD warnte Söder seine Zuhörer vor einer "Übernahme Deutschlands und Bayerns".

AfD

AfD-Chef Tino Chrupalla orakelte in seiner Rede dagegen von einer unaufhaltsamen Regierungsübernahme seiner Partei. Wenn nicht schon nächstes Jahr in Sachsen-Anhalt, dann 2029 auf Bundesebene, sagte er. "Wir werden wieder dieses Schiff auf Vordermann bringen." Die AfD habe die Lösungsvorschläge und Inhalte, die die Bürger hören wollten.

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Chrupalla lästerte zudem über den "Ober-Komiker Söder" in München, und der zweite sei Kanzler Friedrich Merz (CDU). Da habe ja der einstige SED-Chef Erich Honecker in der DDR bessere Beliebtheitswerte gehabt. Merz habe jedes Wahlversprechen gebrochen, etwa in der Steuerpolitik.

Bayerns AfD-Landtagsfraktionschefin Katrin Ebner-Steiner fiel einmal mehr mit sehr drastischen Aussagen auf. Sie forderte Abschiebungen bis die Startbahnen am Münchner Flughafen "glühten". Sie beklagte zudem einen angeblichen "Überwachungs- und Bevormundungsstaat".

SPD

Die SPD schickte mit Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte einen Neuling ins Rennen. Der Bremer nutzte die Bühne für massive Kritik an Kanzler Merz. Dessen Aussagen zum Geldmangel im Sozialstaat seien Unfug. Gemessen an der Wirtschaftskraft werde nicht mehr Geld für den Sozialstaat ausgegeben, als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Um Tatsachen gehe es aber schon lange nicht mehr. 

"Wir müssen und wir werden den Sozialstaat verteidigen - mit Klauen und mit Zähnen. Das sind wir den Menschen schuldig", sagte Bovenschulte. Auch Söders Kritik am Länderfinanzausgleich wies er zurück. In Bremen sei die Steuerkraft so schwach, weil viele Pendler aus den angrenzenden Bundesländern nicht in der Hansestadt zahlten.

Bovenschulte rief zum Widerstand gegen die AfD auf. Diese lebe davon, dass die Grenze zwischen konservativ und rechtsradikal immer mehr verschwinde. "Ich sage es mal so: Die AfD ist wie Schimmel. Sobald es ein bisschen feucht wird, breitet sich der Schimmel aus. Und wenn man mit rechten Hetzern paktiert, dann wird es nicht nur ein bisschen feucht, dann steht das ganze Haus unter Wasser."

Und dann gab Bovenschulte gar noch eine Gesangseinlage - "We will rock you" von Queen - und bedankte sich für die Einladung in den Süden. "Wir Bremer mögen die Bayern sehr", sagte er. Und nach kurzer Pause: "wenn's nicht gerade um Fußball oder politische Mehrheitsverhältnisse geht". 

GRÜNE

Grünen-Chef Felix Banaszak attackierte in seiner Rede in bester Oppositionsmanier insbesondere die CSU. Söder arbeite "als Food-Blogger bereits an seiner Karriere für die Zeit danach". 2028 bei der Landtagswahl wollten sich die Grünen mit ihrer Fraktionsvorsitzenden Katharina Schulze als die Alternative zu Söder präsentieren. 

Zudem forderte er von der CSU eine Rückkehr zu ihren politischen Wurzeln: Der Begriff Union setze voraus, mit dem Partner zusammenzuarbeiten, christlich bedeute Solidarität, Nächstenliebe und Respekt vor anderen Menschen. Und sozial sei es nicht, wie es Söder zuletzt auf Bürgergeldempfänger und Geflüchtete abgesehen habe. Söder sei "nichts anderes als die wandelnde Planungsunsicherheit Bayerns und Deutschlands", sagte Banaszak mit Blick auf die Abschaffung der Atomkraft und des Verbrennermotors.

Schulze warf Söder zudem vor, in Bayern seit Monaten und Jahren nichts Substanzielles mehr auf den Weg zu bringen. "Das ist die schlechteste Staatsregierung aller Zeiten!", sagte sie. Der CSU-Chef schaue nicht auf die Probleme des Landes - fehlende Kitaplätze, zu wenig bezahlbarer Wohnraum, Klimakrise - sondern rege sich ständig über den Schraubverschluss an Plastikflaschen auf.

FREIE WÄHLER

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger zog in seiner Rede einmal mehr über die Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD her. "Generell ist diese Merz-Regierung bisher eine Regierung der enttäuschten Hoffnungen. Ich hoffe, dass es noch besser wird – weil schlechter kann es ja bald nicht mehr werden", sagte Aiwanger. Bisher sei in Berlin nichts umgesetzt worden. Aiwanger hatte den Einzug in den Bundestag wie seine Partei generell bei der Bundestagswahl klar verpasst.

In Rage redete sich Aiwanger bei den Themen Migration und innere Sicherheit. Hier müsse man den Finger in die Wunde legen - und das sei leider Gottes in Deutschland täglich "mehrdutzendfach". "Wir müssen den Messerattentätern, den Messergewalttätern, den Messerstechern den Kampf ansagen. Und das sind in sehr vielen Fällen nordafrikanische Migranten, die nicht nach Deutschland gehören, sondern die heimgeschickt gehören", wetterte er und sprach von einer drohenden islamischen Diktatur in Deutschland.

dpa