Ein gesundes Immunsystem wird normalerweise spielend mit schädlichen Bakterien, Viren und Pilzen fertig, wenn diese den Körper befallen. Doch wie kann man es stärken und das Risiko, sich eine Erkältung, Grippe oder andere Infektionskrankheit einzufangen, wirksam senken?
Viele Ratschläge klingen vertraut, denn wie der gesamte Körper funktioniert auch das Immunsystem am besten bei einem gesunden Lebensstil: Auf Tabak verzichten, empfehlen etwa die Experten der Harvard Medical School. Ausreichend Schlaf, nämlich jede Nacht etwa sieben bis acht Stunden ist immer ein gutes Rezept. Auf eine ausgewogene Ernährung achten und Übergewicht vermeiden, gehören genauso dazu wie regelmäßige Bewegung. Zu viel Alkohol kann das Immunsystem ebenfalls schwächen. Und: Wer sich nicht anstecken will, sollte jeden Tag mehrmals und gründlich die Hände waschen.
Immunsystem stärken mit der BERN-Anleitung
Der Mediziner und Gesundheitswissenschaftler Tobias Esch – Professor an der Universität Witten/Herdecke – hat eine detailliertere Anleitung entwickelt, mit der die Selbstheilungskräfte gestärkt und das Immunsystem unterstützt werden soll: BERN heißt sie, weil sie auf vier Säulen beruht – Behaviour (Verhalten), Exercise (Bewegung), Relaxation (innere Einkehr und Entspannung) und Nutrition (achtsamer Genuss und gesunde Ernährung).
In vier Punkten zusammengefasst, empfiehlt er:
- Stress zu identifizieren und gut damit umzugehen: Ein Stresstagebuch hilft, belastende Situationen und verhängnisvolle Verhaltensmuster zu erkennen.
- Ausreichend Bewegung: an mindestens fünf Tagen in der Woche mindestens 30 Minuten; davon am besten 70 Prozent Ausdauertraining, 20 Prozent Kraft- und zehn Prozent Koordinations- und Gleichgewichtsübungen.
- Entspannung: regelmäßig kleine Entspannungsübungen in den Alltag einbauen, zum Beispiel die Faust ballen und lösen, tief atmen; meditieren.
- Gesund ernähren: Mahlzeiten achtsam zubereiten und bewusst verzehren.
Paracelsus und das Prinzip Hormesis
Schon Paracelsus, der bekannte Schweizer Arzt und Naturphilosoph, erkannte, dass kleine Mengen eines an sich negativen Reizes nicht schädlich wirken, sondern im Gegenteil die Abwehrkräfte des Organismus stärken können. Das gilt zum Beispiel für Stress, der im Organismus freie Radikale entstehen lässt, aggressive Sauerstoffmoleküle. Diesen setzt der Organismus Antioxidantien entgegen, die heilsam wirken.
Auch Sport ist Stress für den Körper: Die Körpertemperatur steigt an, Teile der Muskulatur kämpfen mit Sauerstoffmangel, giftige Moleküle entstehen – und das stößt Schutz-, Reparatur- und Aufbauprozesse an. In der Naturheilkunde werden seit jeher Kälte und Wärme eingesetzt. Kältereize, etwa in Form von Kneippschen Güssen, wirken schmerzlindernd und entzündungshemmend, Wärme regt die Durchblutung an und aktiviert Abwehrzellen und die Ausschüttung von Botenstoffen.
Immunsystem stärken mit Sonnenlicht
Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Tageslicht äußerst wichtig für ein gut funktionierendes und robustes Immunsystem ist. Schwedische Forscher glauben sogar, dass fehlendes Sonnenlicht die Lebenszeit im Mittel genauso stark verkürzt wie regelmäßiger Tabakkonsum.
Und das liegt nicht nur am Vitamin D. Das "Sonnenvitamin", das eher einem Hormon gleicht und Entzündungen entgegenwirkt, wird in der Haut unter Einfluss von UV-B-Strahlung gebildet – also immer dann, wenn die Sonne besonders hoch am Himmel steht. In Deutschland dringen zwischen Oktober und März nicht genügend UV-B-Strahlen durch, um die Vitamin-D-Bildung anzuregen. Mit 1000 und 1500 Sonnenstunden von Frühling bis Herbst, schätzen Experten, sei man jedoch ganzjährig ausreichend mit Vitamin D versorgt, da es im Fettgewebe gespeichert wird.
Statistisch sind höhere Vitamin-D-Spiegel im Blut mit einem verminderten Risiko für viele Krebsarten und andere Erkrankungen verknüpft. Dazu gehören Alzheimer, Autoimmunkrankheiten wie Multiple Sklerose, Typ-1-Diabetes, Schuppenflechte, rheumatoide Arthritis sowie altersabhängige Makuladegeneration – eine Augenerkrankung.
2016 ergaben Messungen von Wissenschaftlern des Robert-Koch-Instituts, dass die Mehrheit der Bevölkerung "suboptimale" Werte von Vitamin D oder sogar einen Mangel aufweist; nur 38 Prozent waren demnach ausreichend versorgt. 2018 korrigierte das RKI die Zahlen ein wenig. Danach blieben zwar knapp 60 Prozent unter dem empfohlenen Blutwert von 50 Nanomol pro Liter Blut – zumeist aber nur leicht. Bei etwa 15 Prozent stellte man eine mangelhafte Vitamin-D-Versorgung fest. Hier lag der Wert bei unter 30 Nanomol pro Liter.
Davon betroffenen Menschen raten Experten zu Vitamin-D-Präparaten – auch wenn deren Wirkung zumindest umstritten ist. Einfach auf Verdacht sollte Vitamin D grundsätzlich nicht eingenommen werden. Stiftung Warentest verweist unter anderem auf mögliche Nebenwirkungen, die bei einer Überdosierung auftreten können.

"Vitamin-D-Tabletten sind kein adäquater Ersatz für ausreichende Sonnenstrahlung", lautet das Fazit eines Reviews, das 2016 veröffentlicht wurde. Die Wirkung von Sonnenlicht ist offenbar komplexer und geht über die Vitamin-D-Bildung hinaus. Im Labor zeigte sich etwa, dass der blaue und ultraviolette Teil des Sonnenlichts die Aktivität der T-Lymphozyten steigert, die Infektionen bekämpfen. Wenn Sonnenlicht auf die Haut trifft, wird gefäßerweiterndes Stickstoffmonoxid ins Blut abgegeben, das vor Schlaganfällen schützt.
Gesund und bewusst Essen
Viele Lebensmittel und Gewürze sind entzündungshemmend, antibakteriell und immunstärkend: Knoblauch (wegen seines Gehalts an Allicin), Gelbwurz (Curcumin), Heidelbeeren (Flavone). Gewürznelken enthalten besonders viele Antioxidantien, aber auch Rosmarin, Thymian, Majoran und andere Kräuter stellen dem Körper hilfreiche Fänger von freien Radikalen zur Verfügung.
Fasten stärkt die Immunabwehr
Im Zuge eines fieberhaften Infekts vergeht vielen Menschen vorübergehend der Appetit. Das ist gesund, denn auch unfreiwilliges Fasten stärkt das Immunsystem. In der Naturheilkunde wird es gegen diverse chronische Leiden eingesetzt. Dazu gehören Diabetes, Bluthochdruck, Migräne, Arthrose sowie Schmerzsyndrome. Auch bei Rheuma, Allergien, Neurodermitis und Asthma berichten Patienten von nachlassenden Symptomen – vermutlich, weil Fasten Entzündungen hemmt. Denn als Ersatz für die fehlenden Kohlenhydrate werden Ketonkörper gebildet, die entzündungs- und wachstumshemmend in den Stoffwechsel eingreifen. Schon ein kurzzeitiges Fasten von 14 bis 20 Stunden bringt die Ketonbildung in Gang.
Bewegung bremst den Blutzuckerspiegel
Bewegung ist eines der besten Mittel, die Gesundheit zu stärken: Körperliche Ertüchtigung hält den Blutzuckerspiegel niedrig und beugt unter anderem Diabetes, hohem Blutdruck, Herzkrankheiten und einem erhöhten Schlaganfallrisiko vor. Sie reduziert auch das Risiko für bestimmte Krebsarten, darunter Brust- und Darmkrebs, und soll dabei helfen, Depressionen zu lindern. Menschen, die viel Sport treiben, haben auch weniger Zytokine im Blut, entzündungsfördernde Moleküle, die das Altern von Immunzellen beschleunigen. Sport ist geeignet, das Immunsystem biologisch jung zu erhalten.
Vitamin C – Gold fürs Immunsystem
Vitamin C spielt eine bedeutende Rolle für unser Immunsystem. Anders als fast alle Tiere kann der Mensch Vitamin C nicht selbst bilden, sondern muss es mit der Nahrung zuführen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt gesunden Männern und Frauen 110 bzw. 95 Milligramm täglich. Dieser Bedarf ist schon mit etwa zwei Orangen gedeckt. Auch andere Früchte und Gemüse enthalten viel Vitamin C: Rohe rote Paprika bringt es auf 140 Milligramm pro 100 Gramm. Zudem steckt Ascorbinsäure in verarbeiteten Lebensmitteln, da sie die Haltbarkeit erhöht.
Bei oxidativem Stress und Entzündungen steigt jedoch der Bedarf. Jede Infektion verbraucht Vitamin C: Wenige Stunden nach Beginn eines Infekts sinkt die Konzentration von Vitamin C in den Abwehrzellen auf die Hälfte ab. Wenn die Reserven schwinden, ist die Immunabwehr beeinträchtigt und der Körper wird anfällig für weitere Infektionen. Zur Krankheitsvorbeugung empfiehlt die DGE einen Vitamin-C-Blutplasmaspiegel über 0,9 mg/dl. Mangelzustände sind bei vielen chronischen Erkrankungen nachgewiesen, darunter Diabetes, Tumorerkrankungen, Osteoporose und Arthritis. Sie scheinen generell nicht selten zu sein: In den USA zeigte sich ein Drittel der Untersuchten unterversorgt; auch bei Frauen über 40 lag der durchschnittliche Wert unter der DGE-Empfehlung.

Sollte man im Krankheitsfall also hoch dosierte Vitamin-C-Präparate schlucken, um das Immunsystem zu stärken?
Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein: Über den Darm kann der Körper nur etwa 200 mg Vitamin C in zwei Stunden aufnehmen – der Rest wird ausgeschieden. Sinnvoller ist es, Vitamin C in kleinen Portionen über den Tag verteilt einzunehmen. Um einen Mangel schnell zu beheben, sind hoch dosierte Infusionen geeignet, mit denen Vitamin C sofort ins Blut gelangt. Solche Infusionen beugen Pilotstudien zufolge wirksam der gefürchteten Sepsis nach Operationen vor. Sie werden auch gegen chronische Infektionen, Gürtelrose, Osteoporose und in der Krebstherapie eingesetzt.
Nähe zu anderen: Durch Kuscheln das Immunsystem stärken
Berührungen und Umarmungen wie überhaupt die Nähe zu anderen Menschen stärken das Immunsystem, das zeigte ein Versuch, in dem Studenten mit Erkältungsviren infiziert wurden. Wer zuvor wenig Kontakt zu anderen gehabt hatte, erkältete sich eher. Probanden, die viel Zuneigung erlebt hatten, schienen gegen die Viren gefeit. Sie wurden seltener krank, und wenn doch, waren die Symptome harmloser und gingen schneller vorbei.
Natur tut dem Immunsystem gut
In Japan ist "Waldbaden" eine anerkannte Therapieform. Und tatsächlich wirkt der Aufenthalt in der Natur heilend und stärkend auf das Immunsystem: Blutdruck und Stresshormone sinken, bei Typ-2-Diabetikern verbessert sich der erhöhte Blutzuckerspiegel, Ängste nehmen ab, die Stimmung hellt sich auf. Haben Patienten ein Zimmer mit Ausblick ins Grüne, genesen sie schneller von Operationen. Schon ein kurzer Waldspaziergang senkt den Cortisolspiegel im Blut. Auch der Herzschlag beruhigt sich. Die Bäume sondern Terpene ab, Abwehrstoffe gegen Insekten, die das Immunsystem des Menschen anregen.
Hinweis der Redaktion: Der Artikel stammt aus unserem Archiv.