In Syrien tobt seit Monaten ein erbitterter Kampf gegen die Truppen von Staatschef Baschar al-Assad - doch während im Großteil des Landes desertierte Soldaten und Rebellen für mehr Demokratie kämpfen, reihen sich im Nordwesten Syriens mehr und mehr Dschihadisten in den Aufstand gegen den autoritär regierenden Assad ein. Für die Glaubenskrieger aus Algerien, Marokko oder Saudi-Arabien ist der einer schiitischen Minderheit angehörende Assad ein "Abtrünniger", dessen Herrschaft beendet werden muss.
Viele syrische Rebellen bestreiten, dass es ein Problem mit ausländischen Kämpfern gibt. "Wir werden es (dem Terrornetzwerk) Al-Kaida nicht erlauben, sich hier festzusetzen", sagt Abu Ammar, der nach eigenen Angaben in der zentralsyrischen Provinz Hama eine 1200 Mann starke Einheit kommandiert. "Wir werden sie umbringen, wenn sie es versuchen. Die Revolution gehört den Syrern."
Doch Augenzeugen bestätigen, dass die Realität vielerorts anders aussieht. So haben sich in Bab al-Hawa an der Grenze zur Türkei dutzende Al-Kaida-Leute versammelt. Die ausländischen Kämpfer kommen nach eigenen Angaben auch aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten, Libyen, Tunesien oder gar aus Tschetschenien und Somalia. Der Grenzort wurde in der vergangenen Woche von der Freien Syrischen Armee (FSA) eingenommen.
In einem Dorf nahe Aleppo, nicht weit von der türkischen Grenze, haben sich rund 80 Kämpfer in einem ehemaligen Verwaltungsgebäude einquartiert. Neben Syrern handelt es sich um Türken, einen Ukrainer und zwei bis drei Tschetschenen. In einem nahegelegenen Fußballstadion trainiert die kleine Truppe für den Kampf gegen Assads Armee.
In Aleppo, der zweitgrößten Stadt des Landes, scheint Al-Kaida bereits die Oberhand gewonnen zu haben. Der in Berlin lebende Politikwissenschaftler Siamend Hajo berichtete im Deutschlandfunk nach einem Telefonat mit einem Freund in Aleppo, im Stadtteil Salaheddin seien bis zu 60 Prozent der Kämpfer Al-Kaida-Anhänger. Diese Salafisten seien "schlimmer als die Regime-Leute" und würden "menschliche Schutzschilde" einsetzen.
In dem Stadtteil, dem Zentrum der Kämpfe in Aleppo, stehen nach Angaben eines AFP-Korrespondenten Tschetschenen, Algerier, Schweden und Franzosen Seite an Seite mit den syrischen Rebellen. Sie nennen sich "Brigade der Einheit der Mudschahedin".
Beobachter fürchten, dass immer mehr Al-Kaida-Kämpfer nach Syrien kommen. Auf islamistischen Webseiten werden Dschihadisten aufgerufen, für einen Sturz Assads, der der schiitischen Abspaltung der Alawiten angehört, zu kämpfen. "Der islamische Staat" kenne keine "künstlichen Grenzen", schreibt Abu Bakr al-Husseini, der "Emir des islamischen Staats Irak", einer Al-Kaida-Organisation, auf einer Webseite.
Laut der Dschihadisten-Seite Honein kämpfen bereits "hunderte libysche Helden" in Syrien. Als Beleg wird das Foto eines Mannes in Militäruniform und ein weiteres von zwei Demonstranten gezeigt, die ein Poster mit dem Logo der "Revolutionäre der Brigade von Tripolis" hochhalten.
Im Juni bekannte sich die libanesische Fatah al-Islam, die Verbindungen zu Al-Kaida unterhält, zu einem Angriff auf ein Militärfahrzeug nördlich von Aleppo. Dabei seien "30 alawitische Soldaten" getötet worden, hieß es in einer Erklärung, in der die Alawiten zugleich als "schiitische Abweichler" diffamiert wurden. Im April war der Fatah-al-Islam-Chef Abdel Ghani Jawhar, einer der meistgesuchten Männer des Libanon, in Syrien getötet worden.
Auf einer Webseite schreibt eine Gruppe mit Namen Ansar al-Scham: "Die Welt muss wissen, dass Syrien begonnen hat, junge Araber anzuziehen, die bereit sind, sich den Revolutionären und den Kämpfern anzuschließen." Niemand habe das Recht zu kritisieren, "dass Syrien ein Gebiet des internationalen Dschihad geworden ist".