VERSTORBEN Briten trauern um »Queen Mum«

Großbritannien trauert um die Königinmutter. Die britische Königsfamilie gedachte am Ostersonntag bei einer Andacht in einer Kapelle von Schloss Windsor ganz privat der im Alter von 101 Jahren gestorbenen »Queen Mum«.

Große Beisetzung geplant

Großbritannien trauert um die Königinmutter. Die britische Königsfamilie gedachte am Ostersonntag bei einer Andacht in einer Kapelle von Schloss Windsor ganz privat der im Alter von 101 Jahren gestorbenen »Queen Mum«. Gleichzeitig versammelten sich Hunderte von Bürgern vor den Toren des Schlosses und anderer Paläste, um die Trauer über den Tod des wohl populärsten Mitgliedes des Königshauses zu teilen. Beide Häuser des britischen Parlaments wurden für kommenden Mittwoch zu einer Trauersitzung einberufen.

Thronfolger Prinz Charles (53) kehrte gemeinsam mit seinen Söhnen William (19) und Harry (17) aus dem Skiurlaub in Klosters in der Schweiz zurück, um auf Schloss Windsor mit der Familie zusammen zu sein. Die Königinmutter war am Samstag gestorben. Ihre Tochter, Königin Elizabeth II. (75), war im Moment des Todes an ihrem Krankenbett, teilte ein Palastsprecher mit. Erst vor 49 Tagen war die jüngere Tochter der Königinmutter, Prinzessin Margaret, gestorben. Die beiden Todesfälle überschatten die geplanten Feiern zum 50. Thronjubiläum der Königin.

Die beiden Häuser des britischen Parlaments wurden für kommenden Mittwoch zu einer Trauersitzung vorzeitig aus den Osterferien zurückgerufen. Es dürfte bei der geplanten Sitzung nicht nur Würdigungen durch Spitzenpolitiker geben, sondern vermutlich wird auch beschlossen, »Queen Mum« ein Staatsbegräbnis zu gewähren. Dies wäre das erste Staatsbegräbnis seit dem Tod des von der IRA ermordeten Lord Mountbatten of Burma 1979 und das größte seit dem Tod Winston Churchills 1965.

Beerdigung wahrscheinlich neun Tage nach dem Tod

Im Buckingham-Palast wurde am Sonntag über die Planungen für die Trauerfeiern beraten. Es galt als sicher, dass der Sarg in der prächtigen Westminster Hall im Parlamentspalast von Westminster aufgebahrt wird. Die Trauerfeier wird in der Westminster-Abtei stattfinden. Wenn das normale königliche Protokoll eingehalten wird, dann dürfte die Beerdigung neun Tage nach dem Tod stattfinden. Die Beisetzung erfolgt in einer Gruft der St. Georges Chapel von Windsor, wo auch der vor 50 Jahren gestorbene Ehemann der Königinmutter, König George VI., ruht. Vermutlich wird auch die Urne der im Februar gestorbenen Prinzessin Margaret im Sarg der Königinmutter eingeschlossen.

Während der Trauerfeierlichkeiten in London und während der Überführung des Sarges nach Windsor werden vermutlich Zehntausende von Bürgern Abschied von der Königinmutter nehmen. Sie galt als beliebtestes Mitglied des Königshauses. Hunderte hatten sich bereits nach Bekanntwerden der Todesnachricht vor Schloss Windsor und anderen Schlössern versammelt und Blumen für »Queen Mum« niedergelegt.

»Queen Mum« starb am Samstag im Alter von 101 Jahren auf ihrer Residenz in Windsor »friedlich im Schlaf«. Ihre Tochter, Königin Elizabeth II., war bei ihr.

Tod von Prinzessin Margaret nicht verwunden

Die Königinmutter hatte sich Ende vergangenen Jahres eine schwere Erkältung zugezogen, von der sie sich nicht mehr erholte. Der Tod ihrer Tochter Margaret im Februar dieses Jahres versetzte ihr einen schweren Schlag. Am Samstagmorgen verschlechterte sich ihr Zustand nach Angaben des Buckingham-Palastes rapide. Um 16.15 Uhr MEZ starb sie. Ihr Sarg soll voraussichtlich am Sonntag in die Royal Chapel von Windsor gebracht werden.

Die britischen Zeitungen berichteten in großer Aufmachung und oft mit zahlreichen Sonderseiten und -beilagen über den Tod der »Queen Mum«. Hier einige Pressestimmen:

»The Sunday Telegraph«: »Ihr Laster, so hat man gesagt, sei ihre Extravaganz gewesen. Aber man muss daran erinnern, dass dies die Art war, in der in der Edwardischen Zeit eine Frau erzogen wurde - als man in der Aristokratie nicht die Pennies zählte und das auch ganz sicher nicht für eine Tugend gehalten wurde. Sie war die letzte Überlebende dieser Gesellschaft. Mehr noch: Die Nation hat ihre Königinmutter verloren. Wird es jemals wieder eine geben?«

»The Observer«: »Im 21. Jahrhundert werden viele nach wie vor die Königsfamilie als Schirmherren von Wohltätigkeitsorganisationen haben wollen - und um öffentlichen Ereignissen Würde zu geben. Aber als Nation sind wir zu zersplittert, zu demokratisch und zu individualistisch geworden, als dass das Oberhaupt der Königsfamilie ein Symbol der Einheit und unser verfassungsmäßiges Staatsoberhaupt sein könnte.«

»The Sunday Times«: »Viele werden ihren Tod als das Ende einer Ära begreifen, als den Verlust einer Konstante im Leben des Landes. Er kommt zu einem Zeitpunkt, da - teilweise dank ihrer Arbeit - die Monarchie wieder etwas ruhigere Gewässer erreicht hat. (...) Selbst jene, die gegen die Monarchie sind, tolerieren deren Bestehen heute besser als früher.«

»Sunday Mirror«: »Die Royals werden ohne sie nicht mehr die gleichen sein. Sie wird ihnen fehlen, aber sie wird der ganzen Nation fehlen. Heute teilen wir die Trauer jeder Familie, wenn deren geliebte Oma stirbt.«

»News of the World«: »Jetzt lächelt sie nicht mehr. Aber wenn wir die Trauer mit ihrer Familie teilen, dann wollen wir dafür beten, dass der Geist der Königinmutter weiter lebt - als Inspiration für uns alle und als Ideal, dem die Familie nacheifern kann. Denn wir können nicht erwarten, dass es noch einmal jemanden wie sie geben könnte.«

»The Mail on Sunday«: »In einer Welt, in der man schnell zu Berühmtheit gelangt, war sie ein dauerhafter Star. Sie liebte das Leben und sie genoss seine einfachen Freuden. Sie gab Parties, die alles andere als enthaltsam waren und hatte eine große Leidenschaft für Pferderennen. Das alles trug zur Auffassung der Öffentlichkeit bei, dass hier eine Frau ihre Persönlichkeit verwirklichte, ohne die Monarchie zu erniedrigen.«

Hart gegen sich selbst und gegen andere

Gütig, leutselig, stets lächelnd, diszipliniert und völlig unbesiegbar: So haben die Briten die Königinmutter (»Queen Mum«) gemocht. Aber sie war keineswegs nur die Oma der Nation, deren Kleider mit zunehmendem Alter immer pink- und immer bonbonfarbener wurden. Die Mutter der 75 Jahre alten britischen Königin Elizabeth II. war immer hart gegen sich selbst und vor allem gegen andere. Sie gab gerne den Ton an - wie zerbrechlich sie auch mit ihrem Gehstock erscheinen mochte.

Sie war Königin wider Willen. Und dass Edward VIII. im Dezember 1936 nach nur elf Monaten auf dem Thron wegen seiner Liebe zur geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson abdankte, hat sie weder ihm noch Simpson jemals verziehen. Mit eisiger Kälte und einer De-facto-Verbannung Edwards in eine Art »Exil« nach Frankreich rächte sie sich dafür, dass ihr Mann als jüngerer Bruder Edwards - unter dem Namen George VI. - König werden musste. Sie wusste, das er darunter litt:

Ein schwer gehemmter Mann, ein Stotterer, für den öffentliche Reden eine Pein waren.

»Aussätzige und lauter Aussätzigen«

Spätestens damals hat sie zwei Überzeugungen gewonnen, die sie nachdrücklich vertrat: Erstens tritt man im Königshaus nicht zurück, zweitens dürfen sich Frauen auch von betrügerischen Männern nicht scheiden lassen, jedenfalls nicht in der »Firma«. Sie hat dann immer versucht, für klare moralische Verhältnisse zu sorgen - und das hat manche Probleme geschaffen. Der jüngeren Tochter Margaret verbot sie die große Liebe ihres Lebens, Hauptmann Peter Townsend. Sie sorgte dafür, dass die ältere Tochter Elizabeth, damals bereits Königin, dies der Schwester mitteilte. Vermutlich liegt hier ein wesentlicher Grund für das unglückliche, alkoholreiche Leben Margarets. Und sie legte auch Prinzessin Diana in Acht und Bann, als diese die Untreue des Lieblingsenkels Charles nicht länger hinnehmen wollte. »Die Aussätzige unter lauter Aussätzigen«, schimpfte Diana über die einstige Schwieger-Oma.

Dass sich »Queen Mum« so großer Verehrung erfreute und als das beliebteste Mitglied des Königshauses galt, beruht vor allem auf ihrem nachträglich auch verklärten Auftreten während des Zweiten Weltkriegs an der Seite von König George VI. Sie, die jahrelang das privilegierte Leben einer höheren Tochter des schottischen Landadels genossen hatte und auch im Buckingham-Palast als höchst party- und tanzfreudig auffiel, wandelt sich angesichts deutscher Luftangriffe auf London zur Kriegsteilnehmerin. Auch wenn es eher Fototermine waren: Das Auftauchen der Königin im zerbombten Londoner East End, das Posieren inmitten von Trümmern einer Wand des Buckingham-Palasts, das Besuchen von Bunkern und Unterständen ließ sie fast wie eine Kriegsheldin erscheinen. Noch heute wird sie gefeiert »als habe sie ganz alleine den Zweiten Weltkrieg gewonnen«, spottete der »Guardian« einmal. »Queen Mum« war das Mitglied der Königsfamilie für Heldengedenktage und Kriegsveteranen.

Die Kriegsjahre »waren die glücklichsten gewesen«

Das sie die Deutschen gehasst und stets nur als »Hunnen« bezeichnet hat, ist in einem so »deutschen« Königshaus wie dem britischen möglicherweise keineswegs überraschend. Und das lag auch nicht nur am Zweiten Weltkrieg: Der Lieblingsbruder der Königinmutter, Fergus, fiel 1915 an der Front in Frankreich. Die Kriegsjahre, das Überleben, Sich-Durchwursteln und Nicht-Nachgeben, so sagte sie einmal, seien »die glücklichsten in unserem Leben gewesen.«

Drahtzieherin im Hintergrund

»Queen Mum« war seit 1952, als ihr Mann an Lungenkrebs starb und ihre Tochter Königin wurde, Witwe. Seither hat sie hinter den Kulissen die Drähte gezogen und versucht, die Disziplin im Königshaus aufrecht zu erhalten. Das ist ihr zwar nicht recht gelungen, aber die Öffentlichkeit ist ihr schon für den Anschein dankbar gewesen. Oft ist sie krank gewesen, immer wieder hat sie sich aufgerappelt. Bis sich auch die große Kämpferin geschlagen geben musste.

Dieter Ebeling, dpa

»Hat das Regieren heute Spaß gemacht?«

Sprüche von Queen Mum

In der Öffentlichkeit redete sie so wenig, dass kaum jemand ihre Stimme kannte. Aber wenn sie etwas sagte, dann klar und deutlich:

»Schon wenn man das nur überfliegt, bekommt man einen guten Eindruck von seinen Einstellungen, seiner Borniertheit und offenkundigen Bösartigkeit.« (Nach der Lektüre von Hitlers »Mein Kampf«.)

»Die Prinzessinnen können nicht ohne mich gehen, ich kann nicht ohne den König gehen, und der König geht nie.« (1940 vor der befürchteten deutschen Invasion auf die Frage, ob sie nicht ins sichere Kanada ziehen wolle.)

»Ich bin froh, dass wir bombardiert worden sind. Jetzt können wir den Leuten im (Londoner Arbeiterviertel) East End in die Augen sehen.« (1940 während der Luftschlacht um Großbritannien nach einem deutschen Bombenangriff auf den Buckingham-Palast. Das East End war zuvor schon mehrmals heftig bombardiert worden.)

»Keine Knickse vor den Deutschen!« (Anweisung an ihr Personal vor einem Besuch deutscher Verwandter von Prinz Philip.)

»Irgendwie erscheint es falsch, das so zu sagen, aber die Kriegsjahre waren die glücklichsten unseres Lebens.« (Zu einem ihrer Biografen.)

»Nach all den Jahren des Angelns nehmen die Fische jetzt Rache.« (Im Krankenwagen auf dem Weg in die nächste Klinik, nachdem ihr eine Fischgräte im Hals stecken geblieben war. Die Queen Mum war begeisterte Sportanglerin.)

»Ist das vernünftig? Du weißt doch, Du musst noch den ganzen Nachmittag regieren!« (Zu ihrer Tochter, Königin Elizabeth II., als diese während eines Mittagessens ein Glas Wein trinken wollte.)

»Mit 80 Jahren wird das Leben erst richtig schön.« (Zu einer Angestellten, die ihren 80. Geburtstag feierte.)

»Hat das Regieren heute wieder Spaß gemacht?« (Während des täglichen Telefongesprächs mit ihrer Tochter, Königin Elizabeth II.)

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Kerzen mag. Kann ich meine eigenen mitbringen?« (In der Londoner Kathedrale Westminster Abbey bei Besprechungen zur Vorbereitung ihres eigenen Begräbnisses.)

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