Joaquín Guzmán bricht aus Der mächtigste Drogenboss der Welt

Der mexikanische Drogenboss Joaquin Guzman ist auf der Flucht
Joaquin Guzman ist Anführer der größten Mafia Lateinamerikas. Er kann alle bestechen oder bedrohen: Polizei, Justiz, Bürgermeister. Auf diesem Wege ist es ihm nun schon zum zweiten Mal gelungen, aus einem mexikanischen Hochsicherheitsknast zu fliehen.
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Bereits zum zweiten Mal gelingt Joaquin Guzman die Flucht aus dem Knast. Der lange Arm des "Kurzen", des mächtigsten Drogenbosses der Welt, reicht mitten hinein in Polizei und Justiz.

Sie haben ihn von klein auf gehänselt - "El Chapo" nannten sie ihn, Kurzer - aber nun kam ihm seine Körpergröße von 1,60 Meter zu Gute. Er schlüpfte durch ein Loch in der Dusche seiner Zelle, nur 50 mal 50 Zentimeter groß, und versank im Boden des Hochsicherheitsgefängnisses von Altiplano, wo viele mächtige Drogenbosse einsitzen - der Zetas, der Tempelritter, des Sinaloa-Kartells.

Joaquín Guzmán war der Mächtigste unter ihnen.

Dann machte er sich auf den Weg durch das 1,5 Kilometer lange Tunnelsystem, ausgestattet mit Belüftungsschläuchen, Sauerstoffflaschen und einem Motorrad auf Schienen. Kurz darauf entstieg er dem Tunnel am anderen Ende, einem Rohbau im Viertel Santa Juanita. Es war kurz nach 20 Uhr am Samstagabend.

Ein Anführer - zwei Ausbrüche

Damit war sie vorerst gelungen, die spektakulärste und kreativste Flucht eines mexikanischen Drogenbosses seit 2001. Damals hatte sich ein Anführer mithilfe von Wärtern in einem Wäschewagen aus der Haft schleusen lassen. Sein Name: Joaquín Guzmán. Damit sind einem Anführer zum ersten Mal zwei spektakuläre Ausbrüche geglückt.

Für den mexikanischen Staat ist die Flucht eine "Schande", wie Präsident Ernesto Peña Nieto einräumen musste. Nieto hatte bei der Festnahme Guzmáns vor zwei Jahren noch gesagt, dass er sich von seinem Innenminister täglich bestätigen lasse, dass Guzmán sicher verwahrt sei. Er sagte: "Es ist die Aufgabe der Regierung sicherzustellen, dass ein Ausbruch wie er vor Jahren passierte, nie und nimmer wiederholt wird."

Bei der Flucht wird "El Chapo Guzmán" Dutzende Helfer, auch innerhalb des Gefängnisses gehabt haben, ein Leichtes für einen Milliardär, Anführer der größten Mafia Lateinamerikas und einer der fünf größten der Welt. Er kann alle bestechen oder bedrohen: Polizei, Justiz, Gefängnisleitung und hat dies in der Vergangenheit immer wieder erfolgreich getan. Selbst der berüchtigte Pablo Escobar hatte auf dem Höhepunkt nicht so viel Macht oder Vermögen.

Guzmáns Sinaloa-Kartell kontrolliert etwa die Hälfte der Drogeneinfuhr in die USA. Die Einnahmen sollen bei drei Milliarden Dollar pro Jahr liegen. Er hat ein hochintelligentes Netzwerk entwickelt, um seine Ware - Heroin, Kokain, Marihuana, Meth - zu Land, zu Wasser und in der Luft zu exportieren. Mal schickt er sie in vakuumverpackten Jalapeño-Dosen, mal in Lkw-Ladungen voller Fisch, mal per Fedex, per Güterzug und oft per Schnellboot oder Tunnelanlagen.

König der Tunnelsysteme

Die Einnahmen hat Guzmán, Vater von dreijährigen Zwillingen, verheiratet mit einer Schönheitskönigin, in ein hochkomplexes Sicherheitssystem gesteckt. Nicht nur bewachen ihn Dutzende Bodyguards rund um die Uhr. Er hatte unter anderem ein Tunnelsystem geschaffen, das ihm Zugang zu zwölf Häusern verschaffte, auf das die Behörden während seiner ersten Festnahme 2013 stießen. Auch für den Drogenexport in die USA benutzte er ein von Spitzenarchitekten entworfenes Tunnelsystem, welches das Haus eines Anwalts auf mexikanischer Seite mit einem Warenhaus in Arizona verband.

Ansonsten hat er sich immer wieder das Wohlwollen der Menschen in seinem Heimatstaat Sinaloa gekauft. Nicht nur Beamte bestochen, Polizisten, Bürgermeister - oder sie wahlweise töten lassen. Er hat auch Millionen gespendet, um Schulen und Kindergärten errichten zu lassen und die Armen zu unterstützen, was ihn in Sinaloa zu einer Mythenfigur hat werden lassen. Zahllose Balladen wurden über ihn geschrieben. Während seiner Zeit im Gefängnis lebte er wie ein Prinz, leitete seine Geschäfte von innen weiter, ließ sich Gourmetessen und Prostituierte kommen und setzte die Wärter auf seine Payroll. Nach seiner Festnahme 2013 demonstrierten hunderte Menschen für seine Freilassung.

Sein Aufstieg ist umso bemerkenswerter, weil er ganz unten begann. Die Schule verließ "der Kurze" schon nach der dritten Klasse, er konnte kaum lesen und schreiben und ließ später einen Ghostwriter seine Liebesbriefe verfassen. In den 80er-Jahren stieg er in den Drogenhandel ein, damals noch beim Guadalajara-Kartell, und übernahm sein eigenes Kartell nach der Festnahme des Anführers "El Padrino" - der Pate - eines ehemaligen Polizisten.

Inzwischen auch Chrystal Meth im Sortiment

Er perfektionierte die Handelswege des Kokains aus Kolumbien über Mexiko bis in die USA, kaufte ein Kilo Kokain für 2000 Dollar und erzielte dafür schließlich Erlöse in Höhe von 100.000 Dollar - Profitmargen, mit denen kein Produkt der Welt konkurrieren kann. Auch erweiterte er sein Sortiment, nahm Methamphetamine auf, ließ Schiffe aus China und Indien mit Containern voller Chemikalien kommen, um daraus in mexikanischen Labors Crystal Meth zu produzieren.

Wenn sein Sinn für Innovation und ausgeklügelte Fluchtwege irgendein Maßstab ist, ist El Chapo inzwischen längst an einem sicheren Ort und führt die Geschäfte bereits weiter. Für einen Drogenboss hat er ein biblisches Alter erreicht. Er ist 60. Oder aber 57. So genau weiß man das nicht. 

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