Wenn Sie noch nie eine komplette Sendung von "Nuhr im Ersten" gesehen haben, aber nach dem "ZDF Magazin Royale" vom letzten Freitag doch irgendwie mal neugierig geworden sind, dann ging es Ihnen vermutlich wie mir. Jan Böhmermann hatte in seiner Sendung Dieter Nuhr und seine Gäste parodiert und ich hielt das für vollkommen überzogen. Nun stellt sich heraus: Es ist alles noch viel schlimmer.
Humorwüste Deutschland
Natürlich, humortechnisch sind wir in Deutschland einiges gewohnt, die immer gleichen mehr oder weniger lustigen Menschen erzählen die immer gleichen, mehr oder weniger lustigen Begebenheiten, Witzchen und Anekdötchen vor ihrem jeweiligen Publikum. Das mit dem Publikum ist durchaus wichtig, denn so eine Show von Dieter Nuhr oder auch Lisa Eckhart funktioniert nur für ein bestimmtes Klientel. Das sitzt dann vor der Bühne und haut sich lachend auf die Schenkel, während es oberflächlicher, wenig pointierter und teilweise komplett vorhersehbarer Satire lauscht.
Flughafenwitze in 2023?
"SUV ist Boxspringbett mit Rädern", kalauerte sich beispielsweise Johann König durch seinen Auftritt, der sich im Wesentlichen auf Nachbarn und Hundekot beschränkte. Wenn Sie glauben, dass das schon wenig originell ist, dann kennen Sie Frank Lüdecke nicht. Der nutzte seine zum Glück recht kurze Bühnenzeit ausschließlich dafür, Berlin-Bashing zu betreiben. Kann man machen, klar, gibt ja genug, was an und in der Hauptstadt erzählenswert ist. Aber bitte, Flughafen- und Hauptbahnhofwitze? Wir haben 2023 und es ist wirklich alles für alle Zeiten zu diesen Themen gesagt worden. Aber gut: Jemand, der es schafft, noch einen Walter-Momper-Witz in sein Programm einzubauen, der braucht vielleicht noch ein paar Jahre, um neues Material zu finden. Momper war von 1989 bis 1991 Regierender Bürgermeister von Berlin.
Lachen wir als Gesellschaft darüber?
Wir sollten nachsichtiger sein. Oder kritischer. Denn neben all dem harmlosen und wirklich langweiligen Berlin-Witzen gab es da diesen einen Moment, wo ich mich fragte, warum niemand im Publikum aufstand und rief: "Geht's noch?" Der Gag, der durchaus rassistisch verstanden werden kann, drehte sich um eine Sachbearbeiterin, die erkältet war und darauf laut Lüdecke mit "ist ja kein Wunder bei all den Flüchtlingen" antwortete. Sind das die Schenkelklopfer, die wir als Gesellschaft wirklich sehen wollen?
Satire darf das
Offensichtlich schon, denn die anwesenden ZuschauerInnen klatschen sich fröhlich durchs Programm, lieber nicht nachdenken, ist ja gerade alles so trostlos da draußen und die Stimmung im Studio ist so gut. Man kann sich mit dem Gedanken, dass das alles nicht so gemeint sei, sehr gut darüber hinwegtrösten, dass man sich hier vielleicht mit einer Sache gemein macht, in dessen Nähe man vielleicht gar nicht rücken wollte. Aber so ist sie eben, die Satire. Beißend, böse, und hat nicht Jan Böhmermann selbst gezeigt: Satire darf alles. Warum also nicht ein bisschen hahaha bei Dieter Nuhr? Die Witze von Lisa Eckhart über Sodomie auf dem Dorf, die sind doch lustig, genau wie das Verhöhnen der Antifeminismusstelle, die gerade eingerichtet wurde, um antifeministische Gewalt zu erfassen. Da lachen wir doch lieber befreit drüber, die Eckhart meint das sicher nicht so.
Das hat mir nicht geschadet
Und Mathias Tretter und seine Erzählungen aus der Kindheit in Franken, die ist vielen sicher aus dem eigenen Erleben nicht fremd. All seine Auslassungen zu diesem Thema wurden weggelacht, dabei sind sie ein Paradebeispiel von Menschen, die sagen: Die Härte früher hat mir auch nicht geschadet. Woran man merkt, dass das ein Irrglaube ist? Wer heute in Satiresendungen auftreten muss, um neben Eltern-Bashing auch noch frauenfeindliche Witze zu reißen, der hat da vielleicht doch noch irgendwo ein Thema.
Tretter wünschte sich, dass die Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann vor ihrem nächsten Talkshowauftritt mal zur Musterung gehen sollte. "Den Griff werde ich nie vergessen", so Mathias Tretter, "und Sie auch nicht". Ahaha, das ist doch nur Spaß, nur Spaß.
Lieber Daniel Düsentrieb als Robert Habeck
Spaßig war in der Tat genau eine Stelle an diesem Abend und zwar die, als Dieter Nuhr erläuterte, wieso er eher an die Wissenschaft als an die Politik glaube. Nein, das ist noch nicht der Witz an sich. "Über die Zukunft meiner Kinder", sagte Nuhr, "soll bitte nicht Robert Habeck entscheiden, sondern Daniel Düsentrieb". You do you, lieber Dieter Nuhr, aber wer glaubt, eine Figur aus Entenhausen würde neue Erkenntnisse zur Klimakrise beitragen können, der glaubt vielleicht auch, dass frauenfeindliche Witze gegen König Charles Frau Camilla lustig sind. Oder dass aus einer Meinung, nur weil man sie laut im Fernsehen ausspricht, plötzlich ein belegbarer Fakt wird.
Diese sieben Humor-Klassiker bringen Sie zum Lachen

Mehr bei Audible
Hat Dieter Nuhr in seiner Sendung also gar nicht auf Böhmermann reagiert? Einen kleinen Seitenhieb konnte er sich dann doch nicht verkneifen. In seiner Anmoderation ging er kurz auf das "ZDF Magazin Royale" ein, indem er sagte: "Wir beschäftigen uns mit den wirklich wichtigen Dingen der Woche – also nicht mit mir."