Im Bundestag sollen am Freitag drei neue Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter gewählt werden. Für zwei von ihnen hat die SPD das Vorschlagsrecht, für einen die Union. CDU/CSU wollen den Richter am Bundesarbeitsgericht Günter Spinner vorschlagen, die SPD möchte die Rechtsprofessorinnen Brosius-Gersdorf und Ann-Katrin Kaufhold ins Rennen schicken. Der Wahlausschuss im Bundestag wollte die Kandidierenden am Montagabend nominieren.
In der Unionsfraktion gibt es jedoch Vorbehalte gegen die Juraprofessorin Brosius-Gersdorf. Dabei geht es Medienberichten zufolge unter anderem um ihre Positionierung zur Reform des Abtreibungsrechts. Unionsvertreter sehen demnach zudem kritisch, dass sich die Juristin gegen die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zum Tragen des muslimischen Kopftuches im Staatsdienst gestellt habe.
CSU-Landesgruppenchef Hoffmann fürchtet, dass bei einer Ablehnung von Brosius-Gersdorf auch der Unionskandidat scheitern würde. "Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag sind so, dass wir unseren Wunschkandidaten nur im Paket mit weiteren Personalentscheidungen durchsetzen können." Hoffmann betonte: Gerade "in Zeiten, in denen im Bundestag die radikalen Ränder stark sind wie nie", brauche es bei der Besetzung freier Richterstellen in Karlsruhe "ein geschlossenes Votum der Parteien der Mitte".
Linken-Chef Jan van Aken bekräftigte die Forderung nach einem Mitspracherecht seiner Partei und nach Gesprächen mit der Linksfraktion. "Ohne Gespräch keine Wahl, das ist ganz einfach", sagte er in Berlin. "Und da die CDU nicht mit uns redet, wird wahrscheinlich der CDU-Vorschlag nicht gewählt werden." Es könne außerdem nicht sein, "dass alle glauben, wir stimmen einfach zu, aber können niemanden selbst vorschlagen", betonte van Aken.
Der Justiziar der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, zeigte sich offen für ein Vorschlagsrecht der Linken bei der Richterwahl zum Bundesverfassungsgericht. Denn ohne die Stimmen der AfD als zweitstärkster Fraktion im Bundestag gebe es die nötigen Zweidrittelmehrheiten "jetzt nur noch mit der Linken", sagte Fechner den RND-Zeitungen. "Deshalb schließe ich ausdrücklich nicht aus, dass irgendwann auch ein Vorschlag der Linken zum Zuge kommt."
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann sagte in Berlin, es sei "wichtig, dass wir innerhalb der demokratischen Fraktionen die Stärkung des Verfassungsgerichts im Blick haben". Den Beratungen im Ausschuss wollte sie ansonsten nicht vorgreifen.
Die AfD äußerte grundsätzliche Kritik an Brosius-Gersdorf, die dem Verfassungsgericht eine "links-ideologische Schlagseite verleihen würde". "Entscheidungen über die Berufung von Verfassungsrichtern dürfen nicht länger parteipolitisch ausgekungelt werden", forderte die Partei. Richter an den höchsten Gerichten müssten "ausschließlich auf Grundlage juristischer Kompetenz ausgewählt werden".
Bei der Richterwahl im Plenum am Freitag ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Da die Regierungsparteien Union und SPD eine Abhängigkeit von der AfD vermeiden wollen, wären sie dafür auf die Unterstützung von Grünen und Linkspartei angewiesen. Für die Vorschläge im Wahlausschuss ist gleichfalls eine Zweidrittelmehrheit nötig - dort würden auch die Stimmen von Union, SPD und Grünen reichen.