Nachdem es um den Corona-Erklärer Christian Drosten in den letzten Wochen ruhiger geworden ist, meldet sich der Virologe nun auf Twitter zu Wort. Er möchte "nach dem vielen Nonsens", der in letzter Zeit verbreitet wurde, aktuelle Einschätzungen zu Sars-CoV-2 liefern.
Mitte April hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die beiden Omikron-Untervarianten BA.4 und BA.5 in ihr Monitoring der Omikron-Varianten aufgenommen. Sie wurden zuerst in Südafrika und Botswana nachgewiesen. Christian Drosten erklärt zu den beiden Subtypen: "Dies sind Omikron-Varianten mit eigenem Ursprung, das heißt sie stammen nicht von BA.1, BA.2 oder BA.3 ab, sondern vom gemeinsamen Omikron-Vorläufer." Die beiden Omikron-Untervarianten unterscheiden sich von bisherigen Omikron-Varianten. Beide verfügen über eine L452R-Mutation. Diese sei bereits von Delta bekannt, schildert der Virologe. Zudem haben BA.4 und BA.5 eine weitere gemeinsame Mutation (F486V). Sie befindet sich auf dem Spike-Protein.
Immunflucht der neuen Varianten wahrscheinlich
"Immunescape ist wahrscheinlich", schreibt Christian Drosten kurz. Das bedeutet: Diese bestimmten Mutationen der neuen Omikron-Subtypen machen es wahrscheinlich, dass sie die Immunantwort des Körpers, die nach Impfung oder Infektion gebildet wird, umgehen können. In Südafrika lässt sich seit Januar ein schleichender Anstieg der beiden Omikron-Subtypen beobachten.
Seit Mitte April kommt es aber zu einer plötzlichen exponentiellen Zunahme. Der Grund: "Wahrscheinlich hat die Variante einen Immunescape-Vorteil in einer Bevölkerung, in der es (wie in Südafrika) keine BA.2-Welle gab. Die jetzt starke Beschleunigung der Inzidenzzunahme kommt naheliegenderweise durch den einsetzenden Verlust von Übertragungsimmunität nach der BA.1-Welle im Dezember", erklärt Drosten.
Wie bekannt, verursacht die Omikron-Untervariante BA.1 eher milde Verläufe. Wissenschaftler:innen haben festgestellt, dass bei milden oder asymptomatischen Verläufen einer Corona-Infektion nur wenige Antikörper gebildet werden oder die Antikörperkonzentration rasch abnimmt. Heißt also: Wahrscheinlich sind die Zahlen in Südafrika unter anderem jetzt so stark angestiegen, weil Menschen, die sich in der BA.1-Welle infiziert haben, nicht mehr so gut gegen erneute Sars-CoV-2-Infektionen geschützt sind.
BA.2.12.1 nimmt in den USA zu
Der Berliner Virologe geht auch noch auf das vermehrte Auftreten von BA-2-Stämmen, die zwei zusätzliche Mutationen haben, ein. Sie werden als BA.2.12.1 zusammengefasst. In den USA gibt es derzeit eine Zunahme von BA.2.12.1. Wegen der L452-Mutation könne man an eine Virulenzerhöhung denken, sagt Drosten. Das bedeutet, dass BA.2.12.1 übertragbarer zu sein scheint als die ursprüngliche Omikron-Subvariante BA.2.
Laut der US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) macht BA.2.12.1 ganze 28,7 Prozent der derzeitigen Corona-Infektionen in den USA aus. Die Omikron-Untervariante BA.2 macht aber mit 68,1 Prozent noch den Großteil der Infektionen aus. Christian Drosten schätzt die Lage in den USA wie folgt ein: "In besonders betroffenen Gegenden kommt es derzeit schon zu Zunahmen der Krankenhausaufnahmen, allerdings ist die Gesamtzahl weiter beruhigend niedrig. Man muss die Situation weiter beobachten."

Im aktuellen Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) heißt es, dass von der Omikron-Untervariante BA.5 mit Stand 18. April insgesamt 25 Proben nachgewiesen wurden. Der Anteil in einer Stichprobe betrug vorletzte Woche demnach 0,2 Prozent. Aktuellere Werte gibt es noch nicht. BA.4 sei bislang nicht nachgewiesen worden. In Deutschland wird allerdings nur bei einem kleinen Anteil der positiven Proben das Erbgut entschlüsselt. In der Bundesrepublik ist weiter BA.2 die vorherrschende Variante. Das RKI gibt den Anteil von BA.2 an der Gesamtzahl der Infektionen derzeit mit mehr als 95 Prozent an.
Quellen: RKI-Wochenbericht, Twitter Drosten, CDC, Nature