Seine Adressdatenbank hatte über 60.000 Einträge, von Salvatore Adamo bis Klaus Wowereit. Er galt als ungekrönter Partykönig des Landes, kannte die Mächtigen, Reichen und Schönen. Doch seit Montag steht Manfred Schmidt in Hannover wegen des Verdachts der Bestechung vor Gericht.
Mit auf der Anklagebank sitzt Olaf Glaeseker, der ehemalige Sprecher des ehemaligen Präsidenten Christian Wulff, auch der ein guter Bekannter des Eventmanagers. Schmidt ließ Glaeseker auf seinen Anwesen – wie vom stern Ende 2011 enthüllt – immer wieder kostenlos urlauben. Gleichzeitig warb Glaeseker als niedersächsischer Staatssekretär unter Wulff Sponsoren für gigantomanische Lobbypartys ("Nord-Süd-Dialoge"), die Schmidt in Hannover und Stuttgart ausrichtete. Der soll damit, so die Staatsanwälte, einen Gewinn von "über einer Million Euro" gemacht haben. Glaeseker und Schmidt wiesen den Vorwurf der Korruption am Montag zurück – sie seien einfach Freunde, die sich immer wieder gegenseitig eingeladen hätten.
Ungereimtheiten bei Versteuerung von Einkünften
Doch nun tauchen auch noch Fragen nach Ungereimtheiten bei der Versteuerung von Schmidts Einkünften auf. Der heute 64-jährige Unternehmer hatte seine Geschäfte mit Hilfe eines verzweigten Firmenreichs abgewickelt, dessen Knotenpunkte im Ausland lagen – in Frankreich, Spanien sowie der Schweiz. Dort, im Niedrigsteuerparadies Zug, unterhielt Schmidt seit 2004 seinen Wohnsitz. Dort war er unbeschränkt steuerpflichtig und gehalten, "alle weltweiten Einkünfte und Vermögenswerte" zu deklarieren, wie sein Schweizer Steuerberater vermerkte. Doch zahlreiche Dokumente die dem stern vorliegen, werfen Fragen auf.
Für 2008 ließ Schmidt in Zug - außer einem Vermögen von 4,2 Millionen Schweizer Franken - ein Einkommen von 210.000 Franken versteuern. Dabei berechneten Schmidts Mitarbeiter allein für den Nord-Süd-Dialog in diesem Jahr einen Profit von mindestens 139.000 Euro – alle anderen Schmidt-Events in diesem Jahr also gar nicht mitgerechnet.
Staatsanwältin spricht von "kostspieligem Lebensstil"
Vor dem Landgericht Hannover erklärte Schmidt jetzt, er habe für die Nord-Süd-Dialoge gar "keine Sonderprämien oder Umsatzbeteiligungen" erhalten, sondern sei in einem "Beschäftigungsverhältnis" mit den Veranstalterfirmen gestanden. Wie hoch waren da seine Einnahmen? Der Geschäftsführer der Firma Feinschliff, die den Nord-Süd-Dialog 2009 offiziell organisierte, kalkulierte im Februar 2010 gegenüber Schmidt mit "circa 600.000 Euro für dich als Gehalt (vor Steuer)". Warum war Schmidts Einkommen 2008 deutlich niedriger?
Auch noch im Jahr 2003, bevor er sich in die Alpenrepublik abmeldete, versteuerte der Eventmanager beim Kölner Finanzamt Einkünfte von knapp 600.000 Euro. 2001 waren es sogar fast 1,9 Millionen. Und die Staatsanwältin Anna Tafelski, die am Montag in Hannover die Anklage gegen Schmidt verlas, sprach von einem "kostspieligen Lebensstil", den der Manager mit den Einnahmen aus seinen Events finanziert habe.
Hohe Vermögenswerte im Vergleich zum Einkommen "nicht plausibel"
Im Jahr 2009 waren Schmidts deklarierte Vermögenswerte um 1,4 Millionen Franken gestiegen, auf 5,6 Millionen Franken. Aber die Geschäfte liefen wegen der Finanzkrise schlecht. Im Entwurf seiner Steuererklärung standen nun zunächst gar keine Einkünfte, auch nicht aus seinen diversen Immobilien in Deutschland, Frankreich und Spanien. Das kam Schmidts Schweizer Steuerberater spanisch vor. "Für mich nicht plausibel sind die hohen Vermögenswerte im Verhältnis zum Einkommen", schrieb er an Schmidts deutschen Steuerberater. "Können Sie plausibel nachvollziehen wie Herr Schmidt seinen Lebensunterhalt bestritten hat (insbes. 2009)?" Warum habe es zwecks Lebensunterhalt keinen "Vermögensverzehr" gegeben? "Dies wird mit Sicherheit von der Steuerverwaltung gefragt", warnte der Schweizer.
Am Ende ließ Schmidt dann im Kanton Zug in der Tat ein Einkommen von 136.900 Franken versteuern – aber dies nur als Ertrag aus seinen Liegenschaften und den anderen Vermögenswerten, darunter auch Erträge in Höhe von 15.600 Franken aus Deutschland. Aber Einkünfte aus seinen Events? Fehlanzeige. Am Ende berechneten ihm die Schweizer Behörden Abgaben von gerade mal 3370,55 Franken.
Wo war Schmidts Wohnsitz?
Fragen waren auch betreffend Schmidts Wohnsitz in der Schweiz erlaubt – auch wenn sein Steuerberater Thomas Wilk am 2. November 2010 der Zuger Kantonsverwaltung mitteilte: "Herr Schmidt hat seinen Wohnsitz in der Schweiz sowie Wohnungen in Spanien, welche aber von ihm vermietet bzw. nur sporadisch aufgesucht werden." Schmidts "gewöhnlicher Aufenthalt", beteuerte der Berater "befindet sich in der Schweiz".
Vor dem Landgericht Hannover stellte Schmidt dies am Montag so dar: Die Finca in Spanien sei sein Zuhause gewesen, darum habe er Glaeseker dort erstmals im Jahr 2004 zu sich eingeladen. Die Finca, seine Wohnungen in Barcelona und Südfrankreich – "mein persönliches Leben kreist um diese Orte", ließ er erklären. Daneben habe er sich auch immer wieder in seinem Apartment in Zug aufgehalten.
Sein damaliger Schweizer Vermieter erinnert sich, er sei immerhin zehn- bis zwölf Mal im Jahr für je etwa eine Woche in seinem 80-Quadratmeter-Appartment in Zug gewesen.
Trotz dieser Aufenthalte blieb dort Post öfter sehr, sehr lange liegen. Das legte zumindest im September 2008 eine Mail der Mitarbeiterin eines Steuerberaters von Schmidt nahe: Kontoauszüge und andere "Post an Manfred" gingen "erst nach Zug in die Schweiz" und würden dann von der Vermieterfrau "irgendwann zu uns nach Berlin gesandt", schrieb sie: "Es kommt dabei zu Zeitverzögerungen von 4 bis 6 Wochen."
Zuger Firma schickt die Post nach
Wiederholt versäumte es der Eventmanager, auf Rechnungen oder auch Schreiben der Behörden zu reagieren, es kam zu Mahnungen, Zahlungsbefehlen, Pfändungsankündigungen – bis Schmidt irgendwann eine Zuger Firma beauftragte, die zwei Mal die Woche die Post an seine Schweizer Firma sammelte, scannte und per Mail an den reisefreudigen Auftraggeber versandte.
Um unter die Schweizer Steuerpflicht zu fallen, braucht es eigentlich gar nicht so viel: Man muss sich mindestens 30 Tage im Jahr im Land aufhalten sowie dort einem Beruf nachgehen und "ein Entgelt" erhalten, so Guido Jud, der Leiter der Steuerverwaltung in Zug. Doch gemäß der eigenen Steuererklärung für das Jahr 2009 erhielt Schmidt überhaupt kein Gehalt in der Schweiz. Und auch in dem Ausländerausweis, den ihm der Kanton Zug im September 2004 ausstellte, heißt es unter Aufenthaltszweck: "ohne Erwerbstätigkeit". Im Jahr 2008 ließ Schmidt sich in Zug überdies pauschal versteuern – auch das setzte voraus, dass er in der Schweiz keiner Erwerbstätigkeit nachging.
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Um trotz fehlender Erwerbstätigkeit in der Schweiz dort dennoch steuerpflichtig zu sein, muss man sich aber mindestens 90 Tage in der Schweiz aufhalten.
"Eine allfällige Abmeldung in die Schweiz, welche nur auf dem Papier besteht, dürfte im Ausland nach unseren Erfahrungen kaum akzeptiert werden, wenn dort weiterhin eine ständige Wohngelegenheit bestehen bleibt oder dort eine Erwerbstätigkeit verfolgt wird", sagt Guido Jud. All das sei aber für sie als Schweizer "etwas schwer überprüfbar, da ist schon primär der Fiskus im Herkunftsstaat gefragt."
Das heißt nicht, dass Schmidt Steuern in Deutschland hinterzogen hat. Gewiss, in Berlin unterhielt er ein luxuriöses Penthouse gegenüber dem Brandenburger Tor, für das seine Schweizer Firma im Jahr 2010 eine Monatsmiete von 8814 Euro zu zahlen hatte. Aber der Unternehmer pendelte eben viel zwischen Spanien, Frankreich, Deutschland und der Schweiz.
Die entscheidende Frage für die Steuerpflicht sei, wo sich der Lebensmittelpunkt befinde, sagt der Freiburger Steuerrechtler Holger Haberbosch. Hatte Schmidt ihn in der Bundesrepublik? Oder vermied er das durch sein regelmäßiges Pendeln?
Der stern übermittelte auch an Schmidt selbst eine Reihe von Fragen zu dessen Steuererklärungen. Der Eventmanager wollte sich aber nicht öffentlich äußern.