Wer schon einmal abgenommen hat, kennt das: Das eigentliche Problem ist häufig gar nicht, die Pfunde zu verlieren, sondern das Gewicht dauerhaft niedrig zu halten. Eine Lösung, um den auch als Jo-Jo-Effekt bezeichneten Kreislauf aus Ab- und Zunehmen zu durchbrechen, wollen nun europäische Forscher gefunden haben.
Ihr Rezept klingt simpel: Wer nach einer Abspeck-Kur nicht immer wieder zunehmen will, sollte auf eine eiweißreiche und kohlenhydratarme Nahrung setzen, schreiben Wissenschaftler um Thomas Meinert Larsen und Arne Astrup von der Universität Kopenhagen im "New England Journal of Medicine". Auf dem Speiseplan stehen sollten zum Beispiel mageres Fleisch, fettarme Milchprodukte und Hülsenfrüchte. Stärkereiche Lebensmittel, die raffinierte Kohlenhydrate enthalten, wie Weißbrot oder weißer Reis, sollten vermieden werden.
Zu diesem Ergebnis kommt die Diogenes-Studie, die an acht europäischen Forschungszentren durchgeführt wurde. Insgesamt nahmen daran 772 Familien aus verschiedenen europäischen Ländern teil, darunter 938 Erwachsene und 827 Kinder. Finanziert wurde sie mit EU-Mitteln, 14,5 Millionen Euro pumpte die Staatengemeinschaft in die Untersuchung. Zahlreiche Lebensmittelkonzerne spendeten Produkte. Der enorme Aufwand ist gerechtfertigt: Fettleibigkeit ist in den Industrieländern längst zu einer Volkskrankheit geworden, wie die OECD erst kürzlich in einer Studie bestätigte.
Achtwöchige Diät zu Beginn
Für die jetzt publizierten Ergebnisse wurden die Daten von 773 übergewichtigen Erwachsenen ausgewertet. Zu Beginn der Untersuchung mussten alle Probanden eine achtwöchige Diät durchhalten, bei der die Energiezufuhr auf 800 Kilokalorien pro Tag begrenzt war - wodurch die Teilnehmer im Durchschnitt elf Kilogramm an Gewicht verloren. Im Anschluss folgte die eigentliche Studie, bei der untersucht wurde, wie sich der Gewichtsverlust dauerhaft halten lässt.
Die Teilnehmer wurden dabei in fünf Gruppen unterteilt, die je eine Variante einer fettarmen Diät verordnet bekamen. Die Kalorienanzahl war dabei nicht mehr begrenzt, die Probanden konnten so viel und so oft essen, wie sie wollten. Die Diät sollten sie für sechs Monate durchhalten, was 548 Teilnehmern gelang. Ernährungswissenschaftler begleiteten sie dabei. Mit Blut- und Urinproben wurde überprüft, ob die Teilnehmer sich an die Ernährungsgregeln hielten.
Die Diät-Varianten unterschieden sich neben der Eiweißzufuhr auch im sogenannten glykämischen Index (GI). Er beschreibt, wie stark und wie schnell ein Lebensmittel den Blutzuckerspiegel in die Höhe treibt. Sorgt es für einen schnellen und hohen Blutzuckeranstieg, ist der GI hoch. Zuckerreiche Lebensmittel, aber auch Weißbrot, weißer Reis und Kartoffeln in jeder Zubereitung lassen den Blutzucker schnell ansteigen. Die Bauchspeicheldrüse schüttet daraufhin viel Insulin aus, was zwar zu einem kurzzeitigen Sättigungsgefühl führt. Auf das folgt allerdings eine Heißhungerattacke, weil der Blutzucker rasant wieder fällt. Zudem wird der Abbau von Körperfett verhindert. Einen niedrigeren GI haben Vollkornbrot, rohe Karotten oder frisches Obst wie Äpfel, Birnen oder Orangen.
Viel Eiweiß, wenig Kohlenhydrate
Die Ergebnisse nach sechs Wochen: Eine Ernährung mit einem hohen Proteinanteil - 25 Prozent der gesamten aufgenommenen Energie stammte aus Eiweiß - und einem niedrigen GI war laut Diogenes-Studie am besten geeignet, um das Gewicht zu halten. Manche der Teilnehmer, die sich danach ernährten, nahmen sogar noch leicht ab. Die schlechtesten Ergebnisse lieferte die Gruppe, deren Essen wenig Eiweiß und einen hohen GI aufwies. Wer sich so ernährte, legte im Schnitt 1,67 Kilo zu.
Die Diätvarianten mit einem hohen Eiweißanteil oder einem niedrigen GI hatten noch einen weiteren Vorteil: In diesen Gruppen brachen mit gut 25 Prozent nicht so viele Teilnehmer die Abspeckkur vor Ablauf der sechs Monate ab wie in der Vergleichsgruppe mit einem hohen GI und einer niedrigen Proteinzufuhr. Hier stiegen 37 Prozent vorzeitig aus.
"Die Antwort des Blutzuckerspiegels auf die Einnahme von Kohlenhydraten wird verlangsamt, wenn gleichzeitig Eiweiße verzehrt werden, da Proteine die Magenleerung verzögern", schreiben David Ludwig, Direktor des Optimal Weight for Life Program am Children's Hospital in Boston, und seine Kollegin Cara Ebbeling von der Harvard Medical School in einem die Studie ihrer Kollegen begleitenden Editorial. Eiweiß und ein niedriger GI sorgen somit für ein längeres Sättigungsgefühl.
Kurze Laufzeit der Studie
Sollte nun also jeder, der dauerhaft abnehmen will, zu einer eiweißreichen und kohlenhydratarmen Kost greifen? Für jeden ist eine eiweißreiche Diät nicht zu empfehlen. Wer Nierenprobleme oder Diabetes hat, sollte davon lieber die Finger lassen. Schwierig dürfte für Abnehmwillige auch der Umgang mit dem GI im Alltag werden. Zwar gibt es Tabellen, in denen der GI für die einzelnen Lebensmittel aufgelistet ist, zusammenzählen lassen sich diese Werte für eine Mahlzeit allerdings nicht so einfach. Ein weiteres Problem: Der GI sagt nichts darüber aus, wie viele Kohlenhydrate in einer Portion eines Lebensmittels stecken. Aktueller als der GI ist daher die glykämische Ladung oder glykämische Last (GL), bei der neben der Art der Kohlenhydrate auch die Menge mit einbezogen wird.
Eine Schwäche der Studie ist Ludwig und Ebbeling zufolge auch die kurze Laufzeit von nur einem halben Jahr. In weiteren Studien müsse nun abgeklärt werden, ob der Gewichtsverlust auch über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten werden kann, schreiben sie im Editorial. Denn aus früheren Studien ist bekannt, dass viele Teilnehmer innerhalb der ersten beiden Jahre nach Abschluss der Diät rückfällig werden.
Die Autoren der Studie fordern trotzdem schon einmal, die europäischen Richtlinien zur optimalen Ernährung im Rahmen einer Diät zu überarbeiten. Diese setzen im Kampf gegen die Kilos bis jetzt auf viele Kohlenhydrate und wenig Fleisch. Um der Übergewichts-Epidemie Herr zu werden, sei es nun dringend nötig nachzubessern, betonen Meinert Larsen und Kollegen.