Anhörung "Costa Concordia" Kapitän Schettino zeigt sich vor Gericht

Hunderte Überlebende der Havarie kamen zum Gerichtstermin im toskanischen Grosseto. Sie erhoben schwere Kritik gegen Europas größten Kreuzfahrtanbieter Costa Crociere.

Die Reederei des vor neun Monaten verunglückten Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia" ist bei der Voranhörung vor einem Gericht in Italien unter Druck geraten. Hunderte Überlebende der Havarie und ihre Anwälte kamen zum Gericht im toskanischen Grosseto und erhoben schwere Kritik gegen Europas größten Kreuzfahrtanbieter Costa Crociere. Der Kapitän des Schiffes, Francesco Schettino, erschien ebenfalls zum ersten Verhandlungstag.

Aufgrund des großen Andrangs hatte das Gericht den Prozess in einen Theatersaal verlegt. Hinter verschlossen Türen will es in den kommenden Tagen darüber entscheiden, wer wegen der Havarie der "Costa Concordia" am 13. Januar vor der Insel Giglio angeklagt werden soll. Bei dem Unglück starben 32 Menschen, darunter zwölf Deutsche.

Kläger wollen Unternehmen haftbar machen

Neben Kapitän Schettino droht sechs weiteren Crew-Mitgliedern und drei Managern der Reederei, die zum US-Unternehmen Carnival gehört, eine Anklage. Der eigentliche Prozess beginnt wahrscheinlich im kommenden Jahr. In den USA haben zudem 39 Passagiere Carnival auf über 520 Millionen Dollar Schadensersatz verklagt.

Die Überlebenden machten Costa Crociere für den Verlauf der Evakuierung des Schiffes und damit auch für die Toten und Verletzten verantwortlich. Eine der zentralen Fragen der Voranhörung lautet, warum die Rettungsmaßnahmen erst eine Stunde nach der verheerenden Kollision des Schiffes mit einem Felsen eingeleitet wurden.

"Wie haben den Eindruck, es war der Fehler des Unternehmens", sagte der Anwalt Peter Ronai, der zehn Passagiere aus Ungarn vertritt, darunter eine getötete Violinistin. Costa Crociere mache Schettino zum "Sündenbock". Der US-Anwalt John Arthur Eaves sagte vor Reportern, die Katastrophe wäre nicht geschehen, wenn der Schiffseigner die "nötigen Standards" aufgestellt und eingehalten hätte.

Passagiere fühlen sich allein gelassen

Der italienische Überlebende Ernesto Carusotti sagte, die Crew habe die Passagiere allein gelassen. Laut Bruno Neri, Experte der italienischen Verbraucherorganisation Codacons, konnte die Reederei bisher nicht erklären, warum das Notstromaggregat der "Costa Concordia" nicht funktioniert habe. Mehrere der Toten waren in den blockierten Fahrstühlen des Schiffes gefunden worden.

Ein deutscher Überlebender der Katastrophe sagte, er wolle sehen, wie der Kapitän auf die Anschuldigungen reagiere. Schettino, von der Presse "Italiens meistgehasster Mann" oder wahlweise "Kapitän Feigling" getauft, erschien in einen dunklen Anzug gekleidet vor Gericht. Ihm droht eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung. Dem inzwischen entlassenen und unter Hausarrest stehenden Schettino wird vorgeworfen, dass er bei dem Unglück von Bord ging, ohne die Rettung der mehr als 4200 Passagiere abzuwarten.

AFP
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