Bei "Anne Will" sollte es um Ungarn gehen. Genauer um die Frage, ob Ungarn keine Muslime aufnehmen möchte und damit Islamfeindlichkeit in Europa salonfähig wird. Viktor Orbán hatte die Magyaren zum Referendum aufgerufen, sie sollten entscheiden, ob das Land weitere Flüchtlinge aufnehmen soll. Dabei richtete sich das Referendum jedoch in erster Linie gegen Muslime.
Dies bestätigte Cathrin Kahlweit, die Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung in Wien. Sie hat über anderthalb Jahre die Kampagnen verschiedener ungarischer Politiker verfolgt, die ihrer Einschätzung nach nur das Ziel hatten Muslime zu diffamieren. Inhalt vieler Reden sei gewesen: Wir wollen keine Fremden, wir wollen auch in zehn Jahren noch Ungarisch sprechen, wir wollen keine Muslime die unsere Frauen vergewaltigen.
Péter Györkös, Botschafter von Ungarn in der Bundesrepublik Deutschland, reagierte auf diese Vorwürfe nicht. Stattdessen wurde er nicht müde zu betonen, dass Ungarn in den letzten Jahren über 26.000 Flüchtlinge aufgenommen hätte, dass das Land aber auch Geld in Projekte vor Ort in Syrien fließen lasse, um den Menschen dort zu helfen.
Ungarischer Botschafter weicht Anne Will aus
Moderatorin Will fragte mehrfach nach, ob die Regierung Orbán muslimfeindlich sei. Der Botschafter ließ sich aber zu keiner Stellungnahme bewegen, sondern blieb stets diplomatisch und aalglatt. Wie es gute Diplomaten vermutlich sind. Györkös argumentierte, dass sich sein Land nicht von Europa diktieren lassen will wie viele Flüchtlinge es aufnehmen muss. Darüber sollten die Bürgerinnen und Bürger in dem Referendum entscheiden. Sie hatten daran allerdings kein Interesse, nur 43% aller Wählerinnen und Wähler gingen überhaupt nur zur Wahl. Die Wahlbeteiligung war einfach zu gering.
Explizit außen vor war beim Ungarn der Vorwurf, dass Orbán gegen Muslime hetzt, dass er in der Bevölkerung Ressentiments gegen Flüchtlinge schürte. Die Redaktion Wills hatte einige Statements Orbáns zusammengefasst, in denen er unter anderem davon sprach, dass Muslime große Familien gründen würden und damit die Christen am Ende quasi übervölkert werden.
Diesen Vorwurf löste Péter Györkös recht phantasievoll, indem er diese Aussage umdeutet in einen Hinweis Orbáns, sich mehr mit Familienpolitik im eigenen Land zu beschäftigen und die Bedingungen für Familien zu verbessern.
Statt Ungarn dann eben Österreich
Vermutlich erkannte Will spätestens an der Stelle, dass ihr Sendungsthema "Ungarn will keine Muslime" den Bach herunterging. Weil aber noch 30 Minuten Talkshow zu füllen waren, wand sie sich dem österreichischen Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) zu. Einem dank- und streitbaren Gast. Die Redaktion hatte einen Film über Kurz vorbereitet, der sich vor allem mit dem Integrationsgesetz für Muslime in Österreich befasst.
Der Österreicher beschwerte sich anschließend bei Anne Will darüber, dass die Darstellung verkürzt sei und sein Gesetz nicht nur aus negativen Änderungen bestehen würde. "Wir haben ganz viel gemacht für Muslime, aber auch manches beschränkt", stellte er fest. So setzte er sich für Friedhöfe für Muslime ein, für den Bau von Moscheen.
Allerdings forderte er auch ein Vollverschleierungsverbot. Das sei, so warf ihm Will vor, 2014 noch anders gewesen. Kurz strauchelte eine Sekunde und erwiderte dann, dass er damals die Flüchtlingsströme nach Österreich und Deutschland noch nicht absehen konnte. Und Integration von vollverschleierten Frau sei seiner Meinung nach schwer, weil es zeigen würde, dass sie nicht die gleichen Grundwerte hätten wie die österreichische Gesellschaft.
Außerdem beschränkt das neue Gesetz die Kontakte für Muslime ins Ausland. Hier erklärte Kurz, dass es vor allem darum gehe, dass Imame nicht weiterhin aus Syrien oder aus der Türkei kommen um ihre eventuellen militanten Vorstellungen in den Moscheen zu verbreiten.
Stattdessen werden nun Voraussetzungen geschaffen, die helfen Imame in Österreich auszubilden. Gleiches forderte auch Grünen-Politiker Cem Özdemir. "Imame aus Deutschland" wünschte er sich und lag plötzlich ganz auf einer Linie mit dem Österreicher, dem die Journalistin Kahlweit vorwarf, dass ihn früher die Linken in Österreich wegen seiner unkonventionellen Art mochten. "Heute lieben sie vor allem die Rechten", sagte sie.
Vermutlich sympathisieren sie mit Aussagen wie der von Kurz, dass Flüchtlinge durchaus auch danach ausgewählt werden sollten, ob sich die Integration vielversprechend anliesse. Dafür müsse man, so der Österreicher, eben nach Herkunft, Familien- und Bildungsstand schauen.
Hilfe für muslimische Flüchtlinge
Genau solche Aussagen hält Lamya Kaddor für gefährlich. Weil sie rechtes Gedankengut weiter verstärken. Özdemir stimmte zu und gab zu bedenken, dass durch die Verwendung solcher Worte bei Flüchtlingsgegner der Eindruck erweckt würde, dass ihre Ansichten gesellschaftsfähig sein. Dem sei aber nicht so.
Falsch fand Sebastian Kurz hingegen die Relocation-Programme, weil seiner Meinung nach damit die Flüchtlinge belohnt werden würden, die die gefährliche Reise auf sich nehmen. Stattdessen sollten Menschen aus Syrien ausgeflogen werden. Eigentlich, so waren sich Kurz und Györkös einig, müsse das Ziel aber immer sein den Menschen im eigenen Land zu helfen.