Im Zuge der Veröffentlichung von US-Diplomaten-Depeschen ist auch eine detaillierte Liste mit Objekten in aller Welt ins Netz gestellt worden, die als wichtig für die nationale Sicherheit der USA erachtet werden. Die britische Zeitung "The Times" sprach am Montag in ihrer Onlineausgabe von einer Liste potenzieller "Terrorziele", die auf der umstrittenen Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlicht wurde. Genannt werden neben hunderten Pipelines und wichtigen Datenkabeln auf der ganzen Welt auch Firmen, deren Produkte wichtig für die nationale Sicherheit der USA seien, darunter auch mehr als ein Dutzend deutsche Unternehmen.
Laut dem veröffentlichten Dokument ist beispielsweise das BASF-Stammwerk in Ludwigshafen als "weltgrößter zusammenhängender Chemie-Komplex" von Bedeutung für die nationale Sicherheit der USA. Ferner werden Firmen wie Siemens als wichtiger Hersteller von Transformatoren und Turbinen zur Stromgewinnung aus Wasserkraft, die Lübecker Drägerwerk AG (Gasmesstechnik), Junghans Feinwerktechnik im baden-württembergischen Schramberg ("entscheidend bei der Herstellung von Minenwerfern") sowie diverse pharmazeutische Unternehmen in Deutschland genannt.
Auch Sylt steht auf der Liste
Auf der Liste stehen aber auch das ostfriesische Norden und die Nordseeinsel Sylt als Anlandepunkte für die transatlantischen Unterseekabel TAT-14 und AC-1 zur Datenübertragung zwischen Europa und den USA.
Nach Ansicht der BBC wird durch das Dokument erstmals deutlich, wie weitgehend die US-Regierung die Bedeutung ausländischer Objekte und Einrichtungen für die eigene Sicherheit interpretiert. Die US-Vertretungen in aller Welt seien im Februar vergangenen Jahres von Washington aufgefordert worden, Objekte aufzulisten, deren Verlust Einschränkungen für das Gesundheitswesen, die Wirtschaft und dienationale Sicherheit der USA zur Folge hätten.
Neue Depeschen aus Russland
Unterdessen kündigte Julian Assange zahlreiche weitere Veröffentlichungen von Dokumenten über Russland an. "Wir haben tausende Dokumente, in denen es um Russland geht", sagte Assange am Sonntagabend in einem Interview mit dem russischen Fernsehsender NTV. Darin gehe es "um die Oligarchen, um den Moskauer Bürgermeister und die größten Unternehmen". "In den kommenden Monaten wird alles veröffentlicht", sagte Assange. In den jüngst von Wikileaks veröffentlichten US-Botschaftsdepeschen wurde Russland als korrupter Staat mit großen Demokratiedefiziten dargestellt.
Assange sagte in dem Interview, er fühle sich trotz des gegen ihn vorliegenden internationalen Haftbefehls noch sicher. "Es gibt noch solche (sichere) Orte, wir haben viele Freunde", sagte er. "Es gibt noch Länder, die uns wohlgesonnen sind", fügte der 39-Jährige hinzu. "Die Devise von Wikileaks ist die völlige freie Meinungsäußerung, das ist ein Test für die Staaten. Viele haben es leider nicht geschafft, auch mein Geburtsland Australien nicht." In Europa könne er sich "ebenfalls nicht sicher fühlen", sagte Assange, hier müsse er "stets auf der Hut" sein.
Auf die Bemerkung des NTV-Journalisten, wonach sich viele wundern, dass Assange überhaupt noch am Leben ist, sagte der Wikileaks-Gründer, er denke nicht, dass ein Land wie die USA ihn töten könne, das "Risiko" sei "zu groß". "Ich stehe im Zentrum der Aufmerksamkeit, das ist mein Schutz." Anders hingegen sei es bei großen Firmen, "vor allem außerhalb der USA", sagte Assange, ohne diese Aussage zu erläutern.
Konsularische Hilfe aus Australien
Im Falle einer Festnahme kann sich Assange auf konsularische Hilfe seines Heimatlandes Australien verlassen. Das teilte der australische Justizminister Robert McClelland am Montag vor Journalisten in Sydney mit. Australien sei aber auch verpflichtet, bei den internationalen Ermittlungen gegen Assange zu helfen, betonte er. McClelland verurteilte zugleich erneut die Veröffentlichung geheimer amerikanischer Diplomaten-Dokumente als unverantwortlich, weil sie Informanten enttarnen könnten. "Freie Meinungsäußerung ist eine Sache, das respektieren wir alle, aber wir respektieren auch die Freiheit und das Recht der Menschen, ohne Angst zu leben", erklärte er. Die australischen Behörden leisteten den US-Ermittlern Amtshilfe und prüften zudem, ob Wikileaks mit den Veröffentlichungen vertraulicher Dokumente gegen australische Gesetze verstoßen habe.
Asyl in der Schweiz?
Aus Unterstützerkreisen von Wikileaks hieß es am Sonntag zudem Julian Assange erwäge einen Asylantrag in der Schweiz. Dort ist auch die Internetseite beheimatet, nachdem mehrere US-Firmen die Enthüllungsplattform von ihren Servern geschmissen hatte. Die meisten Zugriffe auf die Wikileaks-Seite kamen am Sonntag über die wikileaks.ch, die von der Schweizer Piratenpartei kontrolliert wird. Die teilte mit, es griffen pro Sekunde rund 3000 Besucher auf die Wikileaks-Seite zu. Es würden zudem sogenannte Spiegel der Seite auf anderen Servern eingerichtet, so dass der Inhalt selbst dann im Internet bleibe, wenn die offizielle Wikileaks-Seite geschlossen werden sollte. "Selbst wenn man den Server in Schweden abschaltet, ist es zu spät", sagte der Vizepräsident der Piratenpartei, Pascal Goor. "Es gibt jetzt Hunderte von Wikileaks-Spiegeln." Goor sprach von einem Testfall für Zensur im Internet. "Können Regierungen etwas vom Netz nehmen? Ich denke nicht. Überall sind Kopien der Webseite."