Frankfurter Landgericht Fast sechs Jahre Haft in Prozess um "NSU 2.0"-Drohschreiben

Der Angeklagte steht zwischen seinen Anwälten
Der Angeklagte steht zwischen seinen Anwälten
© Andreas Arnold/dpa-pool / DPA
Mit Drohungen und rassistischen Beschimpfungen hat der Angeklagte Todesangst verbreitet. Nun hat das Frankfurter Landgericht nach einem langwierigen Prozess ein Urteil gegen den 54-Jährigen gesprochen.

Im Frankfurter Prozess um die "NSU 2.0"-Drohschreiben ist der Angeklagte zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden. Der aus Berlin stammende Alexander M. hatte nach Auffassung der Richter per E-Mail, Fax oder SMS eine Serie von hasserfüllten und rassistischen Drohschreiben an Rechtsanwälte, Politikerinnen, Journalistinnen und Vertreter des öffentlichen Lebens gerichtet.

Das Frankfurter Landgericht sprach den 54-Jährigen am Donnerstag unter anderem der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten, der Volksverhetzung, der Störung des öffentlichen Friedens, der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole, der Bedrohung, eines tätlichen Angriffs auf einen Vollstreckungsbeamten sowie der Beleidigung für schuldig.

Der Angeklagte selbst hatte die Vorwürfe am Donnerstag in seinem "letzten Wort" erneut zurückgewiesen. Die Tatvorwürfe gegen ihn hätten sich in der Beweisaufnahme nicht bestätigt, sagte der 54-Jährige. Er warf der Staatsanwaltschaft Lügen und Manipulationen vor, die keine Grundlage für eine Verurteilung seien. Die Ermittlergruppe wolle ihn mit ihren Ergebnissen "um jeden Preis fertigmachen" und die Polizei entlasten. 

Angeklagter im "NSU 2.0"-Prozess: Wurde "systematisch reingelegt"

Wie bereits in seinem Plädoyer gab der aus Berlin stammende Angeklagte zu, Mitglied einer Chatgruppe im Darknet gewesen zu sein, weshalb auf seinem Computer Teile der Drohschreiben gefunden worden seien. Die Mitglieder der Gruppe hätten ihn aber "systematisch reingelegt". Dass er die Schreiben verfasst habe, sei nicht nachweisbar. Für die Mitgliedschaft entschuldigte sich M. in seinem Schlusswort. Die Drohungen seien niemals ernsthaft gewesen, fügte er hinzu: "Das Projekt NSU 2.0 war nur Herumtrollerei auf hohem Niveau."

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft ist M. der Verfasser von insgesamt 81 Drohschreiben, die an Rechtsanwälte, Politikerinnen, Journalistinnen und andere Vertreter des öffentlichen Lebens gerichtet waren. Zu den Adressaten der Drohschreiben gehörten auch Satiriker Jan Böhmermann, Moderatorin Maybritt Illner und Kabarettistin Idil Baydar. Begonnen hatte die Serie im August 2018 mit Todesdrohungen gegen die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz und ihre Familie. Die Schreiben waren mit "NSU 2.0" unterzeichnet – in Anspielung auf die rechtsextreme Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU).

Nebenklägerinnen fordern weitere Aufklärung

Die Anklage hatte siebeneinhalb Jahre Haft unter anderem wegen Beleidigung und versuchter Nötigung, Störung des öffentlichen Friedens und Volksverhetzung gefordert. Die persönlichen und öffentlich nicht zugänglichen Daten der Empfängerinnen und Empfänger habe M. unter Vorspiegelung falscher Identitäten von verschiedenen Polizeidienststellen erhalten, hieß es im Plädoyer der Staatsanwaltschaft.

Der Angeklagte hatte sein eigenes Plädoyer gehalten und einen Freispruch verlangt. 

Die Nebenklägerinnen – die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Die Linke) und die Frankfurter Anwältin Basay-Yildiz – hatten weitere Aufklärung gefordert. Zumindest für das erste Schreiben bestünden Zweifel an einer Täterschaft von M.. Auch die Verteidigung kritisierte, dass die Staatsanwaltschaft von einem Einzeltäter ausgehe und wies auf einen Polizisten des 1. Polizeireviers in Frankfurt hin, dessen Rolle in dem Verfahren nicht hinreichend aufgeklärt worden sei.

Hinweis: Dieser Artikel wurde aktualisiert

DPA · AFP
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