"Markus Lanz" Scholz nur eine Winke-Katze? Diskussion um Rot-Rot-Grün treibt bei SPD-Mann Stegner den Blutdruck hoch

  • von Sylvie-Sophie Schindler
Hitzige Debatte: Markus Lanz, Katja Kipping, Ralf Stegner (v.l.r.)
Hitzige Debatte: Markus Lanz, Katja Kipping, Ralf Stegner (v.l.r.)
© Cornelia Lehmann / ZDF
Über die Linken reden? Das behagte Norbert Walter-Borjans wohl nicht. Der SPD-Vorsitzende sagte spontan ab, stattdessen saß Ralf Stegner bei Lanz. Der sprach über eine "völlig verzweifelte Union". Und stellte inmitten einer hitzigen Debatte fest, dass Rot-Rot-Grün "doch nicht gehe".

Ich bin jetzt dran. Nein ich. Ich will auch noch was sagen. Zuerst ich. Lassen Sie mich doch mal ausreden. Sie hören mir ja nicht zu. Das stimmt nicht. Jetzt aber ich. So der Drunter-und-Drüber-Sound des Lanz-Talks am Mittwochabend, den der Moderator mit den Worten schloss: "Wenn der Blutdruck im normalen Bereich ist, sehen wir uns wieder." Das ging in Richtung Ralf Stegner, der eigentlich nur ein Notfall-Gast war. "Wissen Sie, warum Sie heute da sind?", fragte Lanz. "Weil Sie mich gerne in die Sendung einladen", antwortete Stegner. "Uns hat Ihr Parteivorsitzender, Norbert Walter-Borjans, spontan abgesagt, nach dem Vorgespräch, als er das Gefühl hatte, es geht zu viel um die Linkspartei." Und setzte nach: "Verstehen Sie das?" Stegner ausweichend: "Der ist heute auf der Automobilausstellung in München."

Die Talkgäste in alphabetischer Reihenfolge:

  • Katja Kipping, Linken-Politikerin
  • Sarna Röser, Unternehmerin
  • Ralf Stegner, SPD-Politiker
  • Wolfram Weimer, Publizist

Also musste Stegner ran. "Wir führen hier knallharte Koalitionsverhandlungen", meinte Lanz. Wer wie die Linke die Nato auflösen und Deutschland aus dem Militärbündnis verabschieden will, wie soll man mit so einer Partei regieren? Muss man überhaupt noch darüber nachdenken? Stegner schien der nächste Umfrage-Aufwind für die SPD optimistisch zu stimmen: "Rot-Grün wäre unsere Präferenz". Einwand von Weimer: "Unrealistisch". Fand Stegner nicht. Weimer diagnostizierte, die Linke sei nichts weiter als eine "Pokerreserve", um nicht der FDP in die Hände zu fallen. Da die Wähler in diesem Jahr besonders variabel sei, würde er allerdings immer noch nicht wetten, dass Olaf Scholz "es am Ende wird". Ihn erinnere der SPD-Kanzlerkandidat, so Weimer weiter, "an eine asiatische Katze, die stoisch winkt". Ähnlich werde Scholz ins Schaufenster gestellt. Ein Täuschungsmanöver? Der Publizist führte weiter aus: "Das kennt man aus Asien, da denkt man das ist ein seriöser Laden, wenn man draußen vorbeigeht, aber hinten ist die Spielhölle." Ein tiefes "Hoho" von Lanz.

Wenig schmeichelnde Worte auch von Kipping: "Dass Scholz vorne steht, liegt weniger an seiner Brillanz als an den Fehlern, die die anderen Kandidaten gemacht haben." Lanz wunderte sich. Warum sie dann mit der SPD koalieren wolle? "Wir sind bereit, alles zu tun, um mit Olaf Scholz eine Koalition zu machen", stellte die Politikerin klar. Alles? "Wir als Linke sagen Nein zu Kriegseinsätzen der Nato", so Kipping erwartbar. Und verwies darauf, dass man ohnehin so viel zu tun hätte mit den Kosten der Coronakrise, dass man ein paar Jahre ein Moratorium machen müsse und keine Gelder in Rüstungspolitik investieren könne. Ohnehin: "Es braucht eine Neuorientierung in der Außenpolitik." Stegner stimmte eingeschränkt zu. Man dürfe keine Gelder in eine militärische Aufrüstung stecken: Und: "Natürlich muss es eine Natoreform geben, und natürlich muss man mit den Russen als Nachbarn in Frieden leben." Weimer kommentierte diese Annäherung mit: "Ich sehe da begehbare Brücken."

Die aber brachen später wieder ein, als die Sprache auf das Thema Enteignung kam. Beispiel Berlin. Dort stimmen die Bürgerinnen und Bürger am 26. September über eine mögliche Enteignung privater Wohnungsunternehmer ab. Kipping bekräftigte, man wolle die "Deutsche Wohnen" enteignen. Das sei eine "Notwehr" in Zeiten der grassierenden Wohnungskrise. Stegner war in seiner Ablehnung klar: "Es geht doch nicht mit Rot-Rot-Grün." Dass man überhaupt mit diesem Gedanken spiele, versteht Weimer immer noch nicht. Er fragte mehrmals nach, ob es der SPD denn nicht "im Herzen schwerfalle", die zur Linkspartei umbenannte SED überhaupt als Koalitionspartner in Betracht zu ziehen: "Die Partei der Mauerbauer, die Partei, die Menschen von hinten erschossen und gefoltert hat." An der Linken klebe Blut. Zudem: Hermann Klenner, Mitglied des Linken-Ältestenrats ist ein Ex-NSDAP-Parteigenosse.

Weimer: Wo bleibt die moralische Integrität der SPD?

Wo bleibe die moralische Integrität der SPD? Stegner verwehrte sich entscheiden dagegen, dass seine Partei moralisch anzweifelbar sei: "Wir waren in der DDR verboten." Als älteste demokratische Partei Deutschlands habe man sich bereits, und das als einzige, gegen die Nazis gewehrt. Bis heute gehe die Gefahr von Rechts aus in Deutschland: "Die Einzigen, mit denen man nicht reden darf, ist die AfD, das sind Demokratiefeinde." Auch bei Hans-Georg Maaßen sieht Stegner rot: "Der ist rechtsradikal." Lanz stellte sich deutlich dagegen. Er sei nun wahrlich nicht im Fankreis von Maaßen. Aber das gehe ihm zu weit: "Nein, nein." Es ging hin und her. Und her und hin. Stegner blieb dabei.

Als hätte man sich nicht mit der eigenen Partei-Geschichte kritisch auseinandergesetzt. Kipping stellte heraus, dass es keine Entschuldigung gebe für die Mauertoten. Sie habe selbst öffentlich dazu gesprochen. Sagte aber auch, dass die Zeiten des Kalten Krieges vorbei seien. Dass man sich überhaupt derart mit den Linken beschäftige, schob sie der CDU zu: "Das hat mit der Verzweiflung von Laschet zu tun". Er habe keine eigenen Themen, daher müsse er "vor uns warnen". Hier traf sie sich wieder mit Stegner: "Die Union ist völlig verzweifelt."

Thema Steuern. Eine mögliche Erhöhung sei, das machte Unternehmerin Sarna Rösner deutlich, auch für mittelständische Unternehmen sehr belastend. "Die Coronarechnung ist enorm, wir müssen uns aus der Krise herausarbeiten." Eine Rückkehr der Vermögenssteuer und eine Erhöhung der Erbschaftssteuer würden, wie sie prognostizierte, "den deutschen Mittelstand aushöhlen". Das würde ihr erschweren, den Familienbetrieb in vierter Generation weiterführen zu können. An die SPD hat Rösner daher eine klare Forderung: "Ich erwarte eine klare Absage an die Linken." Deren Parteiprogramm sei "durchzogen von sozialistischen Ideen". Aber auch die SPD selbst müsse dahingehend kritisch betrachtet werden. Denn hinter Olaf Scholz stünden die "Weltbilder von Saskia Esken und Kevin Kühnert."

Doch woher die Gelder nehmen bei, darauf verwies Kipping mehrmals, "Krisenschulden im dreistelligen Milliardenbereich?" Sie konfrontierte die Runde mit der unbequemen Wahrheit – und wurde konsequent ignoriert. Dabei wäre hier unbedingt eine dringende, ehrliche und ausführlichere Debatte erforderlich; das geht uns schließlich alle wesentlich an. Weil nichts kam von den anderen Gästen, blieb Kipping nur die Frage: "Wollen wir Schulden machen?" Niemand antwortete.

tis

PRODUKTE & TIPPS