So schön kann man nirgends sonst Geschäfte machen: am Pool, unter Palmen. Leicht, locker, mit jeder Menge Partys. Und all die Stars - von Paris Hilton über Dennis Hopper und Lenny Kravitz bis hin zu Iggy Pop. Die Kunstmesse in Miami ist einzigartig in der Welt: Weil sie so glamourös ist, weil in Florida das Geld so locker sitzt und weil hier alle gierig sind auf Kunst und ganz locker und lässig in vier Tagen eine Milliarde Dollar dafür ausgeben.
Der Schweizer Samuel Keller, 42, hat die "Art Basel Miami Beach" erfunden und zur wichtigsten und erfolgreichsten Messe der USA gemacht. Aus Dankbarkeit haben sie ihm in Miami sogar einen Orden überreicht und einen Sam-Keller-Tag ausgerufen. Zum Abschied. Denn für Keller war es die letzte Messe als Direktor.
Bye-bye Hollywood
Adieu Jetset, bye-bye Hollywood. Sam Keller sitzt jetzt auf einem eleganten weißen Sofa im Dorf Riehen bei Basel und versucht, wie ein seriöser Museumschef zu wirken. "Hier bin ich aufgewachsen", sagt er und zeigt hinaus auf die sanften Hügel. "Da drüben plantschten wir als Kinder im Badi, und hier, vor dem Fenster, weiden im Sommer die Schafe." Seit Januar ist er Direktor der Fondation Beyeler. Die zeigt vor allem die Sammlung des Baseler Galeristen Ernst Beyeler und seiner Frau Hildy. Eine exquisite Sammlung mit Spitzenwerken von Cézanne über Picasso, Klee und Giacometti bis hin zu Baselitz und Neo Rauch. Alles nur vom Feinsten und Besten. Beyeler, 85, ein Grandseigneur mit unbestechlichem Auge, hat sein Leben lang mit Kunst gehandelt und sich selbst die besten Stücke gesichert hat. Vor zehn Jahren gönnte er sich dieses Museum, der italienische Architekturstar Renzo Piano baute es in die Hügellandschaft östlich von Basel. Rund 400.000 Besucher kamen im vergangenen Jahr.
Jetzt heißt es seriös sein
Sam Keller hat noch nie eine Ausstellung kuratiert. Muss er auch jetzt nicht, findet er. Es gibt ja genügend Leute im Haus, die das machen können. Der smarte Mann mit den glitzernden, braunen Augen schlägt seine Beine übereinander, an den Füßen beige-weiße Schuhe der Marke Converse All Star, letztes Zeugnis seiner hippen Miami-Zeiten. Vom Ohrstecker zeugt nur noch ein kleines Loch. Jetzt heißt es seriös sein.
Was will er machen als Direktor der Fondation Beyeler, in diesem kleinen, feinen Riehen bei Basel? Alles ändern? Das Dorf und das Museum zu einem In-Place machen, wie er es auch mit der Messe geschafft hat? "Auf keinen Fall!", sagt er entschieden. "Es gibt keinen Grund, das Museum auf den Kopf zu stellen." Vielleicht anbauen, um mehr Platz zu schaffen für große Ausstellungen? Schließlich ist der Basler Architektenstar Jacques Herzog einer seiner besten Freunde. "Nein! Das Haus braucht keinen Anbau. Es ist perfekt, so wie es ist." Aber dann wenigstens mehr Pop und Pep nach Riehen bringen? "Nein. Ich freue mich drauf, auch mal in Ruhe und in die Tiefe arbeiten zu können."
"Geduld ist nicht meine Stärke"
Das soll man also glauben: Dass einer, um den sich das Kunstkarussell der ganzen Welt drehte, jetzt in einem schweizerischen Dorf eine ruhige Kugel schiebt. "Geduld ist nicht meine Stärke", gibt er wenigstens zu. Und man sieht ihm an, dass es ihn in den Fingern und Zehen juckt, weil hier alles so ungewohnt langsam und bedächtig geht.
Und dann kommt es: Die Künstler, Sammler und Galeristen sollen zu ihm reisen, wenn sie, wie jedes Jahr, die Art Basel besuchen. Nach Riehen ist es nicht weit, wer Zeit und Muße hat, kann sogar die Straßenbahn nehmen. Er will "das Museum mit der Welt verbinden", es global vernetzen. Kein Problem für einen wie ihn, den sie den "Mann mit den 60.000 Freunden" nennen. Er muss Sponsoren suchen, denn die Fondation Beyeler ist ein Luxus-Dampfer, dem die beachtlichen 5,5 Millionen Franken Eintrittsgelder nicht genügen, um den laufenden Betrieb zu sichern. Auch kein Problem, schließlich kennt er sie alle, die Reichen und die Einflussreichen. Und ganz wichtig: Er will "aufpassen, dass das Museum nicht zum Event-Ort verkommt." Denn: "Kunst ist nicht Disneyland." Es scheint so, als hätte da einer eine Kehrwendung gemacht, weg von der Kunst als Unterhaltung und Massenspektakel, hin zur seriösen Museumsarbeit. Aber da widerspricht Keller vehement: "Es gibt nur eine Kunstwelt."
"Kunst bereichert das Leben, nicht das Portmonee"
Dass im Moment vor allem über Preise und Auktionsrekorde gesprochen wird, schmeckt ihm nicht. "Überall ist ein Preisschild dran. Der finanzielle Aspekt der Kunst ist überbewertet. Kunst bereichert das Leben, nicht das Portmonee. Wenn jemand hofft, dass er Gewinn macht, ist er selber schuld. Kunst muss man aus Leidenschaft kaufen."
Was bei ihm zu Hause an der Wand hängt, mag er nicht verraten. Das könnte die Leute auf dumme Ideen bringen. Aber dann lässt er doch etwas raus: "Das geht von Goya bis zu ganz neuer Kunst von 2007." Dabei kommt er aus einem Elternhaus ohne Kunst, die Mutter war Krankenschwester, der Vater Ingenieur. "Die erste Berührung mit Kunst gab es bei einem Schulausflug." Da geriet die Klasse in ein Unwetter und man rettete sich in eine Tinguely-Ausstellung. Eine Offenbarung für den kleinen Samuel. "Seitdem liebe ich die Kunst. Für mich gibt es nichts Schöneres."
Von Bauchentscheidungen und Liebesaffären
Ernst Beyeler bot ihm an, auch die Leitung der Galerie Beyeler zu übernehmen. "Ich habe das abgelehnt", sagt Keller. "Das Museum ist eine Vollzeitaufgabe." Aber wie geht es weiter, in fünf oder zehn Jahren? Berlin? New York? Shanghai? Tokio? "Ich habe nie eine Karriereplanung gemacht", sagt Sam Keller. "Bei mir kommen die Sachen einfach so. Das sind Bauchentscheidungen und Liebesaffären." Er fühlt sich als Glückspilz. "Jeden Tag, wenn ich an der Museumskasse vorbei gehe, wundere ich mich, dass ich nicht bezahlen muss, sondern auch noch bezahlt werde."
Nur auf der nächsten Art Basel wird er sich ein wenig seltsam vorkommen: Die Fondation Beyeler hat einen Messestand - und Sam Keller als Direktor wird dort stehen und sein Museum vertreten müssen - zum ersten Mal auf der anderen Seite.