Gazastreifen: Hilfsorganisationen fordern Aus für umstrittene Stiftung GHF

Palästinensischer Junge mit einem Hilfspaket von GHF
Palästinensischer Junge mit einem Hilfspaket von GHF
© AFP
Nach mehreren tödlichen Vorfällen in der Nähe von Verteilzentren im Gazastreifen haben Hilfsorganisationen die von den USA unterstützte Privatstiftung Gaza Humanitarian Foundation (GHF) scharf kritisiert. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen forderte am Freitag die Einstellung der umstrittenen Hilfsmaßnahmen. Es handele sich um ein "als humanitäre Hilfe getarntes Gemetzel", erklärte die Organisation. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wies einen Zeitungsbericht über angebliche Schießbefehle an Hilfszentren zurück.

Israel hatte Anfang März eine Blockade für Hilfslieferungen in den Gazastreifen verhängt. Erst Ende Mai wurde die Blockade teilweise wieder aufgehoben. Die neu gegründete Hilfsorganisation GHF, der die USA am Donnerstag 30 Millionen Dollar (25,6 Millionen Euro) an Unterstützung zusagten, nahm daraufhin ihre Arbeit auf und eröffnete vier Verteilzentren im Süden und im Zentrum des Palästinensergebiets. 

Die UNO und große Hilfsorganisationen verweigern die Kooperation mit der Stiftung. Sie werfen ihr vor, sich nach den Plänen der israelischen Armee auszurichten und damit gegen grundlegende humanitäre Prinzipien zu verstoßen. An den Verteilzentren kommt es zudem immer wieder zu Chaos und Gewalt.

Seit Ende Mai wurden nach Angaben des von der radikalislamischen Hamas geführten Gesundheitsministeriums mehr als 500 Menschen in der Nähe von Hilfszentren getötet. Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, und Ärzte ohne Grenzen sprachen am Freitag ebenfalls von 500 Toten.

Nach Angaben des Hamas-Zivilschutzes wurden am Freitag mindestens 62 Menschen bei israelischen Angriffen im Gazastreifen getötet, zehn von ihnen in der Nähe von Hilfszentren im Süden und im Zentrum des Gazastreifens sowie südwestlich der Stadt Gaza.

Die israelische Armee teilte auf Anfrage mit, sie gehe den Berichten nach. An dem Ort im Zentrum des Gazastreifens seien am Freitag aber "überhaupt keine" Schüsse gefallen. Die GHF bestreitet tödliche Vorfälle in der direkten Umgebung ihrer Hilfszentren.

Netanjahu dementierte unterdessen einen Bericht der israelischen Zeitung "Haaretz". Die Zeitung hatte unter Berufung auf nicht namentlich genannte Soldaten berichtet, Kommandeure hätten den Befehl erteilt, auf Zivilisten an den Verteilzentren im Gazastreifen zu schießen. Netanjahu wies diese Darstellung zusammen mit Verteidigungsminister Israel Katz "kategorisch" zurück und sprach von "böswilligen Lügen".

Ärzte ohne Grenzen erklärte jedoch, die Teams der Hilfsorganisation behandelten im Gazastreifen "jeden Tag" Menschen, die bei dem Versuch, an den GHF-Verteilstellen Lebensmittel zu bekommen, "verletzt oder getötet werden". Der Notfallkoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Gaza, Aitor Zabalgogeazkoa, berichtete, die vier Verteilungsstellen befänden sich alle in Gebieten, die von der israelischen Armee kontrolliert werden. Sie seien von Wachposten und Stacheldraht umgeben.

"Kommen die Menschen früh zu den Verteilzentren und nähern sie sich ihnen, wird auf sie geschossen. Kommen sie pünktlich an, sind es aber zu viele und springen sie über die Absperrungen, wird auf sie geschossen. Kommen sie zu spät, dann dürfen sie nicht mehr dort sein und es wird auf sie geschossen", schilderte Zabalgogeazkoa. Es kritisierte auch die langen Wege zu den Verteilstellen. Frauen, Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen hätten daher kaum Zugang zu Hilfsgütern.

Auch die Hilfsorganisation Save the Children fordert ein Ende des Verteilsystems durch die GHF. "Erfahrene Organisationen müssen unverzüglich wieder sichere und effektive Hilfe leisten können", erklärte der Geschäftsführer von Save the Children Deutschland, Florian Westphal.

Israel steht wegen der verheerenden humanitären Lage im Gazastreifen zunehmend unter Druck. Die UNO warnt vor einer Hungersnot im gesamten Gazastreifen. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte warf Israel "Kriegsverbrechen" vor, weil es Lebensmittel als Waffe einsetze. UN-Generalsekretär António Guterres sagte am Freitag: "Die Menschen werden getötet, weil sie versuchen, sich und ihre Familien zu ernähren." Die Suche nach Essen dürfe aber nicht zum "Todesurteil" werden.

AFP