Das Schicksal einer fünfköpfigen Familie, die in den Abruzzen abgeschieden in einem Steinhaus ohne fließend Wasser und Strom lebte, bewegt viele Menschen in Italien. Die sogenannte Waldfamilie, über die das Land seit Wochen debattiert, kann Weihnachten wohl nicht zusammen daheim im Wald feiern.
Die Behörden hatten dem britisch-australischen Elternpaar angesichts der Lebensumstände im November das Sorgerecht für die drei Kinder vorübergehend entzogen und das achtjährige Mädchen und zwei sechsjährige Zwillingsgeschwister vorläufig in einem Heim untergebracht. Zuletzt scheiterten die Eltern vor dem Berufungsgericht mit ihrem Einspruch gegen diesen Beschluss des Jugendgerichts von L'Aquila.
Heftige Debatte bis in Italiens Regierung
Das verschärfte die Debatte erneut - der Fall wird zum Politikum. "Für diese Richter gibt es nur ein Wort: Schande", kommentierte der Vize-Ministerpräsident und Chef der rechten Regierungspartei Lega, Matteo Salvini, auf der Plattform X. "Kinder sind kein Eigentum des Staates, sie müssen mit der Liebe ihrer Mutter und ihres Vaters leben und aufwachsen können."
Die rechte Politikerin Michela Vittoria Brambilla (Forza Italia) wetterte im "Corriere della Sera", es sei "wirklich unerträglich", dass die Kinder nicht einmal zu Weihnachten nach Hause dürften. Die Trennung von den Eltern dürfe nur allerletztes Mittel sein. Es müsse sorgfältig abgewogen werden, welcher Schaden dadurch entstehen könne.
Die örtliche Sektion der Nationalen Richtervereinigung schoss zurück: Die Arbeit der Richter, die zum Schutz der Minderjährigen eingeschritten seien, als "beschämend" zu bezeichnen, sei ein inakzeptabler Versuch der Delegitimierung. Er ziele offenkundig darauf, die Bürger vor dem Referendum zu der umstrittenen Justizreform zu beeinflussen, zitierte die Zeitung "Repubblica" den Vorstand. Es seien Überprüfungen nötig, ehe den Eltern die Verantwortung zurückgegeben werden könne. Dass Weihnachten dazwischenkomme, könne den Ablauf nicht ändern.
Bei der von Juristen-Organisationen abgelehnten Justizreform geht es um eine Neuordnung der Laufbahnen von Richtern und Staatsanwälten, bei der die Politik indirekt mehr Einfluss auf Personalentscheidungen bekäme. Im Frühjahr soll das Volk entscheiden.
Erstmals Dusche gesehen
Die Eltern hatten sich bewusst für ein Leben jenseits der Konsumgesellschaft entschieden. Sozialdienste beurteilten die Situation im Wald aber auch angesichts der hygienischen Umstände als ungeeignet für das Aufwachsen der Kinder. Sie attestierten diesen soziale Isolation und Bildungsrückstände; die Kinder gingen nicht zur Schule. Das achtjährige Mädchen könne bisher weder Englisch noch Italienisch lesen und schreiben, hieß es.
Die Kinder hatten Medien zufolge in dem Heim erstmals elektrische Lichtschalter und eine Dusche kennengelernt. Die Mutter sieht die Kinder dort täglich, der Vater darf sie regelmäßig besuchen.
Hoffen auf baldige Wiedervereinigung
Die Anwälte der Familie zeigten sich laut dem "Corriere della Sera" zuversichtlich, dass die Familie bald wieder vereint werden könnte, da die Eltern Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Behörden und Sozialdiensten signalisierten. Das Jugendgericht müsse erneut entscheiden und die schon erzielten Veränderungen berücksichtigen.
Ein Unternehmer, der den Vater vorübergehend aufgenommen hat, sagte der "Repubblica", der Mann sei sehr niedergeschlagen. Er scheine über den bisherigen Lebensstil ins Nachdenken zu gekommen zu sein: "Ich glaube, er hat ihn in dem Moment überdacht, als er mein Haus mit eigenem Bad und allem Komfort, wenn auch umweltfreundlich, angenommen hat", sagte der Unternehmer der Zeitung.
Der Fall war ins Rollen gekommen, als die Kinder vor etwa einem Jahr mit Pilzvergiftung ins Krankenhaus kamen. Damals nahm das Jugendamt dieFamilie ins Visier.