Der Tod zweier junger Polizeibeamten erschüttert ganz Deutschland. Inzwischen wurden zwei Tatverdächtige festgenommen. Den beiden 32 und 38 Jahre alten Männern wird vorgeworfen, eine 24-jährige Polizeianwärterin und einen 29 Jahre alten Oberkommissar bei einer Verkehrskontrolle am frühen Montagmorgen im rheinland-pfälzischen Kreis Kusel erschossen zu haben. Die Saarländer sitzen nun wegen des Verdachts auf gemeinschaftlichen Mord in Untersuchungshaft. Ein mögliches Tatmotiv: Die Männer könnten mit dem Mord an den Beamten versucht haben, ein Vergehen wegen Jagdwilderei zu vertuschen.
Kofferraum voll erlegter Tiere
Bei Durchsuchungen in mehreren Häusern, Wohnungen, Betriebsstätten und einer Jagdhütte im Saarland waren mehr als ein Dutzend Schusswaffen gefunden worden – darunter wohl die Tatwaffen. Angaben dazu, ob einer der beiden festgenommenen Männer im Nationalen Waffenregister als "Erlaubnisinhaber" geführt wird, machten die Behörden zunächst nicht. Sie sprachen am Mittwoch von "sehr umfangreichen Ermittlungen".
Dem 38-Jährigen soll laut Informationen des Deutschen Jagdverbandes 2020 wegen fehlender Zuverlässigkeit ein Jagdschein verweigert worden sein. Der Ermittlungsrichter gehe davon aus, dass die Beschuldigten die Tat gemeinschaftlich begangen haben, um vorangegangene Wilderei zu verdecken, sagte Oberstaatsanwalt Stefan Orthen am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Kaiserslautern. Der Kofferraum der Verdächtigen sei am Tatmorgen voll erlegter Tiere gewesen.
Schwerer Fall von Wilderei: bis zu fünf Jahre Haft – Mord: lebenslänglich
Laut aktuellem Bußgeldkatalog steht auf das Jagen ohne Jagdschein eine Geldstrafe von 500 bis 1500 Euro. Vergehen wie das Erlegen von Wild in der Schonzeit oder die Jagd auf fremden Grundbesitz können zwischen 50 und 1000 Euro kosten.
"In der Regel liegen die Strafen für Jagdwilderei im Bereich einer Bewährungsstrafe", sagte Benjamin Grunst, Fachanwalt für Strafrecht gegenüber T-Online. Häufig wögen die beruflichen Konsequenzen für die Verurteilten deutlich schwerer als die Strafe selbst, da ihnen Waffen- oder Gewerbeschein entzogen werden könne.
Allerdings kann Wilderei auch weitaus härtere Strafen nach sich ziehen. Denn in "besonders schweren" Fällen droht laut Paragraph 292 des Strafgesetzbuches eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren. "Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn die Tat gewerbs- oder gewohnheitsmäßig; zur Nachtzeit, in der Schonzeit, unter Anwendung von Schlingen oder in anderer nicht weidmännischer Weise oder von mehreren mit Schusswaffen ausgerüsteten Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird", heißt es im Gesetzestext weiter. Seitens der Ermittler hieß es, es gebe Hinweise darauf, dass die Tatverdächtigen professionell und gewerblich wilderten – was für einen schweren Fall von Wilderei spräche.

Für gewöhnlich, so Grunst gegenüber "T-Online", enden die wenigsten verurteilten Wilderer aber für mehrere Jahre hinter Gittern. "Das Gesetz schützt ja nicht die Tiere, sondern die Jagdgebiete. Es geht also um den Schutz von Besitzrechten", erklärt der Fachanwalt.
Sollten die beiden Männer also tatsächlich auf die Polizisten geschossen haben, um ihre illegale Jagd zu verschleiern, hätten sie sich kapital verrechnet: Denn für einen Mord sieht das Gesetz eine lebenslange Freiheitsstrafe vor.
Wilderei hat in Deutschland zugenommen
Jagdwilderei hat in Deutschland in den vergangenen Jahren wieder leicht zugenommen: Das Bundeskriminalamt registrierte in der Polizeilichen Kriminalstatistik für ganz Deutschland zuletzt 1080 solcher Fälle im Jahr 2020. Den Höchststand in der seit 1987 geführten Statistik gab es im Jahr 1996 mit 1502 Fällen. "Es gibt sicher eine Dunkelziffer", sagt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband.
Gewerbsmäßige Wilderei wie sie vermutlich im Fall der ermordeten Polizisten aus der Fall vertuscht werden sollte, sei ihm aber noch nie unter gekommen. Die Brutalität und Kaltblütigkeit der mutmaßlichen Jagdwilderer und Mörder mache ihn fassungslos. "So eine Dimension hat es zumindest in den letzten 30 Jahren in Deutschland nicht gegeben." "Es ist schwer, in Deutschland gewerbsmäßige Jagdwilderei zu betreiben", sagte Reinwald. Polizei und Jäger arbeiteten schon wegen der Wildunfälle eng zusammen.
Quellen: dpa; afp; Strafgesetzbuch; Bußgeldkatalog für Tierschutz; T-Online