Achtung Spoiler. Dieser Artikel verrät nichts aus der Serie, was nicht aus der Geschichte bekannt ist. Da "Domina" hält sich an die Überlieferung und malt sie lediglich aus. Wer aber über die Julisch-Claudische Dynastie gar nichts weiß, dem wird dann doch einiges verraten, was ihn überraschen könnte.
Julius Caesar, Octavian Augustus, Pompeius Magnus und Marcus Antonius – diese Namen haben die Zeit überstanden. Sie verbinden wir mit dem Ende der Republik und dem Beginn der Kaiserzeit. Dann noch Claudius, Cato, Nero, Brutus, Cicero. Als einzige Frau taucht die Ptolemäerin Kleopatra in dem Männerclub auf – keine Römerin. Und eine tragische Gestalt, deren Ehrgeiz die realen Möglichkeiten weit überstieg, so dass nur der Selbstmord blieb.
Doch tatsächlich wurde Rom damals von einer kleinen Gruppen von Frauen beherrscht. Die TV-Serie "Domina" handelt von der bedeutendsten: Livia Drusilla, Gattin von Augustus Octavian, die mächtigste Frau der Welt. Durch ihre Heirat verband sich Cäsars Nachfolger mit der ältesten und angesehensten Familie Roms. Augustus wäre nichts ohne seine Begleiter gewesen. Gaius Maecenas, der das Geld für ihn zusammenbrachte, Agrippa, der die Schlachten gewann, und Livia, die die römische Politik beherrschte. Maecenas und Agrippa waren stets mit einem Platz hinter ihrem Freund und “Bruder” zufrieden. Nicht seine Frau Livia, die beiden verband der unbedingte Wille zur Macht.
Die Zweite Staffel beginnt, wo die erste aufgehört hatte. Augustus hatte ein Weltreich begründet und die korrupte Ränkeherrschaft des Senats durch eine Familiendynastie ersetzt. Wobei Familie damals ein weit größeres Konstrukt darstellte als heute. Ehen wurden aus politischen Gründen geschlossen und – anders als in der christlichen Zeit – ebenso schnell wieder gelöst. Drei oder vier Ehen waren keine Seltenheit. Durch sie entstanden komplizierte Patchworkfamilien. Hinzu kam die gängige Praxis der Adoption. Augustus nutzte diese Möglichkeiten exzessiv, um seine Familie immer mächtiger und größer zu machen. Die Gefühle, der jungen Frauen und Männer, die er auf dem Eheschachbrett bewegte, kümmerten ihn nicht. Doch in Domina sieht man das Leiden der unglücklich Liebenden, die gegenseitige Verachtung der zwangsweise Verbundenen und die bittere Trauer der übriggebliebenen Frauen, die kein politisches Kapital in eine Ehe mehr bringen konnten.
Der unbedarfte Zuschauer wird Schwierigkeiten haben, die Personen richtig im Stammbaum unterzubringen. Mit dem Konzept seiner unübersichtlichen Mega-Familie übersah Augustus ein Problem, das seine Dynastie in den Untergang treiben wird. Nachdem alle äußeren Rivalen ausgeschaltet waren, führten die Frauen den Bürgerkrieg in der Familie weiter. Ihre Macht innerhalb des Hauses des Augustus basierte auf ihren Intrigen und dem Aufstieg ihrer Kinder. Staffel 1 endete damit, dass Livia den Nachfolger und Neffen ihres Mannes vergiftete. Damit machte sie den Weg frei für ihre beiden Söhne aus erster Ehe, Drusus und Tiberius. Sie handelte sich aber den ewigen Hass der Mutter des Toten ein. Octavia, die Schwester des Herrschers, die ihm näherstand als jeder andere Mensch.
Die erste Staffel zeigte Livia noch als energische Frau, die ihr Weiterleben in mörderischen Zeiten sicherte, die das Überleben ihrer Kinder ermöglichte und die eine ewige Freundschaft zu der freigelassenen Heilerin und Giftmischerin Antigone verband. In Staffel 2 treten nun die negativen Züge der Domina-Herrschaft zu Tage. Als junge Frau schwor sie ihrem toten Vater, alles zu tun, um die Republik wiederherzustellen. Dieses hehre Ziel rechtfertigt jedes Verbrechen, etwa die beste Freundin aus der Kindheit lebendig einmauern zu lassen. In Staffel 1 schien dieses feminine Monster der Macht bereits hervor. Doch nun verschwinden die Grenzen zwischen finsterem Charakter und persönlichem Ehrgeiz zusehends. Die zentralen Frauenfiguren sind Livia, Octavia, die Schwester des Augustus und seine Tochter Julia sowie Antonia Minor, die Tochter des Marcus Antonius und eine Domina der nächsten Generation. Unter ihnen wachsen die Knaben Drusus und Tiberius zu Männern heran.
Die zweite Staffel ist im Stil der ersten inszeniert. Das Zentrum sind die Familien, die Häuser, große Römerschlachten gibt es nicht. Wie häufig in Verfilmungen aus der römischen Geschichte wirken alle Personen eher britisch als römisch. Die männlichen Rollen inklusive die des Augustus bleiben meist plump und unbeholfen, wohl um den Frauen mehr Raum zu geben. Diese Serie wird von den Frauen beherrscht. Zu Livia (Kasia Smutniak) und Octavia (herausragend Claire Forlani) treten nun noch die Frauen von Drusus und Tiberius, Antonia Minor (Hannah Chinn) und Vipsania Agrippina (Joelle). Hannah Chinn spielt die Frau des Drusus als teeniehaftes, kluges Mädchen. Zerfressen von der Sorge um ihren instabilen risikofreudigen Mann. Später wird die historische Antonia ihre eigene Tochter in ihrem Haus einsperren und sie langsam verhungern lassen.
Joelle verkörpert die zarte und auch verdorbene Liebe von Vipsania Agrippina und Tiberius. Ohne ihre Perücke verwandelt sich die glatzköpfige Vipsania in ein ätherisches Wesen, die beim Sex die Gestalt der Domina annimmt und in Form der Schwiegermutter den "bösen Tiberius" bändigt. Benjamin Isaac spielt den kommenden Gegenspieler seiner Mutter überzeugend. Er muss wenig tun, sein ausdrucksloses, nachdenkliches Gesicht ist eine Maske, hinter der man den finsteren, echten Tiberius erahnt. Der jugendliche Ewan Horrocks spielt Drusus, den Star Roms, den Liebling seiner Legionen und das Herz seiner Frau Antonia, vital und lebensfreudig. Und auch er ist tief von seiner monströsen Mutter geschädigt. Unter den übrigen Rollen sticht Ben Batt als Agrippa hervor, einem Mann, dem man seine verbürgte Gewalttätigkeit und Gefährlichkeit sofort abnimmt.
Große inhaltliche Überraschungen birgt die Serie naturgemäß nicht. Bei der "Titanic" ist von Anfang an klar, dass das Schiff sinken wird. So weiß auch der Zuschauer, dass alle potenziellen Nachfolger auf diese oder andere Weise sterben werden, bis nur der ungeliebte Tiberius übrig bleibt. Was Norman Bates in "Psycho", ist Tiberius für die römische Geschichte. Weder von der Mutter noch vom Stiefvater mit Zuneigung bedacht, wächst der Junge im Abseits auf. Ein Mann der lieber Philosoph und Privatier geworden wäre, aber dann doch in die Politik gezwungen wird. Der Zuschauer ahnt, das Blut fließen wird, wenn der missachtete Junge an der Wand steht und wie in Hypnose mit der Faust gegen eine Säule schlägt. Ob der echte Tiberius von Geburt an ein so bösartiger Mensch war, kann man kaum sagen, sicher ist aber, dass er den Intrigen und den Morden des historischen Roms und seiner Dominas mit Rachsucht und Hass entgegentrat. Vom echten Tiberius sind zahlreiche Morde aus politischen und sehr persönlichen Motiven bekannt, dazu werden ihm grauenhafte sadistische Perversionen nachgesagt.
In der Serie erkennt allein Drusus, dass ein "böser Tiberius" in seinem Bruder lebt und nur darauf wartet herauszukommen. Seine Wut, als ihm seine erste Frau, die verletzliche Vipsania Agrippina, genommen wird, wird beim Zuschauer durch das Wissen verstärkt, dass Tiberius Vipsania Zeit seines Lebens lieben wird. Eine düstere Liebe. Vipsanias zweiter Mann wird von Tiberius ihr zuliebe lange verschont. Doch als Vipsania starb, kerkerte Tiberius den Nebenbuhler ein und ließ ihn verhungern. Auch über der lebenslustigen und haltlosen Tochter des Augustus, sie war die aufgezwungene zweite Frau des Tiberius, hängt ein düsterer Schatten. Sie ist als junge Frau der Glanz des Hauses und wird später elend auf den Straßen verhungern. Aus Angst vor dem finsteren Tiberius wagte niemand, ihr auch nur ein Brot zu geben.
"Domina II" läuft ab dem 7. September auf Sky ab 20.15 Uhr.